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Vertragsrecht

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Automatische Vertragsverlängerung in AGB-Klauseln

Datum:
06.05.2024
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
AGB – Allgemeine Geschäftsbedingungen, Vertrag / Vertragsrecht
Thema:
Automatische Vertragsverlängerung
Stichworte:
AGB, AGB-Klauseln, automatischen Vertragsverlängerung, Lauterkeitsverletzung, Prolongationsklausel, Vertragsverlängerung, Vertragsverlängerungsklausel
Autor:
RA Urs Bürgi
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

von

Urs Bürgi
Rechtsanwalt und Inhaber des zürch. Notar-, Grundbuch- und Konkursverwalter-Patentes

Einleitung

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sind aus dem täglichen Privat- und Geschäftsleben kaum mehr wegzudenken. Sie schaffen in bestimmten Branchen wie im Bankgeschäft, in der Versicherungswirtschaft, in der Telekom-Branche, im Transport- und Speditions-Bereich, im Bauwesen und in weiteren Sektoren eine Art «selbstgeschaffenes Wirtschaftsrecht» (vgl. GROSSMANN-DOERTH, Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft und staatliches Recht, Freiburg im Breisgau, 1933).

AGB-Klauseln dienen der Rationalisierung, der Risikoüberwälzung, der Transaktionskostensenkung und der Vertragsabschluss- und Vertragsverlängerungs-Technik.

Definition der AGB

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sind die von einer Partei (AGB-Verwender oder Anbieter) vorformulierte und beim Vertragsschluss mit dem Partner (Kunde, Konsument) nicht ausgehandelte Vertragsbedingungen.

Vertragsverlängerungsklauseln (Prolongationsklauseln)

AGB von Dauerschuldverträgen enthalten oft Klauseln, wonach die zu Beginn verein­barte Mindestvertragsdauer automatisch um eine weitere feste Dauer verlängert wird (= Verlängerungsperiode), wenn der Kunde nicht — unter Einhaltung einer bestimmten Kündigungsfrist — auf das Ende der Mindestdauer (schriftlich) kündigt.

Anwendungsfälle automatischer Vertragsverlängerung

Solche Vertragsverlängerungsklauseln sind vor allem in Abonnementsverträgen vorgesehen, für:

  • Benutzung von Internet- und Telefonservices
  • Fitnesskurse
  • Tanzkurse
  • Weiterbildungskurse
  • öffentli­che Transport- und Verkehrsmittel
  • Ähnliche Dienstleistungen, die auf Dauer angelegt sind.

Ziel der automatischen Vertragsverlängerung

Dies dürfte weniger auf organisatorisch-technischen Überlegun­gen beruhen als auf dem Bemühen des AGB-Verwenders, den Konsumenten möglichst lange vertraglich an sich zu binden und nicht an die Konkurrenz zu verlieren.

Grundsätzliche Gültigkeit

Klauseln mit automatischer Verlängerung sind

  • nicht atypisch;
  • nicht ungewöhnlich (Beispiel Fitnessstudio; vgl. BGE 140 III 404 ff.);
  • nicht unzulässig (kein Verstoss gegen zwingendes (Obligationen-)Recht; vgl. BGE 140 III 404 ff.).

Entsprechend können sie nach schweizerischem Obligationenrecht – im Rahmen einer globalen AGB-Übernahme – vereinbart werden.

Handicap der Kündigungs-Schriftform

Oft wird in den AGB eine schriftliche Kündigung (mittels eingeschriebenen Briefes) vor Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer gefordert:

  • Wegen dieses Formerfordernisses läuft der Kunde als AGB-Übernehmer Gefahr,
    • wegen verpasster Kündigung für eine weitere (fixe) Vertragsdauer und die sich daraus resultierenden Zahlungsver­pflichtungen gebunden zu sein.

Konkludente Weiterführung des befristeten Vertrags

Wird nach Ablauf der fixen Vertragsdauer das Vertragsverhältnis von den Parteien konkludent weitergeführt,

  • gilt der Vertrag als auf unbestimmte Dauer fortgesetzt.

Die stillschweigende Vertragsfortsetzung ist im Gesetz festgehalten für den

  • Mietvertrag (OR 266 Abs. 2)
  • Arbeitsvertrag (OR 334 Abs. 2).

Eine der Parteien kann in der Folge kündigen, nämlich:

  • ordentlich
    • unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungstermine und Kündigungsfristen;
  • ausserordentlich
    • aus wichtigem Grund.

«Lauterkeitsrechtliche» Missbräuchlichkeit?

Solche Verlängerungsklauseln in den AGB können sich aber je nach den konkreten Verhältnissen als missbräuchlich erweisen.

Unlauter bzw. „lauterkeitsrechtlich“ bedenklich handelt, wer AGB‘s verwendet, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil des Konsumenten (nur B2C) ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten begründen bzw. „vorsehen“ (vgl. UWG 8 (2011), siehe Box unten).

