Bildquelle: © Parlamentsdienste 3003 Bern / Franca Pedrazzetti
20.034 GESCHÄFT DES BUNDESRATES Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht. Änderung
Internationales Erbrecht der Schweiz an die Rechtsentwicklung im Ausland anpassen
Einleitung
Die Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (Erbrecht) führte zu mehreren Differenzbereinigungsverhandlungen im Parlament.
Nun wurde kurz vor Weihnachten 2023 der Durchbruch erzielt und die revidierten Bestimmungen des Erbrechts im IPRG beschlossen.
Nachfolgend wird der Werdegang des Revisionsvorhabens wiedergegeben, die Ergebnisse der Schlussabstimmungen von NR + SR dargestellt und ein Blick in die Zukunft unternommen (Referendumsfrist + mögliches Inkrafttreten).
Agenda
- Einleitung
- Revision des internationalen Erbrechts
- Revisions-Ziele
- Chronologie
- Bundesrat
- Verhandlungen im Parlament
- Schlussabstimmung Nationalrat vom 22.12.2023
- Schlussabstimmung Ständerat vom 22.12.2023
- Schlussabstimmungstext vom 22.12.2023
- Referendumsfrist
- Mutmasslicher Inkraftsetzungszeitpunkt
- Weiterführende Informationen
Revision des internationalen Erbrechts
Der Bereich des internationalen Erbrechts ist gekennzeichnet durch:
- regelmässige Kompetenzkonflikte mit anderen Staaten;
- sich widersprechende Entscheidungen.
Die EU hat daher einheitliche Regeln dazu festgelegt, und zwar in der
- Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO).
Die EuErbVO bestimmt,
- welcher Staat in einem grenzüberschreitenden Erbfall zuständig ist und
- welches Erbrecht anzuwenden ist.
Die Verordnung regelt ausserdem:
- die Anerkennung von ausländischen Rechtsakten;
- alle Erbfälle, die sich in den EU-Mitgliedstaaten seit dem 17.08.2015 ereignet haben,
- mit Ausnahme
- Dänemark
- Irland
- Vereinigtes Königreich.
- mit Ausnahme
Die mit der EuErbVO geschaffene Rechtsvereinheitlichung ermöglicht es der Schweiz nun,
- ihre Regeln über das internationale Erbrecht besser auf die Rechtslage in Europa abzustimmen.
Mit einer Anpassung an die Regeln der EU-Staaten können
- erhöht werden:
- die Rechts- und Planungssicherheit der Bürger;
- minimiert werden:
- das Potenzial von Kompetenzkonflikten;
- sich widersprechende Entscheidungen.
Revisions-Ziele
Die Revision des internationalen Erbrechts bezweckt:
- Die Modernisierung der Regeln zum internationalen Erbrecht;
- die Anpassung an die Rechtsentwicklung im Ausland;
- die Verminderung des Risikos von Zuständigkeitskonflikten mit ausländischen Behörden, namentlich im Verhältnis zur EU.
Chronologie
Quelle: Parlaments-Dokumentation
Bundesrat
Für den Start des Gesetzgebungsvorhabens waren die wesentlichsten Dokumente:
Verhandlungen im Parlament
SDA Meldung
DEBATTE IM NATIONALRAT, 15.06.2021
Nationalrat heisst Annäherung des Erbrechts an EU-Recht gut
Der Nationalrat ist einverstanden damit, die Regeln für grenzüberschreitende Erbfälle dem EU-Recht anzunähern. Ziel ist es, dass in einem grenzüberschreitenden Erbfall nicht mehrere Behörden und Staaten tätig werden.
Die EU habe ihr Erbrecht in diesem Punkt angepasst, damit es nicht länger zu Zuständigkeitsproblemen komme, sagte Kommissionssprecher Philipp Matthias Bregy (Mitte/VS). Es gehe jetzt darum, dass sich die Schweiz dieser Regelung angleiche, sagte Bregy.
Die Bevölkerung werde immer mobiler, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter. Ein grosser Teil habe mehrere Staatsbürgschaften oder verbringe einen Abschnitt des Lebens im Ausland. Es könne sein, dass bei einem Todesfall neben der Schweiz auch andere Staaten die Zuständigkeit im Erbfall für sich beanspruchen. Beispielsweise, wenn eine Frau nach ihrer Pensionierung in der Provence wohnt, dort verstirbt und in der Schweiz und der Provence Vermögen hat.
Der Bundesrat will daher das internationale Privatrecht der Schweiz dem EU-Recht angleichen, um das Risiko von Kompetenzkonflikten zwischen verschiedenen Staaten und sich widersprechenden Entscheidungen zu minimieren. Der Nationalrat zeigte sich mit 137 zu 51 Stimmen einverstanden damit.
SVP sieht keinen Handlungsbedarf
Einzig die SVP-Fraktion stellte sich gegen die Anpassung. Es gebe keinen Handlungsbedarf, sagte SVP-Nationalrat Pirmin Schwander (SZ), denn materielle Widersprüche könnten damit keine gelöst werden. Zudem seien Kompetenzkonflikte im Erbrecht normal. Das sei auch in der Schweiz der Fall, wenn ein Verstorbener in verschiedenen Kantonen einen Nachlass hinterlasse. Da wolle auch jeder Kanton, dass der Nachlass im Kanton bleibe.
