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Vertragsrecht

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Einseitige Änderungsrechte in AGB-Klauseln

Datum:
25.07.2024
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Vertrag / Vertragsrecht, AGB – Allgemeine Geschäftsbedingungen
Thema:
Einseitige Änderungsrechte
Stichworte:
AGB, AGB-Klauseln, Automatikklauseln, Einseitige Änderungsrechte
Autor:
RA Urs Bürgi
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

von

Urs Bürgi
Rechtsanwalt und Inhaber des zürch. Notar-, Grundbuch- und Konkursverwalter-Patentes

Einleitung

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) haben – vor allem bei Massengeschäften – eine grosse Bedeutung und begründen eine Art «selbstgeschaffenes Wirtschaftsrecht».

Definition der AGB

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) beinhalten die von einer Partei (AGB-Verwender oder Anbieter) redigierten und bei der Vertragsabrede mit dem Partner (Kunde, Konsument) in der Regel nicht behandelten bzw. nicht individualisierten Vertragskonditionen.

Abgrenzungen

Bei den Änderungsrechten sind unterschiedliche Formulierungen und Rechtsverhältnisse anzutreffen:

  • Automatikklauseln
    • Arten von Automatikklauseln
      • Den Automatikklauseln ist eigen, dass sie die vertraglichen Änderungsvoraussetzungen und deren Folgen abschliessend regeln
        • zB mathematische Formel;
        • zB Index-Regeln;
        • zB Währungsumrechnungen;
        • etc.
    • Rechtsnatur
      • Eine solche Vertragsänderung hängt nicht von der Willenserklärung einer Partei ab.
      • Automatikklauseln mit präzisem und parteiunabhängigem Massstab stellen eine äusserst transparente Form und damit unproblematische Vertragsmodifikation dar.
  • Neuverhandlungsklauseln
    • Definition
      • Neuverhandlungsklauseln beinhalten vertragliche Bestimmungen, wonach die Parteien den Vertrag nach Eintritt bestimmter Bedingungen neu verhandeln sollen.
  • Gesetzliche Änderungsregeln
    • Abgrenzung
      • Vertragliche Änderungsklauseln, welche auf Basis übereinstimmender Willenserklärungen zu Stande kommen, sind
        • einvernehmliche, parteiautonome Regeln;
        • keine gesetzlich verankerten Änderungsregeln.
    • Eigennormen
      • Parteiregeln sind gemäss der Lehre sog. Eigennormen der Parteien.
    • Fremdnormen
      • Gesetzliche Änderungsregeln sind sog. Fremdnormen, welche eine einseitige Vertragsänderung unter bestimmten Voraussetzungen erlauben, wie
        • zB Mietrecht (OR 269d);
        • zB Pauschalreiserecht (PauRG 7 und 8) über Vorschriften.
  • Clausula rebus sic stantibus
    • Definition
      • Nach der clausula rebus sic stantibus kann eine Vertragsanpassung verlangt wer­den, wenn einer Partei die unveränderte Vertragserfüllung aufgrund unvorhersehbarer Umstände nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann.
    • Korrekturwirkung
      • Die clausula rebus sic stantibus erfasst somit Situationen, in welcher sich eine Vertragsanpassung aufgrund einer erheblichen Äquivalenzstörung aufdrängt.
    • Vgl. hiezu auch

Die einseitigen Änderungsrechte

Die AGB von Dauerschuldverträgen – wie hievor erwähnt – Klauseln enthalten, die veränderte Verhältnisse berücksichtigen, sei dies bei der Gegenleistung (v.a. Kaufpreis und dessen Bedingungen) oder sonstigen Kondition bzw. Vertragsbedingungen.

Vgl. hiezu nachgenannten Anwendungsfälle.

