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Vertragsrecht / Autorecht

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Occasionsfahrzeugkauf: Trotz Hagelschaden unfallfrei

Datum:
21.03.2024
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Autorecht, Vertrag / Vertragsrecht
Thema:
Occasionsfahrzeugkauf und Hagelschaden
Stichworte:
Autokauf, Fahrzeugkauf, Gebrauchtwagen, Hagelschaden, Occassionsfahrzeug
Erlass:
OR 23 f.; OR 28
Entscheid:
BGer 4D_37/2023 vom 25.09.2023
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

OR 23 f.; OR 28

Ein Occasionsfahrzeug darf trotz eines Hagelschadens als «unfallfrei» bezeichnet werden. 

Ferner:

  • Keine absichtliche Täuschung des Autokäufers;
  • Kein Grundlagenirrtum des Autokäufers.

Sachverhalt

«A.

A.________ (Käufer, Beschwerdeführer) erwarb am 12. Oktober 2012 für Fr. 24’000.– einen Personenwagen von B.________ (Verkäufer, Beschwerdegegner). In der Folge entstand Streit im Zusammenhang mit einem Hagelschaden.» (Bundesgerichtsurteil)

Prozess-History

  • Einzelgericht
    • «Der Käufer verlangte mit Klage vom 7. Januar 2020, der Verkäufer sei zu verpflichten, ihm Fr. 21’637.– nebst Zins zu 5 % auf Fr. 24’000.– seit 12. Oktober 2012 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Personenwagens.
    • Der Einzelrichter am Bezirksgericht March wies die Klage am 23. Februar 2022 ab.»
  • Kantonsgericht Schwyz
    • Der Kläger gelangte dagegen mit Berufung ans Kantonsgericht Schwyz.
    • Das Kantonsgericht Schwyz wies am 30. Mai 2023 ab, soweit es darauf eintrat.
  • Bundesgericht
    • Der Beschwerdeführer beantragte – streitwertbedingt – mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde, das kantonsgerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Klage sei gutzuheissen.
    • Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
    • Das Gesuch des Beschwerdeführers um (superprovisorische) Erteilung der aufschiebenden Wirkung wurde am 6. Juli 2023 abgelehnt.

Erwägungen des Bundesgerichts

Die Zusammenfassung der wesentlichen Erwägungen des Bundesgerichts:

  • Absichtliche Täuschung?
    • Voraussetzungen
      • Verleitete ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung die andere Vertragspartei zum Vertragsabschluss, so ist der Vertrag für ihn gemäss OR 28 Abs. 1 selbst dann unverbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war.
    • Täuschendes Verhalten
      • Das täuschende Verhalten kann bestehen
        • in der Vorspiegelung falscher Tatsachen oder
        • im Verschweigen von Tatsachen.
      • Kumulative Anrufung
        • Der Getäuschte kann sich bei einem wesentlichen Irrtum kumulativ auf den Irrtum im Sinne von OR 24 berufen (siehe Box unten).
  • Grundlagenirrtum
    • Irrtum bei Vertragsabschluss
      • Gemäss OR 23 ist der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat.
    • Wesentlicher Irrtum
      • Ein wesentlicher Irrtum nach OR 24 besteht dann, wenn sich der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt bezog, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrags betrachtet wurde.
    • Voraussetzungen
      • Subjektive Wesentlichkeit
      • Der dem Irrtum zugrunde liegende Sachverhalt muss auch objektiv betrachtet eine notwendige Grundlage des Vertrags sein, und zwar
        • vom Standpunkt her oder
        • nach den Anforderungen des Geschäftsverkehrs.
  • Im konkreten Fall
    • Absichtliche Täuschung?
      • Täuschung
        • Eine absichtliche Täuschung war in concreto zu verneinen:
          • Der Verkäufer
            • nahm an, der erste Hagelschadensei fachmännisch repariert worden;
            • konnte mangels Fachkenntnisse die Mangelhaftigkeit der Reparatur nicht erkennen;
            • hat den Käufer nicht absichtlich getäuscht, indem er das Fahrzeug als «unfallfrei» bezeichnete.
          • Unfall
            • Ein «Unfall» setzt gemäss einer Lehrmeinung folgendes voraus:
              • Dem Fahrzeug muss in der Kausalkette eine gewisse minimale Bedeutung oder Mitursache zukommen.
            • Bei einem Hagelschadenist dies laut BGer nicht der Fall.
    • Grundlagenirrtum?
      • Ein Grundlagenirrtum lag aus folgenden Gründen nicht vor:
        • Der Käufer hat beim Kauf aus der vom Verkäufer zugesicherten Mängelfreiheit nicht geschlossen,
          • dass kein reparierter Hagelschadenvorliege;
        • Für den Käufer wurde erst mit der Mitteilung irrtum-wesentlich,
          • dass der erste Hagelschadennicht fachmännisch repariert wurde und
          • dass deshalb die Reparatur des zweiten Hagelschadens unbefriedigend ausfallen werde.
        • Für den Verkäufer war daher subjektiv nicht erkennbar,
          • dass die Absenz eines reparierten Hagelschadens für den Käufer eine wesentliche Vertragsgrundlage bildete.
        • Der behauptete Irrtum konnte nicht als objektiv wesentlich bezeichnet werden,
          • weil die Absenz eines Hagelschadens für eine durchschnittlich denkende Drittperson nur dann eine notwendige Vertragsgrundlage bilden würde,
            • wenn er nicht repariert wäre oder
            • wenn der Wert des Fahrzeugs trotz Reparatur erheblich gemindert worden wäre.
          • Insgesamt lag maximal ein unbeachtlicher «Motivirrtum» vor (vgl. OR 24 Abs. 2, siehe Box).
    • Prozessuales
      • Der Beschwerdeführer rügte zu Unrecht
        • eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung;
        • eine willkürliche Beweiswürdigung.
      • Gemäss BGer lag keine willkürliche Anwendung von Bundesrecht durch die Vorinstanz vor.
      • Der Beschwerdeführer brachte über weite Strecken lediglich eine sog. «appellatorische Kritik» am angefochtenen Urteil vor.
      • Im Rahmen der Willkürprüfung bestätigte das Bundesgericht die Ansicht des Kantonsgerichts Schwyz, wonach weder ein Grundlagenirrtum, noch eine absichtliche Täuschung vorlag.

Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde war abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden konnte.

Erkenntnis des Bundesgerichts

  • Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
  • Die Gerichtskosten von Fr. 2’000.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
  • Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

BGer 4D_37/2023 vom 25.09.2023

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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