Will sich wegen Interventionen von privaten Akteuren im Wahlkampf jemand beschweren, kann er die Bekanntgabe des Wahlresultats abwarten:
- Die im konkreten Fall erhobene Beschwerde im Zusammenhang mit kritischen Medienberichten über einen Kandidaten für die Genfer Staatsratswahlen 2023 wurde vom Bundesgericht (BGer) abgewiesen.
Die Erwägungs-Details
«Im Frühjahr 2023 fanden im Kanton Genf die Wahlen für den Staatsrat (Regierung) statt. Vor dem zweiten Wahlgang erschien in einem Online-Medium ein kritischer Bericht über einen angeblichen früheren Vorfall im beruflichen Umfeld eines Kandidaten. Andere Me – dien nahmen die Geschichte auf. Der ursprüngliche Bericht wurde zudem von einem konkurrierenden Kandidaten vorübergehend auf X (damals noch Twitter) geteilt. Der vom Bericht betroffene Kandidat wurde im zweiten Wahlgang nicht gewählt. Nach Bekanntgabe des Wahlresultats gelangte eine Privatperson ans Kantonsgericht des Kantons Genf und beantragte die teilweise Aufhebung der Wahl, weil die freie Willensbildung der Wahlberechtigten durch den Medienwirbel verletzt worden sei. Das Kantonsgericht trat auf die Beschwerde wegen verspäteter Eingabe nicht ein; es hielt gleichzeitig fest, dass die Beschwerde in der Sache ohnehin abzuweisen gewesen wäre. Das Bundesgericht weist die dagegen erhobene Beschwerde ab; in Bezug auf die Fristwahrung stützt das Gericht allerdings die Auffassung des Beschwerdeführers. Vorliegend geht es nicht um behördliche Massnahmen im Vorfeld einer Wahl, sondern um Interventionen von privater Seite. Interventionen dieser Art stellen entgegen der Ansicht des Kantonsgerichts keine «Verletzung des Ablaufs von Wahlvorgängen» gemäss kantonalem Recht dar, für welche die sechstägige Beschwerdefrist bereits am Folgetag des Erscheinens des ersten Medienberichts zu laufen begonnen hätte. Wer mit Beschwerde geltend machen will, dass private Interventionen die Willensbildung der Wählenden in unzulässiger Weise beeinflusst haben, kann damit bis zur Veröffentlichung des Wahlresultats warten. Im Ergebnis ist das angefochtene Urteil jedoch nicht zu beanstanden. Gemäss Rechtsprechung können private Interventionen zwar eine Verletzung des freien Wählerwillens bedeuten. Eine Wahl aus diesem Grund aufzuheben, rechtfertigt sich aber nur ausnahmsweise und mit grosser Zurückhaltung. Eine solche Situation liegt hier nicht vor. Gegen einen offensichtlichen oder zumindest sehr wahrscheinlichen Einfluss der fraglichen Medienberichte auf den Ausgang der Wahl spricht unter anderem das Resultat des betroffenen Kandidaten im zweiten Wahlgang.»
Quelle: Medienmitteilung des Bundesgerichts vom 09.08.2024
Urteil vom 04.07.2024 (1C_266/2023)
Art. 34 BV Politische Rechte
1 Die politischen Rechte sind gewährleistet.
2 Die Garantie der politischen Rechte schützt die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe.
Quelle
LawMedia Redaktionsteam
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