Die Tatbestandselemente sind:

  • AGB-Verwendung
  • Vorgesehenes Missverhältnis
  • „Feststellung“ des Missverhältnisses
  • „Erheblichkeit“ des Missverhältnisses
  • „Ungerechtfertigtheit“ des Missverhältnisses
  • „Kompensation“ nachteiliger AGB mit vorteilhaften Bestimmungen
  • „Treuwidrigkeit“
  • „Missverhältnis“ zum Nachteil des Konsumenten

Bei einem erheblichen, ungerechtfertigten Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten zwischen Anbieter und Konsument kann bei einer einseitig vorformulierten AGB-Klausel zur automatischen Vertragsverlängerung – ohne Möglichkeit zur Kompensation der nachteiligen mit vorteilhaften AGB-Bestimmungen – dazu führen, dass – infolge Teilnichtigkeit – auf eine Beendigung des Vertragsverhält­nisses durch Zeitablauf geschlossen werden kann.

Siehe ferner nachfolgend:

Rechtsfolge

  • Allgemein
    • Werden AGB als unlauter bzw. missbräuchlich qualifiziert, weil sie zulasten des Konsumenten ein treuwidriges, erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten enthalten, liegt seitens des AGB-Verwen­ders (Anbieters) ein widerrechtliches Verhalten im Sinne der Generalklausel von UWG 2 vor.
  • Zivilrechtliche Sanktion
    • Ausgangslage
      • Unlautere und damit nach UWG 2 widerrechtliche AGB gelten als unwirksam resp. nichtig im Sinne von OR 19 / OR 20.
    • Nichtigkeit
      • Die Nichtigkeit ist vom Richter – unbefristet – von Amtes wegen zu beachten
      • Die Nichtigkeit erfasst einzig die als unlauter qualifizierten AGB-Klauseln (Teilnichtigkeit) und stellt die Gültigkeit den verbleibenden AGB-Klausen und den Vertrag nicht in Frage.
    • Vertragsergänzung
      • An die Stelle der nichtigen AGB-Klausel treten nach den Grundsätzen der Vertragsergän­zung die Regeln
        • des dispositiven Gesetzesrechts resp.
        • der hypothetische Parteiwille bei Innominatkontrakten.
  • Strafrechtliche Sanktion?
    • Die Verwendung missbräuchlicher AGB zieht keine strafrechtlichen Sanktion nach sich, da die Norm von UWG 8 (2011) in UWG 23 nicht erwähnt ist.

Geltendmachung der Lauterkeitsverletzung

Ein Verstoss gegen die Lauterkeit würde im Rahmen der sog. „offenen Inhaltskontrolle“ nach UWG 8  (2011) festgestellt werden.

UWG 8 enthält eine relativ komplexe Tatbestands-Struktur. In der Praxis wird folgender Ablauf gewählt:

  • Konsenskontrolle
  • Auslegungskontrolle
  • Gültigkeitskontrolle
  • Offene Inhaltskontrolle

Ergibt sich aus den Kontrollen 1 – 3, dass die Vertragsparteien die betreffenden AGB gültig vereinbart haben, wird die offene Inhaltskontrolle in vier Stufen vorgenommen, und zwar in folgenden Kaskade-Schritten:

  • Stufe 1:
    • Herstellung einer Vergleichsbasis zur „Missverhältnis-Feststellung“.
  • Stufe 2:
    • Beurteilung, ob das festgestellte Missverhältnis „erheblich“ ist.
  • Stufe 3:
    • Vorliegen eines „erheblichen Missverhältnisses“ der Rechte + Pflichten
      • > Beurteilung, ob das durch die AGB bewirkte Missverhältnis als „treuwidrig“ zu qualifizieren ist
        • > Prüfung, ob der AGB-Übernehmer (Konsument) die AGB „ohne Inhaltsänderung“ oder „ohne Kompensationsgegenleistung“ des AGB-Verwenders (Anbieter) übernommen hätte.
  • Stufe 4:
    • Bei der Bejahung einer Treuwidrigkeit gilt das „treuwidrige erhebliche Missverhältnis“ als gleichzeitig „ungerechtfertigt“, wobei dem AGB-Verwender (Anbieter) der sog. „Gegenbeweis“ offensteht.
      • Das Missverhältnis ist durch Vorteile zu mildern oder zu mindern, bis die „Missbräuchlichkeit“ beseitigt ist.
    • Bei der Verneinung einer Treuwidrigkeit, da der AGB-Übernehmer (Konsument) die AGB-Klausel ohne Inhaltsänderung oder Kompensationsvorteile akzeptiert hätte,
      • entfällt die Prüfung des Tatbestandselements der „Ungerechtfertigkeit“ (andere Gründe vorbehalten).

Zur Beweislast:

  • Die Beweislast für das Vorliegen eines erheblichen Missverhältnisses obliegt dem AGB-Übernehmer (Konsument).
  • Die Beweislast für die Kompensation mittels konkreter Vorteile aus andern AGB-Bestimmungen trägt der AGB-Verwender (Anbieter).

Fazit

Die AGB-Klausel zur Beendigung des Vertrags bzw. zur automatischen Vertragsverlängerung sollte nicht ohne Tragweitenprüfung AGB-weise übernommen und im Fristenmanagementsystem erfasst werden, damit keine Kündigungsgelegenheit verpasst wird.

Auszug Gesetzesbestimmungen

s.e.&o. – Ohne Gewähr.

Foto: Tim Reckmann / ccnull.de

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