Keine Übereilung und ev. Absicherung mittels «Aufhebungsvereinbarung»
Einleitung
Die Digitalisierung und Social Media verändern das Recruiting und eröffnen neue Möglichkeiten, um Personal zu finden und schnell für einen Jobwechsel zu gewinnen.
Agenda
Abwerbung
Viele Arbeitgeber betrachten die Ansprache und Abwerbung von Personal durch Konkurrenzunternehmen als unangemessen und unethisch.
Manche Unternehmen wählen daher eine subtilere Herangehensweise:
- Employer Branding
- Erhöhung der Aufmerksamkeit für potenzielle Bewerber
- Abhebung am Personalmarkt von anderen, Personal suchenden Unternehmen
- Weitere Recruiting-Marketingaktivitäten
- Talent Pool
- In der Datenbank eines sog. «Talent-Pools» werden interessierte Kandidaten geführt und nachbetreut.
- Indirekte Unternehmens-Darstellung als attraktiver Arbeitgeber.
Erwartungen des Kandidaten
Wird ein Mitarbeiter von einem Konkurrenzunternehmen direkt oder von dessen Recruiter angesprochen, wird er sich zunächst geehrt fühlen und sich dann aber folgende Gedanken machen:
- Bisherige Arbeitsstelle
- Bin ich mit meiner bisherigen Stelle zufrieden?
- Familiäre, wertschätzende, vertrauensvolle und flexible Unternehmenskultur?
- Anspruchsvolle Arbeit?
- Gute Entlöhnung?
- Zukunftsperspektiven?
- Bin ich mit meiner bisherigen Stelle zufrieden?
- Neues Stellenangebot
- Wie wurde ich angesprochen?
- Nett, unverbindlich oder von oben herab?
- Professionelles Angebot oder Vorschlag mit (ultimativer) Bedenkfrist?
- Fragen nach persönlichen Bedürfnissen und Befindlichkeiten?
- Entspricht das Suchprofil meinen Interessen?
- Wie ist die Kultur des interessierten Unternehmens?
- Image des Unternehmens am Markt?
- Viel Personalwechsel?
- Für welche Funktion bin ich vorgesehen?
- Ersetze ich jemanden oder handelt es sich um eine neue Funktion?
- Sind Personalquerelen oder Dispute mit (langjährigen oder übergangenen) Mitarbeitern zu erwarten?
- Passt die Entlöhnung für die vorgesehene Funktion?
- Entwicklungsmöglichkeiten?
- Wie ist die Kultur des interessierten Unternehmens?
- Wie wurde ich angesprochen?
- Gibt es in Bezug auf den jetzigen Arbeitgeber und / oder die eigene Familie Hindernisse, die Stelle zu wechseln?
Jobwechsel-Interesse
Nach der vorerwähnten Standortbestimmung wird der Umworbene die Chancen- und Risiken der neuen Stelle, auch im Verhältnis zur bisherigen Arbeitsstelle, abwägen müssen. Werden die gewünschten beruflichen Bedürfnisse erfüllt, die Existenz gewährleistet und wird die Work-Life-Balance stimmig sein?
Trotz Interesse an der angebotenen Stelle sollte eine «Übereilung» beim Abschluss des neuen Arbeitsvertrages vermieden werden.
Jobwechsel-Hindernisse
Mit einem Jobwechsel können einhergehen:
Aufgabe von Anwartschaften oder Verschlechterung von Rechten
Ein kurzfristiger bzw. nicht von langer Hand geplanter Schnitt mit dem bisherigen Arbeitgeber kann dazu führen, dass gewisse Anwartschaften verloren gehen bzw. gewisse Recht „unter Wert“ liquidiert werden.
Zu denken ist an folgende Fälle:
- Dienstaltersgeschenk
- Verfall bei vorzeitiger Kündigung
- Abgangsentschädigung / Entlassungsabfindung
- Verlust oder Reduktion
- Gratifikation
- Nichterhalt einer Gratifikation, v.a. wenn diese regelmässig unter Freiwilligkeitsvorbehalt bezahlt wurde
- Bonusverlust
- Bonusverfall oder Bonusverlust bei Kündigung
- Mitarbeiterbeteiligungsprogramm
- Kündigung vor Programmablauf (zB bei Phantom Stocks / Stock Appreciation Rights), Beteiligungsverlust (Vestingklausel?), Nachteile (Repricing; pro rata-Anspruch?), Verlust von Finanzierungshilfen, ev. steuerliche Nachteile etc.
- 1e-Vorsorgeplan
- Nachteile bei der vorzeitigen Auflösung infolge Wechsels zu einem andern Arbeitgeber
Realisation latenter Pflichten
Viele Arbeitgeber bezahlen gute Löhne, wollen aber ihre Assets (Kunden, Geschäftsgeheimnisse usw.) sichern, v.a. auch für den Fall, dass ein (Kader-)Mitarbeiter oder Geheimnisträger zur Konkurrenz wechselt.
Diese Arbeitgeber sind auf den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse bedacht und haben in der Regel vom Arbeitnehmer bereits bei der ehemaligen Unterzeichnung des Arbeitsvertrags ein Konkurrenzverbot unterzeichnen lassen. Mit diesem Konkurrenzverbot wird dem Arbeitnehmer untersagt, während einer bestimmten Zeit nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses in einem ähnlichen Unternehmen zu arbeiten.
