Sachverhalt
Der Beschwerdeführer A.________ fuhr am 21.02.2021 um 18:00 Uhr in der Rue de V.________ mit dem Motorrad mit der Nummer VD xx xxx mit hoher Geschwindigkeit und niedriger Geschwindigkeit auf dem Hinterrad, ohne einen Führerschein zu besitzen.
Um das Verhalten von A.________ zu ahnden, wurde ihm im angefochtenen Urteil eine Busse von CHF 400 auferlegt, welche sich wie folgt zusammensetzte:
- CHF 280 aus einfachen Verstössen gegen die Strassenverkehrsordnung (zB Fahren auf dem Hinterrad, bei hoher Geschwindigkeit und bei niedriger Geschwindigkeit),
- CHF 20 für das Führen eines Fahrzeugs ohne Führerschein und
- CHF 100 wegen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung, Ruhe, Sicherheit und Erholung unter Verletzung der allgemeinen Polizeivorschriften der Gemeinde U.________.
Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht (BGer) erwog zusammengefasst folgendes:
- Grundlagen + Kompetenzen
- In SVG 106 Abs. 3 ist als lex specialis zu StGB 335 Abs. 1 vorgesehen,
- dass die Kantone für den Erlass ergänzender Vorschriften über den Strassenverkehr zuständig bleiben,
- ausser bezüglich Motorfahrzeuge und Fahrräder, Strassenbahnen und Strasseneisenbahnen,
- da diese durch das Bundesrecht abschliessend geregelt sind.
- ausser bezüglich Motorfahrzeuge und Fahrräder, Strassenbahnen und Strasseneisenbahnen,
- dass die Kantone für den Erlass ergänzender Vorschriften über den Strassenverkehr zuständig bleiben,
- In SVG 106 Abs. 3 ist als lex specialis zu StGB 335 Abs. 1 vorgesehen,
- Strassenverkehrsrechtliche Vorgabe zur Immissionsverhinderung
- SVG 42 Abs. 1 bestimmt insbesondere,
- dass der Fahrzeugführer mit seinem Fahrzeug die anderen Verkehrsteilnehmer und die Anwohner nicht durch vermeidbaren Lärm belästigen darf.
- SVG 42 Abs. 1 bestimmt insbesondere,
- Kompetenzkonflikt Strassenverkehrsrecht vs. Polizeireglement?
- Eine Verletzung von SVG 42 wird gemäss SVG 90 Abs. 1 mit einer Busse geahndet.
- Art. 59 Abs. 1, letzter Satz, des allgemeinen Polizeireglements der Gemeinde U.________ verfolgt das gleiche Sanktionierungsziel.
- Vorrang des Bundesrechts vor lokalem Polizeirecht
- Die Anwendung von Art. 59 Abs. 1, letzter Satz, des Polizeireglements der Gemeinde U.________ verletzte SVG 106 Abs. 3 und den Vorrang des Bundesrechts.
Entscheid
- Teilweise Gutheissung der Beschwerde und Reduktion der Busse auf Fr. 100.–;
- Teilweise Kostenauferlegung;
- Zusprechung einer reduzierten Parteientschädigung.
BGer 6B_1143/2023 vom 21.03.2024
Art. 335 StGB Gesetze der Kantone
1 Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.
2 Die Kantone sind befugt, die Widerhandlungen gegen das kantonale Verwaltungs- und Prozessrecht mit Sanktionen zu bedrohen.
Ausführung des Gesetzes
Art. 106 SVG
1 Der Bundesrat erlässt die zum Vollzug dieses Gesetzes notwendigen Vorschriften und bezeichnet die zur Durchführung zuständigen eidgenössischen Behörden. Er kann das ASTRA zur Regelung von Einzelheiten ermächtigen.
2 Im Übrigen führen die Kantone dieses Gesetz durch. Sie treffen die dafür notwendigen Massnahmen und bezeichnen die zuständigen kantonalen Behörden.