Es sei nicht nötig, mit dieser Vorlage einfach die EU-Erbrechts-Regelungen zu übernehmen. Die SVP-Fraktion wollte nicht auf die Vorlage eintreten, kam aber mit 128 zu 50 Stimmen nicht durch.
SDA-Meldung
DEBATTE IM STÄNDERAT, 15.12.2022
Parlament heisst Annäherung des Erbrechts an EU-Recht gut
Das Parlament ist einverstanden damit, die Regeln für grenzüberschreitende Erbfälle dem EU-Recht anzunähern. Ziel ist es, dass in einem grenzüberschreitenden Erbfall nicht mehrere Behörden und Staaten tätig werden.
Nach dem Nationalrat hat am Donnerstag auch der Ständerat den Änderungen im Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht zugestimmt. Um Kompetenzkonflikte zwischen den Behörden der involvierten Staaten und sich widersprechende Entscheidungen möglichst zu vermeiden, wird das schweizerische internationale Erbrecht in verschiedenen Punkten besser auf die Europäische Erbrechtsverordnung abgestimmt.
Die Bevölkerung werde immer mobiler, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter. Ein grosser Teil habe mehrere Staatsbürgschaften oder verbringe einen Abschnitt des Lebens im Ausland. Es könne sein, dass bei einem Todesfall neben der Schweiz auch andere Staaten die Zuständigkeit im Erbfall für sich beanspruchen.
Kommissionssprecher Thomas Hefti (FDP/GL) erwähnte ein fiktives Beispiel eines Mannes, der nach seiner Pensionierung in Galizien wohnt, dort verstirbt und in der Schweiz und in Spanien Vermögen hat. In solchen Fällen müsse klarer geregelt werden, welche Behörde für was zuständig ist.
Auch wenn im Kern Einigkeit zwischen den Räten besteht, geht die Vorlage noch einmal an den Nationalrat. Der Ständerat hat verschiedene kleinere Anpassungen an der Vorlage vorgenommen.
Beispielsweise beschloss er, dass Schweizerinnen und Schweizer mit mehreren Staatsangehörigkeiten bei einer Rechtswahl systematisch das schweizerische Recht wählen müssen. National- und Bundesrat wollen an der aktuellen Praxis festhalten, wonach eine Person mit zwei Staatsangehörigkeiten das anwendbare Recht wählen kann.
DEBATTE IM NATIONALRAT, 16.03.2023
Abweichung
DEBATTE IM STÄNDERAT, 12.09.2023
Abweichung
DEBATTE IM NATIONALRAT, 06.12.2023
Abweichung
SDA-Meldung
DEBATTE IM STÄNDERAT, 12.12.2023
Schweiz regelt grenzüberschreitende Erbfälle neu
Die Schweiz erhält neue gesetzliche Regeln für grenzüberschreitende Erbfälle und nähert die entsprechenden Bestimmungen dem EU-Recht an. Der Ständerat hat am Dienstag bei der Revision des Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht die letzte Differenz zum Nationalrat ausgeräumt.
Ziel der Reform ist es, dass in grenzüberschreitenden Erbfällen nicht mehrere Behörden oder Staaten tätig werden. Dabei geht es unter anderem um Fälle, in denen jemand nach der Pensionierung ins Ausland zieht, dort stirbt und sowohl in der Schweiz als auch am letzten Wohnort Vermögen hinterlässt.
Die Bevölkerung werde immer mobiler, begründete der Bundesrat in früheren Beratungen des Geschäfts die Revision. Ein grosser Teil habe mehrere Staatsbürgschaften oder verbringe einen Lebensabschnitt im Ausland.
Umstritten war bei der Vorlage unter anderem der Umgang mit Fällen, in denen jemand per Testament oder Erbvertrag wählt, welches Recht zur Anwendung kommen soll. Der Ständerat wollte ursprünglich, das Schweizerinnen und Schweizer mit mehreren Staatsangehörigkeiten systematisch das Schweizer Recht wählen müssen. National- und Bundesrat wollten die Rechtswahl nicht einschränken.
Zuletzt hatte der Nationalrat in der Sache einen Kompromissvorschlag gemacht: Demnach wird im Gesetz festgehalten, dass Schweizerinnen und Schweizer mit mehreren Staatsangehörigkeiten, die sich für ausländisches Recht entscheiden, die Pflichtteile gemäss Schweizer Recht nicht antasten dürfen.
Der Ständerat erklärte sich am Dienstag mit dieser Lösung oppositionslos einverstanden.
Quelle: Parlaments-Dokumentation
Schlussabstimmung Nationalrat vom 22.12.2023
Schlussabstimmung Ständerat vom 22.12.2023
Schlussabstimmungstext vom 22.12.2023
Vorlage der Redaktionskommission für die Schlussabstimmung Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) Änderung vom 22. Dezember 2023
Quelle: Vorlage der Redaktionskommission für die Schlussabstimmung | parlament.ch
Referendumsfrist
Die Referendumsfrist läuft bis 18.04.2024.
Mutmasslicher Inkraftsetzungszeitpunkt
Wird kein Referendum ergriffen, dürfte mit einer Inkraftsetzung per 01.01.2025 zu rechnen sein.
Weiterführende Informationen
- Informationen zur Revision des internationalen Erbrechts der Schweiz
- Informationen bisheriges Recht
Quelle
LawMedia Redaktionsteam