Nicht nur der Arbeitnehmer sollte bei Jobwechsel-Gedanken an seine nachvertraglichen Pflichten denken. Auch Recruiter und ggf. der künftige Arbeitgeber müssen über solche Konkurrenzverbote informiert sein, da bei einer Verletzung empfindliche finanzielle Konsequenzen entstehen.
- Konkurrenzverbot
- Arbeitsverbot bei neuem Arbeitgeber (Realexekution) oder Haftung aus Konkurrenzverbot (Schadenersatz)
- Treue- und Verschwiegenheitspflicht
- Nachvertragliche Pflichten im Grenzbereich von Stellenerfahrungen, Kundenverbindungen und strafbewehrter Wahrung der Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers
- Rückzahlungspflicht von Weiterbildungskosten
- Verpflichtung des Arbeitnehmers, unter bestimmten Voraussetzungen (zB Arbeitnehmerkündigung) dem Arbeitgeber die Weiterbildungskosten ganz oder teilweise ersetzen zu müssen
- Weitere individuelle Pflichten
- gemäss Arbeitsvertrag.
Einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses?
Die meisten Arbeitnehmer gehen bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von einer klassischen Kündigung aus:
- Die klassische Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist je nach Situation nicht immer die rationalste Variante.
- Eine „einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ kann für beide Arbeitsvertragsparteien sinnvoll und zweckmässig sein.
- Dies gilt insbesondere für die Trennung von Kadermitarbeitern.
- Das Instrument für die „einvernehmliche Beendigung des Arbeitsvertrags“ bildet die sog. «Aufhebungsvereinbarung».
Aufhebungsvereinbarung?
Eine «Aufhebungsvereinbarung» kann eine klare und rechtssichere Grundlage für die Auseinandersetzung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber bilden.
Zum Vertragsinhalt einer «Aufhebungsvereinbarung» sei verwiesen auf den Content von LAWINFO:
AUFHEBUNGSVEREINBARUNG
Klären Sie bei Aufnahme der Verhandlungen ab, dass Angebote unpräjudiziell bzw. ohne Rechtspflicht erfolgen und in einem ev. späteren Gerichtsverfahren nicht verwendet werden dürfen.
- Form:
- Aufhebungsverträge sollten schriftlich geschlossen werden (Schriftform nicht nur als Beweis-, sondern als Gültigkeitsform, damit aus späteren Gesprächen keine mündlichen oder konkludenten Änderungen oder Ergänzungen geltend gemacht werden können).
- Beendigungszeitpunkt:
- Bei der Terminbestimmung sind die Parteien nicht an Kündigungsfristen gebunden
- Kompensationsabrede für Ueberstunden und Ueberzeit
- Koordination von Freistellung, Stellensuche und Ferienbezug
- Angabe des genauen Datums
- Eine allf. Arbeitsunfähigkeit verändert den Beendigungszeitpunkt nicht
- Geldforderungen:
- Bestimmung offener Lohnforderungen
- ev. Boni (Anspruch für das laufende Jahr oder nicht?)
- allf. Ansprüche aus Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen
- vertraglich begründete Abfindungssumme
- arbeitgeberseitige einmalige, freiwillige und ohne jede Rechtspflicht zu bezahlende Sonderzahlung
- fortdauernde Pflichten des Arbeitnehmers:
- Treuepflicht: besteht bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter
- Verschwiegenheitspflicht: ist über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus zu beachten (vgl. OR 321a)
- Konkurrenzverbot: wird es aufgehoben oder besteht es fort?
- Saldoklausel:
- Wirkung nach erfolgtem Vollzug des Vereinbarten
- per Saldo aller Ansprüche
- bloss aus dem Arbeitsverhältnis
- ev. Vorbehalte
- Rückgabepflichten bezügl. Arbeitgeber-Eigentum:
- Büroschlüssel/SecurID/Personalausweis/-chipkarte
- Kreditkarte
- Handy
- Geschäftsfahrzeug
- Aufklärung des Mitarbeiters über die Konsequenzen der Vertragsauflösung in versicherungstechnischer Hinsicht
- Arbeitszeugnis oder Arbeitsbestätigung
Ob das Individualisierungsmittel der «Aufhebungsvereinbarung» vor (und direkt) oder erst nach der Arbeitsvertragskündigung einsetzbar ist, muss im konkreten Einzelfall ausgelotet werden. Eine verbleibende Arbeitnehmersympathie und ein geschicktes Vorgehen können die Türen für ein gutes Auseinandergehen im Einvernehmen öffnen, namentlich unter Zuhilfenahme einer «Aufhebungsvereinbarung».
Überblick:
Instrumente zur Individualisierung der Auseinandersetzung der Arbeitsvertragsparteien
- Vertragsänderung
- Aufhebungsvereinbarung
Fazit
Ein Jobwechsel erfordert eine Helikopterview über die bisherigen und künftigen Job-Chancen und -Risiken sowie die Aufgabe von Anwartschaften und die Realisation nachvertraglicher Verpflichtungen, inkl. Beurteilung der aktuellen und ggf. zukünftigen Work-Life-Balance.
Weiterführende Informationen
- Personalabwerbung
- Arbeitnehmer-Kündigung
- Konkurrenzverbot
- Freistellung
- Änderung von Arbeitsverträgen
- Aufhebungsvereinbarung
Quelle
LawMedia Redaktionsteam