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Anwaltsakten-Herausgabe: In der Regel innert 10 Tage-Frist

Datum:
03.10.2023
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Anwälte / Mediatoren
Thema:
Berufspflichten des Rechtsanwalts
Stichworte:
Aktenherausgabe, Berufspflichten, Disziplinarverfahren, Herausgabepflicht
Erlass:
BGFA 12 lit. a + BGFA 17 Abs. 1 lit. a
Entscheid:
AA 22 153 vom 09.02.2023
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

BGFA 12 lit. a + BGFA 17 Abs. 1 lit. a  – Verwarnung in Disziplinarverfahren

Sachverhalt

«A.________ (nachfolgend Anzeigerin) erstattete am 22. Juli 2022 bei der Anwaltsaufsichtsbehörde des Kantons Bern Anzeige gegen C.________ (nachfolgend Disziplinarbeklagte). Zur Begründung brachte die Anzeigerin vor, dass sie mit Schreiben vom 24. Juni 2022 das Mandat bei der Disziplinarbeklagten widerrufen und die Herausgabe ihres Dossiers verlangt habe. Die Disziplinarbeklagte habe jedoch trotz der Aufforderungen der Anzeigerin bzw. ihres Vertreters, Rechtsanwalt B.________, vom 24. Juni und 1. Juli 2022 die Akten bis zur Anzeige nicht herausgegeben. …»

Herausgabepflichtige Akten

Die Anwältin (Disziplinarbeklagte) hat auf Verlangen der (ehemaligen) Kundin (Anzeigeerstatterin) herauszugeben:

  • die Originalakten;
  • alle Schriftstücke, welche die Disziplinarbeklagte von Dritten erhalten hat;
  • alle Dokumente, welche an die Anzeigeerstatterin gelangt wären, hätte diese den Fall selbst geführt.

Nicht herausgabepflichtige Akten

Nicht herauszugeben hatte Anwältin die Handakten:

  • Briefe des Klienten an die Anwältin:
  • Kopien der von der Anwältin verfassten Eingaben und Rechtsschriften;
  • persönliche Notizen der Anwältin.

Der Klientin ist aber Einblick in die Handakten zu gewähren,

  • wenn dies zur Wahrung der Interessen der Klienten erforderlich ist.

Andere Beschaffungsmöglichkeiten kein Exkulpationsgrund

Der Herausgabeanspruch besteht unbesehen der Frage,

  • ob sich der neue Rechtsvertreter hätte beschaffen können:
    • die Akten bei seiner Klientin oder
    • bei Dritten.

Herausgabefrist

Die effektive Aktenzustellung mehr als einen Monat nach dem Herausgabebegehren erfolgte verspätet.

Die Herausgabe hätte innert einer angemessenen Frist zu erfolgen sollen,

  • wobei eine Frist von in der Regel 10 Tagen ausreichen dürfte (…).

Kein Rückbehaltungsrecht

Die Anwältin darf die Herausgabe der Akten nicht von der Bezahlung der eigenen Rechnung abhängig machen,

  • da sie an den Klientenakten kein Retentionsrecht besitzt und
  • weil ihr kein anderes Zurückbehaltungsrecht zusteht,
    • was selbst dann gelten würde,
      • wenn die Anwältin mit dieser Klientschaft explizit ein Zurückbehaltungsrecht vereinbart hätte.

Fazit

Es handelte sich um einen leichten Verstoss: Die Unterlagen wurden herausgegeben, jedoch verspätet.

Das Verschulden war bei dieser Ausgangslage als leicht zu qualifizieren.

Eine Verwarnung als mildeste Sanktion im Sinne eines mahnenden Winks, mit welchem die Disziplinarbeklagte veranlasst werden soll, sich inskünftig untadelig zu verhalten und Verfehlungen, wie sie im vorliegenden Verfahren zur Diskussion stehen, zu unterlassen, erscheint daher angemessen.

Entscheid

Die Anwaltsaufsichtsbehörde hat entschieden:

  1. Die Disziplinarbeklagte wird wegen Verletzung von Art. 12 lit. a BGFAin Anwendung von Art. 17 Abs. 1 lit. a BGFAverwarnt.
  2. Die Kosten des Verfahrens in Höhe von CHF 1’500.00 werden der Disziplinarbeklagten zur Zahlung auferlegt.
  3. Zu eröffnen:
    • der Disziplinarbeklagten
  4. Der Anzeigerin wird die Art der Erledigung des Verfahrens mit separatem Schreiben mitgeteilt (Art. 32 Abs. 2 KAG).

Obergericht des Kantons Bern
Anwaltsaufsichtskommission
Entscheid AA 22 153
vom 09.02.2023

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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