Anwendungsfälle einseitiger Änderungsrechte

Es lassen sich hier zwei Gruppierungen feststellen:

  • Weitgehend unproblematische Änderungsverhältnisse
    • Vereinbarung einer Preis- oder Leistungsanpassung anhand genau definierter Referenzwerte wie
      • Landesindex der Konsumentenpreise
      • Rohstoff- oder Energiepreise
      • Wechselkurse
      • Leitzinssatz der Nationalbank
      • Etc.
  • Problematische Änderungsverhältnisse
    • Ein Konsens notwendig machende Änderungsverhältnisse
      • voraussetzungslose Änderungsmöglichkeiten
      • im Ausmass beliebige Änderungsrechte des AGB-Verwenders.

Ziel der einseitigen Änderungsklauseln

Klauseln für eine einseitige AGB-Änderung sind für den AGB-Verwender praktisch.

Er kann auf veränderte Verhältnisse einfacher reagieren und die einheitlichen Vertragsstrukturen beibehalten; er braucht die Änderungen nicht individuell auszuhandeln.

Grundsätzliche Gültigkeit

Zunächst ist zu prüfen, ob ein Konsens über die einseitige Änderungsrechtsklausel besteht.

Fehlt eine Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts ist die Gültigkeit der unbestimmten und deshalb beliebigen Änderungsrechte fraglich (vgl. BGer 4A_299/2008 E. 2.5).

Unsittlich im Sinne von ZGB 27 Abs. 2 wären

  • eine übermässige Bindung
    • d.h. die Bindung durch die Unterwerfung
    • unter das willkürliche Änderungsrecht der anderen Vertragspartei;
  • eine trotz gültigem einseitigem Änderungsrecht ungewöhnliche Bestimmung,
    • d.h. wenn diese kein Ausstiegsrecht für die Vertragspartei vorsieht,
    • die die einseitigen Änderungen nicht mittragen will;
    • vgl. BGer 4A_299/2008 E. 2.6 – 3.5.

Dem AGB-Verwender ist folgendes zu empfehlen:

  • Beschränkung des einseitigen Änderungsrechts auf effektiv änderungsbedürftige Punkte;
  • Genaue Definition
    • des Änderungsausmasses;
    • des Referenzwertes.

«Lauterkeitsrechtliche» Missbräuchlichkeit?

Solche Verlängerungsklauseln in den AGB können sich aber je nach den konkreten Verhältnissen als missbräuchlich erweisen.

Unlauter bzw. „lauterkeitsrechtlich“ bedenklich handelt, wer AGB‘s verwendet, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil des Konsumenten (nur B2C) ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten begründen bzw. „vorsehen“ (vgl. UWG 8 (2011), siehe Box unten).

Die Tatbestandselemente sind:

  • AGB-Verwendung
  • Vorgesehenes Missverhältnis
  • „Feststellung“ des Missverhältnisses
  • „Erheblichkeit“ des Missverhältnisses
  • „Ungerechtfertigtheit“ des Missverhältnisses
  • „Kompensation“ nachteiliger AGB mit vorteilhaften Bestimmungen
  • „Treuwidrigkeit“
  • „Missverhältnis“ zum Nachteil des Konsumenten

Bei einem erheblichen, ungerechtfertigten Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten zwischen Anbieter und Konsument kann bei einer einseitig vorformulierten AGB-Klausel zur automatischen Vertragsverlängerung – ohne Möglichkeit zur Kompensation der nachteiligen mit vorteilhaften AGB-Bestimmungen – dazu führen, dass – infolge Teilnichtigkeit – auf eine Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Zeitablauf geschlossen werden kann.

Siehe ferner nachfolgend:

Quelle: Automatische Vertragsverlängerung in AGB-Klauseln

Rechtsfolge

  • Allgemein
    • Werden AGB als unlauter bzw. missbräuchlich qualifiziert, weil sie zulasten des Konsumenten ein treuwidriges, erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten enthalten, liegt seitens des AGB-Verwenders (Anbieters) ein widerrechtliches Verhalten im Sinne der Generalklausel von UWG 2 vor.
  • Zivilrechtliche Sanktion
    • Ausgangslage
      • Unlautere und damit nach UWG 2 widerrechtliche AGB gelten als unwirksam resp. nichtig im Sinne von OR 19 / OR 20.
    • Nichtigkeit
      • Die Nichtigkeit ist vom Richter – unbefristet – von Amtes wegen zu beachten
      • Die Nichtigkeit erfasst einzig die als unlauter qualifizierten AGB-Klauseln (Teilnichtigkeit) und stellt die Gültigkeit den verbleibenden AGB-Klausen und den Vertrag nicht in Frage.
    • Vertragsergänzung
      • An die Stelle der nichtigen AGB-Klausel treten nach den Grundsätzen der Vertragsergänzung die Regeln
        • des dispositiven Gesetzesrechts resp.
        • der hypothetische Parteiwille bei Innominatkontrakten.
  • Strafrechtliche Sanktion?
    • Die Verwendung missbräuchlicher AGB zieht keine strafrechtlichen Sanktion nach sich, da die Norm von UWG 8 (2011) in UWG 23 nicht erwähnt ist.

Quelle: Automatische Vertragsverlängerung in AGB-Klauseln

Geltendmachung der Lauterkeitsverletzung

Ein Verstoss gegen die Lauterkeit würde im Rahmen der sog. „offenen Inhaltskontrolle“ nach UWG 8  (2011) festgestellt werden.

UWG 8 enthält eine relativ komplexe Tatbestands-Struktur. In der Praxis wird folgender Ablauf gewählt:

  • Konsenskontrolle
  • Auslegungskontrolle
  • Gültigkeitskontrolle
  • Offene Inhaltskontrolle

Ergibt sich aus den Kontrollen 1 – 3, dass die Vertragsparteien die betreffenden AGB gültig vereinbart haben, wird die offene Inhaltskontrolle in vier Stufen vorgenommen, und zwar in folgenden Kaskade-Schritten:

  • Stufe 1:
    • Herstellung einer Vergleichsbasis zur „Missverhältnis-Feststellung“.
  • Stufe 2:
    • Beurteilung, ob das festgestellte Missverhältnis „erheblich“ ist.
  • Stufe 3:
    • Vorliegen eines „erheblichen Missverhältnisses“ der Rechte + Pflichten
      • > Beurteilung, ob das durch die AGB bewirkte Missverhältnis als „treuwidrig“ zu qualifizieren ist
        • > Prüfung, ob der AGB-Übernehmer (Konsument) die AGB „ohne Inhaltsänderung“ oder „ohne Kompensationsgegenleistung“ des AGB-Verwenders (Anbieter) übernommen hätte.
  • Stufe 4:
    • Bei der Bejahung einer Treuwidrigkeit gilt das „treuwidrige erhebliche Missverhältnis“ als gleichzeitig „ungerechtfertigt“, wobei dem AGB-Verwender (Anbieter) der sog. „Gegenbeweis“ offensteht.
      • Das Missverhältnis ist durch Vorteile zu mildern oder zu mindern, bis die „Missbräuchlichkeit“ beseitigt ist.
    • Bei der Verneinung einer Treuwidrigkeit, da der AGB-Übernehmer (Konsument) die AGB-Klausel ohne Inhaltsänderung oder Kompensationsvorteile akzeptiert hätte,
      • entfällt die Prüfung des Tatbestandselements der „Ungerechtfertigkeit“ (andere Gründe vorbehalten).

Zur Beweislast:

  • Die Beweislast für das Vorliegen eines erheblichen Missverhältnisses obliegt dem AGB-Übernehmer (Konsument).
  • Die Beweislast für die Kompensation mittels konkreter Vorteile aus andern AGB-Bestimmungen trägt der AGB-Verwender (Anbieter).

Quelle: Automatische Vertragsverlängerung in AGB-Klauseln

Fazit

Je unspezifischer das einseitige Änderungsrecht ist, desto grösser ist der Ermessensspielraum des AGB-Verwenders und desto grösser ist die Gefahr, dass

  • das Änderungsrecht zum Nachteil des Kunden gereicht.

Unbestimmte einseitige Änderungsklauseln in den AGB können dazu zu führen, dass die einseitige Änderung nicht mehr durch ursprünglichen Konsens gedeckt ist. In solchen Fällen soll Einhalt geboten werden können.

Auszug Gesetzesbestimmungen

s.e.&o. – Ohne Gewähr.

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