OR 261; ZPO 83
Der Erwerber eines Mietobjekts tritt mit allen Rechten und Pflichten in ein bestehendes Mietverhältnis und in den hängigen Mietprozess ein, sofern sich der Vermieterwechsel auf das Vertragsverhältnis auswirken kann.
Sachverhalt + Erwägungen
In einem Verfahren des Mieters gegen die Baurechtsberechtigte betreffend Mietzinshinterlegung, Mängelbeseitigung und Mietzinsreduktion war im angefochtenen Zwischenentscheid strittig, ob es zu einem Parteiwechsel gekommen war.
Der Parteiwechsel ist in ZPO 83 geregelt:
- Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, kann der Erwerber an die Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten (vgl. ZPO 83 Abs. 1).
- Ohne Veräusserung des Streitobjektes ist ein Parteiwechsel nur mit Zustimmung der Gegenpartei zulässig; vorbehalten bleiben besondere gesetzliche Bestimmungen über die Rechtsnachfolge (vgl. ZPO 83 Abs. 4).
Umstritten war, wie in diesem Zusammenhang die Bestimmung von OR 261 Abs. 1 einzuordnen ist:
- Gemäss OR 261 Abs. 1 geht das Mietverhältnis mit dem Eigentum an der Sache auf den Erwerber über, wenn der Vermieter die Sache nach Abschluss des Mietvertrags veräussert oder sie ihm in einem Schuldbetreibungs- oder Konkursverfahren entzogen wird.
Rund 15 Monate nach Eintritt der Rechtshängigkeit war die Beklagte 2 infolge Zwangsvollstreckung neue Eigentümerin des Baurechtsgrundstücks Grundbuch […] Nr. […] geworden:
- OR 261 Abs. 1 zufolge war das Mietverhältnis von Gesetzes wegen auf die Erwerberin übergegangen.
- Gestützt auf ZPO 83 Abs. 4 war die Beklagte 2 – anders als die Klägerin meinte – somit als neue Beklagte in das bereits laufende Schlichtungsverfahren eingetreten.
Da auf der Beklagtenseite von Gesetzes wegen ein Parteiwechsel resp. Parteibeitritt erfolgte, hätte die Schlichtungsbehörde aufgrund des bekannten Vorgangs von sich aus die Parteibezeichnungen gegenüber dem Schlichtungsgesuch anpassen sollen.
Der Amtsgerichtspräsident ging daher zu Recht davon aus, dass die eingereichte Klagebewilligung offensichtlich unrichtig bzw. unvollständig war. Ob es wirklich angezeigt war, die Klagebewilligung zur Verbesserung zurückzuweisen, konnte, da dies von keiner Partei beanstandet wurde, offen bleiben.
Die Rügen der Berufungsklägerin waren grossmehrheitlich unbegründet.
Entscheid des Obergerichts Solothurn
- Abweisung der Berufung der , unter Kosten- und Entschädigungsfolgen
Obergericht des Kantons Solothurn
Zivilkammer
vom 20.09.2022
ZKBER.2021.93
J. Wechsel des Eigentümers
I. Veräusserung der Sache
Art. 261 OR
1 Veräussert der Vermieter die Sache nach Abschluss des Mietvertrags oder wird sie ihm in einem Schuldbetreibungs- oder Konkursverfahren entzogen, so geht das Mietverhältnis mit dem Eigentum an der Sache auf den Erwerber über.
2 Der neue Eigentümer kann jedoch:
- bei Wohn- und Geschäftsräumen das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen, wenn er einen dringenden Eigenbedarf für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte geltend macht;
- bei einer anderen Sache das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen, wenn der Vertrag keine frühere Auflösung ermöglicht.
3 Kündigt der neue Eigentümer früher, als es der Vertrag mit dem bisherigen Vermieter gestattet hätte, so haftet dieser dem Mieter für allen daraus entstehenden Schaden.
4 Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über die Enteignung.
6. Kapitel: Parteiwechsel
Art. 83 ZPO
1 Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin oder der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten.
2 Die eintretende Partei haftet für die gesamten Prozesskosten. Für die bis zum Parteiwechsel aufgelaufenen Prozesskosten haftet die ausscheidende Partei solidarisch mit.
3 In begründeten Fällen hat die eintretende Partei auf Verlangen der Gegenpartei für die Vollstreckung des Entscheides Sicherheit zu leisten.
4 Ohne Veräusserung des Streitobjekts ist ein Parteiwechsel nur mit Zustimmung der Gegenpartei zulässig; besondere gesetzliche Bestimmungen über die Rechtsnachfolge bleiben vorbehalten.
Weiterführende Informationen
- Parteiwechsel im Mietrecht
- Parteiwechsel im Zivilprozessrecht
Quelle
LawMedia Redaktionsteam