Sachverhalt
Ein Profi-Fussballer unterzeichnete 2011 mit einem Fussballclub in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) einen Spielervertrag für eine Laufzeit bis 2015.
2013 löste der Club den Vertrag vorzeitig auf. Der Fussballspieler zog danach in den Kanton Basel-Landschaft.
Der Internationale Sportschiedsgerichthof CAS entschied am 25.04.2017, dass der Club dem Fussballspieler eine Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis in Höhe von € 1 641 500 bezahlen müsse. Dem Fussballspieler wurde die Abfindung in der Folge bezahlt.
Mit der Steuerveranlagung für 2017 erhob die Steuerverwaltung des Kantons Basel-Land Einkommenssteuern auf der Abfindungssumme.
Prozess-History
- Kantonsgericht Basel-Landschaft
- Das Kantonsgericht Basel-Land (KG BL) hiess eine Beschwerde des Fussballers gut und entschied, dass die Abfindung in der streitbetroffenen Steuerperiode nicht besteuert werden könne, da sie ihm nicht erst im Jahr 2017, sondern bereits bei Entstehen der Abfindungsforderung zugekommen sei.
- Bundesgericht
- Die Kantonale Steuerverwaltung erhob dagegen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht (BGer).
Erwägungen des Bundesgerichts
Der Einkommenssteuer unterliegen alle einmaligen und wiederkehrenden Einkünfte, so DBG 16 Abs. 1 und StHG 7 Abs. 1:
- Besteuerungszeitpunkt
- Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung gelten Einkünfte als zugeflossen und steuerpflichtig,
- sobald die steuerpflichtige Person
- darüber tatsächlich verfügen kann und
- dadurch die Leistungsfähigkeit der steuerpflichtigen Person gesteigert wird.
- sobald die steuerpflichtige Person
- Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung gelten Einkünfte als zugeflossen und steuerpflichtig,
- Forderungsfälligkeit
- Forderungen werden in der Regel bei Fälligkeit steuerbar.
- Strittige Erfüllung
- Ist ungewiss,
- ob eine Forderung tatsächlich erfüllt wird,
- ist mit der Besteuerung bis zur Forderungstilgung zuzuwarten.
- ob eine Forderung tatsächlich erfüllt wird,
- Ist ungewiss,
- Zahlungsunwilligkeit
- Im konkreten Fall war der Fussballclub offensichtlich zahlungsunwillig.
- Blosse Zahlungsaussicht?
- Die blosse Aussicht darauf, die Zahlungen auf dem Rechtsweg erhältlich machen zu können,
- genügte nicht, um die Erfüllung als sicher erscheinen zu lassen.
- Die blosse Aussicht darauf, die Zahlungen auf dem Rechtsweg erhältlich machen zu können,
- DBA CH-VAE
- Zu prüfen blieb, ob das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und den VAE (DBA CH-AE; SR 0 672 932.51) die Besteuerung ausschliesst.
- Art. 17 DBA CH-AE (Art. 17 OECD-Musterabkommen [MA] nachgebildet) berechtigt denjenigen Staat, in welchem der Sportler auftritt, diesen zu besteuern, wobei die konkreten Verhältnisse massgeblich sind:
- Anwendung der Bestimmung nur, wenn ein enger Zusammenhang zwischen dem Einkommen und den öffentlichen Auftritten besteht;
- Fehlen einer Norm betreffend Entschädigung für ausgefallene Auftritte.
- Einordnung der strittigen Abfindung unter die Kategorie «Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen» (vgl. Art. 15 DBA CH-AE, Art. 15 OECD-MA nachgebildet), weshalb die Entschädigung im Tätigkeitsstaat steuerbar ist.
- DBA-Präzisierung
- Rund 3 Jahre nach Unterzeichnung des DBA CH-AE präzisierte die OECD den Text ihres Musterkommentars [OECD-MK] so, dass Abfindungen und Abgangsentschädigungen von Art. 15 OECD-MA erfasst werden.
- Auslegung
- Es stellte sich daher die Frage, wie sich neuere Fassungen des OECD-MK auf die Auslegung eines DBA auswirken.
- Auslegungsregeln
- Statische Auslegung der völkerrechtlichen Verträge;
- Massgeblichkeit der gewöhnlichen Bedeutung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. Art. 31 Abs. 1 VRK);
- Dynamische Auslegung nur, wenn in völkerrechtlichen Verträgen, die für eine sehr lange oder unbestimmte Dauer eingegangen werden, offene Begriffe verwendet werden;
- Eine Änderung des OECD-MK kann jedenfalls nicht als neuere Übung gelten, aus welcher die Übereinstimmung der Vertragsparteien über die Auslegung hervorgehen würde (vgl. Art. 31 Abs. 3 lit. b VRK),
- auch aus folgenden Gründen nicht:
- Die VAE sind nicht Mitgliedsstaaten der OECD;
- Zweifelhaftigkeit, ob der OECD-MK die Anforderungen von Art. 31 Abs. 3 lit. b VRK erfüllen.
- auch aus folgenden Gründen nicht:
- Zurückhaltende dynamische Auslegung angesichts dieser Bedenken.
- Auslegungsergebnis
- Die Erweiterungs-Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt.
- Ohne Berücksichtigung des OECD-MK sprechen die besseren Argumente dafür, Art. 15 DBA CH-AE so auszulegen,
- dass ein Zusammenhang zwischen der Einkunft und der effektiven Arbeitsausübung im Tätigkeitsstaat vorausgesetzt wird.
- Art. 17 DBA CH-AE (Art. 17 OECD-Musterabkommen [MA] nachgebildet) berechtigt denjenigen Staat, in welchem der Sportler auftritt, diesen zu besteuern, wobei die konkreten Verhältnisse massgeblich sind:
- Zu prüfen blieb, ob das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und den VAE (DBA CH-AE; SR 0 672 932.51) die Besteuerung ausschliesst.
- Keine Einschränkung des Besteuerungsrechts der Schweiz
- Durch das DBA CH-AE wird das Besteuerungsrecht der Schweiz nicht eingeschränkt.
Damit blieb dem BGer nur die Gutheissung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.
Entscheid des Bundesgerichts
- Die Verfahren 9C_682/2022 und 9C_683/2022 werden vereinigt.
- Die Beschwerde der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft betreffend die direkte Bundessteuer wird gutgeheissen. Das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 15. September 2021 wird aufgehoben und das Urteil des Steuer- und Enteignungsgerichts, Abteilung Steuergericht, des Kantons Basel-Landschaft vom 26. Juni 2020 wird bestätigt.
- Die Beschwerde der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft betreffend die Staats- und Gemeindesteuern wird gutgeheissen. Das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 15. September 2021 wird aufgehoben und das Urteil des Steuer- und Enteignungsgerichts, Abteilung Steuergericht, des Kantons Basel-Landschaft vom 26. Juni 2020 wird bestätigt.
- Die Gerichtskosten von Fr. 11’000.- werden zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung den Beschwerdegegnern auferlegt.
- Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Kantonsgericht Basel-Landschaft zurückgewiesen.
- Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
BGer 9C_682/2022 / 9C_683/2022 vom 23.06.2023 = BGE 149 II 400 ff.
Weiterführende Informationen
- Arbeitsrecht + Auflösung Arbeitsverhältnis
- DBA
- Steuerverfahren / Veranlagungsverfahren
Quelle
LawMedia Redaktionsteam