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Obligationenrecht / Kaufvertrag

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Vorzeitige Erfüllung: Diskontanspruch?

Datum:
14.12.2023
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Kaufvertrag
Thema:
Vorzeitige Erfüllung
Stichworte:
Diskont, Diskontanspruch, Obligationenrecht, Vorzeitige Erfüllung
Erlass:
OR 81
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

OR 81

Einleitung

Das Gesetz (OR 81 Abs. 1) stellt die Vermutung auf, dass der Schuldner seine Leistung bereits vor Fälligkeitseintritt erbringen darf.

Laut OR 81 Abs. 2 darf der Schuldner aber bei vorzeitiger Erfüllung – von Ausnahmen abgesehen – keinen Diskont in Abzug bringen.

Definition

Der Diskont (auch Zwischenzins) ist der Zins, welcher auf den gezahlten Betrag vom Zeitpunkt der vorzeitigen Erfüllung bis zur Fälligkeit entfällt (vgl. BGer 4A_409/2011; BK-Weber, N 18; BSK OR I-Leu, N 2; ZK-Schraner, N 18 zu Art. 81 OR).

Grundlage

Die sog. «vorzeitige Erfüllung» ist geregelt in:

  • OR 81

Abgrenzungen

Vom Diskont sind abzugrenzen:

  • Skonto
    • = Prozentualer Abzug vom Vergütungsbetrag bei rascher Zahlung, wobei hier die Bezugnahme nicht auf Zahlungen vor Fälligkeit, sondern auf Zahlungen bereits fälliger Leistungen erfolgt.
    • (Grundlage: Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner)
  • Rabatt
    • Preisnachlass (Grundlage: Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner).

Vorfälligkeitsleistung

Vorfälligkeitsleistung grundsätzlich zulässig

Der Gesetzgeber hat in OR 81 Abs. 1 die Vermutung aufgestellt, dass der Schuldner seine Leistung vor Fälligkeitseintritt erbringen darf.

Ausnahmen von der Zulässigkeit der Vorfälligkeitsleistung

Die Vermutung von OR 81 Abs. 1 kann ausgeschlossen sein durch

  • Gesetz (zB OR 84 Abs. 2, Fremdwährungsschulden);
  • Vertrag (zB Kauf auf AbrufFixgeschäft (Leistung des Schuldners ist auf einen bestimmten Termin geschuldet);
  • die Natur des Rechtsgeschäfts (zB verzinsliches Darlehen);
  • die massgebenden Umstände (zB mangelnde Lagerungsmöglichkeiten beim Gläubiger).

Annahmeverweigerung einer vorzeitigen Leistung

Ist die vorzeitige Erfüllung zulässig und nimmt der Gläubiger die Leistung nicht an, so gerät er in Annahmeverzug.

Ein Ausnahmefall bildet der Hinterlegungsvertrag:

  • Verlangt der Gläubiger (Hinterleger) die Leistung vor Ablauf der vereinbarten Hinterlegungsfrist darf der Schuldner (Aufbewahrer) seine Rückgabepflicht nicht vorzeitig erfüllen.

Diskont

Grundsatz: Kein Diskont bei vorzeitiger Erfüllung

Der vorzeitig erfüllende Schuldner darf gemäss OR 81 Abs. 2 grundsätzlich keinen Diskont abziehen.

Ausnahme: Diskont-Abzugszulässigkeit

Die Zulässigkeit des Diskont-Abzugs kann sich ergeben aus

  • Gesetz;
  • Vertrag;
  • Übung.

Vgl. BK-Weber, N 19 zu Art. 81 OR; BSK OR I-Leu, N 4 zu Art. 81 OR.

Bei unverzinslichen Forderungen:

  • Der Abzug eines Diskonts ist zulässig.

Bei verzinslichen Forderungen:

  • Die Zinspflicht endet mit der vorzeitigen Erfüllung, d.h. mit der Kapitalrückzahlung, es sei denn, es sei etwas anderes vereinbart.

Höhe des Diskonts

Ohne andere Abrede beträgt die Höhe des Diskonts in Analogie zur Bestimmung von OR 73:

  • 5 % p.a.

Vgl. BK-Weber, N 25 zu Art. 81 OR; BSK-OR I-Leu, N 4 zu Art. 81 OR; ZK-Schraner, N 29 zu Art. 81 OR.

Berechnung des Diskonts

Die Lehrmeinungen zur Berechnung des Diskont-Berechnung sind unterschiedlich:

  • Carpzowsche Methode
    • Lehre
      • Eine Minderheit betrachtet für die Berechnung kleiner Beträge mit kurzfristiger Diskontdauer die Anwendung Carpzowsche Methode als gangbaren Weg.
    • Bei kleineren Beträgen und kürzeren Fristen (wenige Tage, Wochen oder Monate)
      • werden vom Nennbetrag der Forderung die Zinsen (von 5 % p.a.) für die Zeit vom Zahlungszeitpunkt bis zum Fälligkeitszeitpunkt abgezogen; diese Methode wird bei Skonti angewandt.
        • Vgl. hiezu
          • ZK-Schraner, N 34 zu Art. 81 OR
  • Hoffmannsche Methode
    • Lehre
      • Die einheitliche Lehre befürwortet die Anwendung der Hoffmannschen Methode zur Berechnung des Diskonts
        • Vgl. hiezu
          • BK-Weber, N 27 zu Art. 81 OR
          • BSK OR I-Leu, N 4 zu Art. 81 OR
    • Bei grösseren Beträgen und längeren Fristen
      • ist die Anwendung der Hoffmannschen Methode unerlässlich, ansonsten der Betrag der Schuld zu stark herabgesetzt würde.
    • Berechnung des Gegenwartswertes der Forderung
      • Der Gegenwartswert der Forderung ergibt sich aus:
        • der Division des hundertfachen Nennwerts der Forderung getilgt durch Hundert addiert um die Summe der Jahre und multipliziert mit dem Zinssatz, der grundsätzlich 5 % p.a. beträgt (OR 73)
      • Zur Berechnung des Gegenwartswertes der Forderung kann folgende Berechnungsformel angewandt werden:
Gegenwartswert der Forderung = 100 × Nennwert der Forderung
100 + Zahl der Jahre × Zins (i.d.R. 5 % p.a.)
  • GROSS BALZ, KUKO OR, Basel 2014, N 6 zu Art. 81 OR

Beweislast für die Zulässigkeit des Diskont-Abzugs

Bei vorzeitiger Erfüllung wird nicht vermutet, dass ein Diskont abgezogen werden kann.

Es ist Sache des Schuldners zu beweisen, dass er zum Abzug eines Diskonts berechtigt ist.

Fazit

Sofern und soweit keine sog. «Verkehrssitte» besteht, ist es Sache derjenigen Partei, die mutmasslich vorfällig leisten will, sein Vorleistungsrecht und v.a. seine Diskont-Berechtigung vertraglich zu stipulieren.

Literatur

  • BK-Weber, N 1 ff. zu Art. 81 OR
  • BSK-OR I-Leu, N 1 ff. zu Art. 81 OR
  • ZK-Schraner, N 1 ff. zu Art. 81 OR
  • GROSS BALZ, KUKO OR, Basel 2014, N 3 ff. zu Art. 81 OR
  • SCHROETER ULRICH G., BSK OR I, Basel 2020, Art. 81 OR
  • STADLIN MARKUS W., Der Liegenschaftsverkauf mit vorzeitiger Auflösung der Festhypothek: Überlegungen zur Rechtsnatur der Vorfälligkeitsentschädigung und zu den steuerlichen Folgen, BJM 2017, 1 ff.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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