2bis Der Bundesrat kann das ASTRA ermächtigen, in besonderen Einzelfällen Ausnahmen von Verordnungsbestimmungen zu bewilligen.274
3 Die Kantone bleiben zuständig zum Erlass ergänzender Vorschriften über den Strassenverkehr, ausgenommen für Motorfahrzeuge und Fahrräder sowie für Eisenbahnfahrzeuge.
4 Der Bundesrat kann Fragen der Durchführung dieses Gesetzes durch Sachverständige oder Fachkommissionen begutachten lassen. …
5 Beim Auftreten neuer technischer Erscheinungen auf dem Gebiete des Strassenverkehrs sowie zur Durchführung zwischenstaatlicher Vereinbarungen kann der Bundesrat die vorläufigen Massnahmen treffen, die sich bis zur gesetzlichen Regelung als notwendig erweisen.
6 Für die Personen, die im Genuss der diplomatischen Vorrechte und Befreiungen stehen, kann der Bundesrat die Zuständigkeit der Behörden abweichend regeln und die weiteren Ausnahmen von diesem Gesetz vorsehen, die sich aus den völkerrechtlichen Gepflogenheiten ergeben.
7 …
8 Der Bundesrat kann Fahrten ausländischer Fahrzeuge verbieten, kontingentieren, der Bewilligungspflicht unterstellen oder andern Beschränkungen unterwerfen, wenn ein ausländischer Staat gegenüber schweizerischen Fahrzeugen und deren Führern solche Massnahmen anordnet oder strengere Verkehrsvorschriften anwendet als für die eigenen Fahrzeuge und deren Führer.
9 …
10 Der Bundesrat kann die Ausführung bestimmter Arbeiten an Fahrzeugen einer Bewilligungspflicht unterstellen, soweit die Verkehrssicherheit oder der Umweltschutz dies erfordern. Er legt die Bewilligungsvoraussetzungen fest und regelt die Aufsicht.
Vermeiden von Belästigungen
Art. 42 SVG
1 Der Fahrzeugführer hat jede vermeidbare Belästigung von Strassenbenützern und Anwohnern, namentlich durch Lärm, Staub, Rauch und Geruch, zu unterlassen und das Erschrecken von Tieren möglichst zu vermeiden.
2 Der Betrieb von Lautsprechern an Motorfahrzeugen ist untersagt, ausgenommen für Mitteilungen an Mitfahrende. Die nach kantonalem Recht zuständige Behörde kann in Einzelfällen Ausnahmen gestatten.
Verletzung der Verkehrsregeln
Art. 90 SVG
1 Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt.
2 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt.
3 Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu vier Jahren wird bestraft, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, waghalsiges Überholen oder Teilnahme an einem nicht bewilligten Rennen mit Motorfahrzeugen.
3bis Die Mindeststrafe von einem Jahr kann bei Widerhandlungen gemäss Absatz 3 unterschritten werden, wenn ein Strafmilderungsgrund nach Artikel 48 StGB235 vorliegt, insbesondere wenn der Täter aus achtenswerten Beweggründen gehandelt hat.236
3ter Der Täter kann bei Widerhandlungen gemäss Absatz 3 mit Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren oder Geldstrafe bestraft werden, wenn er nicht innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Tat wegen eines Verbrechens oder Vergehens im Strassenverkehr mit ernstlicher Gefahr für die Sicherheit anderer, respektive mit Verletzung oder Tötung anderer verurteilt wurde.237
4 Eine besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegt vor, wenn diese überschritten wird um:
- mindestens 40 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 30 km/h beträgt;
- mindestens 50 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 50 km/h beträgt;
- mindestens 60 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 80 km/h beträgt;
- mindestens 80 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit mehr als 80 km/h beträgt.
5 Artikel 237 Ziffer 2 des Strafgesetzbuches239 findet in diesen Fällen keine Anwendung.
Weiterführende Informationen
Quelle
LawMedia Redaktionsteam