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Besteuerung von Privatpersonen / DBG / DBA

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Besteuerungszeitpunkt nicht fälliger Forderungen + Besteuerung der Abfindung aus Auflösung Profifussballer-Arbeitsverhältnis

DBG 16; DBA 15; DBA 17; DAB 21; VRK 31 - Praxispräzisierung

Datum:
25.06.2024
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Besteuerung Privatpersonen
Thema:
Einkommenssteuern / Zeitpunkt des Einkommenszuflusses + Arbeitsrechtliche Abgangsentschädigung
Stichworte:
Arbeitsverhältnis, Besteuerung von Abfindung, Besteuerungszeitpunkt, fällige Forderungen, Profifussballer
Erlass:
DBG 16; DBA 15; DBA 17; DAB 21; VRK 31
Entscheid:
BGer 9C_682/2022 / 9C_683/2022 vom 23.06.2023 = BGE 149 II 400 ff.
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Sachverhalt

Ein Profi-Fussballer unterzeichnete 2011 mit einem Fussballclub in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) einen Spielervertrag für eine Laufzeit bis 2015.

2013 löste der Club den Vertrag vorzeitig auf. Der Fussballspieler zog danach in den Kanton Basel-Landschaft.

Der Internationale Sportschiedsgerichthof CAS entschied am 25.04.2017, dass der Club dem Fussballspieler eine Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis in Höhe von € 1 641 500 bezahlen müsse. Dem Fussballspieler wurde die Abfindung in der Folge bezahlt.

Mit der Steuerveranlagung für 2017 erhob die Steuerverwaltung des Kantons Basel-Land Einkommenssteuern auf der Abfindungssumme.

Prozess-History

  • Kantonsgericht Basel-Landschaft
    • Das Kantonsgericht Basel-Land (KG BL) hiess eine Beschwerde des Fussballers gut und entschied, dass die Abfindung in der streitbetroffenen Steuerperiode nicht besteuert werden könne, da sie ihm nicht erst im Jahr 2017, sondern bereits bei Entstehen der Abfindungsforderung zugekommen sei.
  • Bundesgericht
    • Die Kantonale Steuerverwaltung erhob dagegen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht (BGer).

Erwägungen des Bundesgerichts

Der Einkommenssteuer unterliegen alle einmaligen und wiederkehrenden Einkünfte, so DBG 16 Abs. 1 und StHG 7 Abs. 1:

  • Besteuerungszeitpunkt
    • Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung gelten Einkünfte als zugeflossen und steuerpflichtig,
      • sobald die steuerpflichtige Person
        • darüber tatsächlich verfügen kann und
        • dadurch die Leistungsfähigkeit der steuerpflichtigen Person gesteigert wird.
  • Forderungsfälligkeit
    • Forderungen werden in der Regel bei Fälligkeit steuerbar.
  • Strittige Erfüllung
    • Ist ungewiss,
      • ob eine Forderung tatsächlich erfüllt wird,
        • ist mit der Besteuerung bis zur Forderungstilgung zuzuwarten.
  • Zahlungsunwilligkeit
    • Im konkreten Fall war der Fussballclub offensichtlich zahlungsunwillig.
  • Blosse Zahlungsaussicht?
    • Die blosse Aussicht darauf, die Zahlungen auf dem Rechtsweg erhältlich machen zu können,
      • genügte nicht, um die Erfüllung als sicher erscheinen zu lassen.
  • DBA CH-VAE
    • Zu prüfen blieb, ob das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und den VAE (DBA CH-AE; SR 0 672 932.51) die Besteuerung ausschliesst.
      • Art. 17 DBA CH-AE (Art. 17 OECD-Musterabkommen [MA] nachgebildet) berechtigt denjenigen Staat, in welchem der Sportler auftritt, diesen zu besteuern, wobei die konkreten Verhältnisse massgeblich sind:
        • Anwendung der Bestimmung nur, wenn ein enger Zusammenhang zwischen dem Einkommen und den öffentlichen Auftritten besteht;
        • Fehlen einer Norm betreffend Entschädigung für ausgefallene Auftritte.
        • Einordnung der strittigen Abfindung unter die Kategorie «Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen» (vgl. Art. 15 DBA CH-AE, Art. 15 OECD-MA nachgebildet), weshalb die Entschädigung im Tätigkeitsstaat steuerbar ist.
      • DBA-Präzisierung
        • Rund 3 Jahre nach Unterzeichnung des DBA CH-AE präzisierte die OECD den Text ihres Musterkommentars [OECD-MK] so, dass Abfindungen und Abgangsentschädigungen von Art. 15 OECD-MA erfasst werden.
      • Auslegung
        • Es stellte sich daher die Frage, wie sich neuere Fassungen des OECD-MK auf die Auslegung eines DBA auswirken.
        • Auslegungsregeln
          • Statische Auslegung der völkerrechtlichen Verträge;
          • Massgeblichkeit der gewöhnlichen Bedeutung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. Art. 31 Abs. 1 VRK);
          • Dynamische Auslegung nur, wenn in völkerrechtlichen Verträgen, die für eine sehr lange oder unbestimmte Dauer eingegangen werden, offene Begriffe verwendet werden;
          • Eine Änderung des OECD-MK kann jedenfalls nicht als neuere Übung gelten, aus welcher die Übereinstimmung der Vertragsparteien über die Auslegung hervorgehen würde (vgl. Art. 31 Abs. 3 lit. b VRK),
            • auch aus folgenden Gründen nicht:
              • Die VAE sind nicht Mitgliedsstaaten der OECD;
              • Zweifelhaftigkeit, ob der OECD-MK die Anforderungen von Art. 31 Abs. 3 lit. b VRK erfüllen.
          • Zurückhaltende dynamische Auslegung angesichts dieser Bedenken.
      • Auslegungsergebnis
        • Die Erweiterungs-Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt.
        • Ohne Berücksichtigung des OECD-MK sprechen die besseren Argumente dafür, Art. 15 DBA CH-AE so auszulegen,
          • dass ein Zusammenhang zwischen der Einkunft und der effektiven Arbeitsausübung im Tätigkeitsstaat vorausgesetzt wird.
  • Keine Einschränkung des Besteuerungsrechts der Schweiz
    • Durch das DBA CH-AE wird das Besteuerungsrecht der Schweiz nicht eingeschränkt.

Damit blieb dem BGer nur die Gutheissung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.

BGer 9C_682/2022 / 9C_683/2022 vom 23.06.2023   =   BGE 149 II 400 ff.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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