Das Bundesgericht (BGer) musste sich erstmals zur neuen Regelung des Strafrahmens für Ersttäter bei Raserdelikten äussern:
- Es bestätigte die vom Tessiner Appellationsgericht ausgesprochene
- bloss bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen
- für einen Autolenker,
- welcher die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn
- um 88 km/h überschritten hat.
- welcher die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn
- für einen Autolenker,
- bloss bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen
Sachverhalt
Der Autolenker hatte 2020 auf der Autobahn die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 88 km/h überschritten.
Prozess-History
- 1. Instanz
- In erster Instanz wurde der Autolenker für sein Raserdelikt (Überschreitung von mindestens 80 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeitmehr als 80 km/h beträgt) aufgrund von SVG 90 im Januar 2023 verurteilt:
- zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten und
- zu einer Busse von CHF 500.
- In erster Instanz wurde der Autolenker für sein Raserdelikt (Überschreitung von mindestens 80 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeitmehr als 80 km/h beträgt) aufgrund von SVG 90 im Januar 2023 verurteilt:
- Neue Regelung von SVG 90 Abs. 3ter
- Ende Oktober 2023trat eine neue Regelung bezüglich des Strafmasses bei Raser-Delikten in Kraft (SVG 90 Abs. 3ter; siehe Box unten):
- Demnach kann gegen einen Ersttäter anstelle einer Freiheitsstrafe auch eine Geldstrafe verhängt werden;
- dies setzt allerdings voraus,
- dass der Täter nicht verurteilt wurde:
- innerhalb der letzten 10 Jahre vor der Tat
- wegen eines Verbrechens oder Vergehens im Strassenverkehr
- mit ernstlicher Gefahr für die Sicherheit anderer, respektive mit Verletzung oder Tötung anderer.
- dass der Täter nicht verurteilt wurde:
- dies setzt allerdings voraus,
- Demnach kann gegen einen Ersttäter anstelle einer Freiheitsstrafe auch eine Geldstrafe verhängt werden;
- Ende Oktober 2023trat eine neue Regelung bezüglich des Strafmasses bei Raser-Delikten in Kraft (SVG 90 Abs. 3ter; siehe Box unten):
- 2. Instanz (Appellationsgericht des Kantons Tessin)
- Weil dies im konkreten Fall zutraf, verhängte das Appellationsgericht des Kantons Tessin im November 2023
- eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen und
- eine Busse von CHF 1’000.
- Weil dies im konkreten Fall zutraf, verhängte das Appellationsgericht des Kantons Tessin im November 2023
- Beschwerde ans Bundesgericht
- Die zuständige Staatsanwaltschaft erhob gegen diesen Entscheid Beschwerde ans BGer.
Erwägungen des Bundesgerichts
Das BGer wies die Beschwerde aus folgenden Gründen ab:
- Ziel des Gesetzgebers
- Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich klar, dass der Gesetzgeber mit der neuen Bestimmung SVG 90 Abs. 3ter beabsichtigte, einen autonomen strafrechtlichen Rahmen für Ersttäter zu schaffen.
- Ermessensspielraum an den Richter
- Dem Richter soll ein Ermessensspielraum eingeräumt werden,
- indem er nicht mehr zwingend eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr aussprechen muss,
- wenn beim Täter keine früheren Verurteilungen wegen Verbrechen oder Vergehen im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr gegeben sind.
- indem er nicht mehr zwingend eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr aussprechen muss,
- Dem Richter soll ein Ermessensspielraum eingeräumt werden,
- Unzutreffende Ansicht der Staatsanwaltschaft
- Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft ist es für eine Anwendung der neuen Bestimmung von SVG 90 Abs. 3ter nicht notwendig,
- dass beim Täter darüber hinaus besonders günstige Umstände vorliegen müssen.
- Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft ist es für eine Anwendung der neuen Bestimmung von SVG 90 Abs. 3ter nicht notwendig,
- Keine einschlägigen Vordelikte beim Täter
- Da im konkreten Fall gegen den Täter keine Verurteilungen wegen entsprechender Verkehrsdelikte bestanden bzw. bestehen,
- war das Urteil des Appellationsgerichts nicht zu beanstanden.
- Da im konkreten Fall gegen den Täter keine Verurteilungen wegen entsprechender Verkehrsdelikte bestanden bzw. bestehen,
BGer 6B_1379/2023 vom 11.09.2024
V. Titel: Strafbestimmungen
Verletzung der Verkehrsregeln
Art. 90 SVG 234
1 Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt.
2 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt.
3 Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu vier Jahren wird bestraft, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, waghalsiges Überholen oder Teilnahme an einem nicht bewilligten Rennen mit Motorfahrzeugen.
3bis Die Mindeststrafe von einem Jahr kann bei Widerhandlungen gemäss Absatz 3 unterschritten werden, wenn ein Strafmilderungsgrund nach Artikel 48 StGB235 vorliegt, insbesondere wenn der Täter aus achtenswerten Beweggründen gehandelt hat.236
3ter Der Täter kann bei Widerhandlungen gemäss Absatz 3 mit Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren oder Geldstrafe bestraft werden, wenn er nicht innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Tat wegen eines Verbrechens oder Vergehens im Strassenverkehr mit ernstlicher Gefahr für die Sicherheit anderer, respektive mit Verletzung oder Tötung anderer verurteilt wurde.237
4 Eine besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegt vor, wenn diese überschritten wird um:
- mindestens 40 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 30 km/h beträgt;
- mindestens 50 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 50 km/h beträgt;
- mindestens 60 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 80 km/h beträgt;
- mindestens 80 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit mehr als 80 km/h beträgt.238
5 Artikel 237 Ziffer 2 des Strafgesetzbuches239 findet in diesen Fällen keine Anwendung.
234 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 15. Juni 2012, in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2012 6291; BBl 2010 8447).
236 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 17. März 2023, in Kraft seit 1. Okt. 2023 (AS 2023 453; BBl 2021 3026).
237 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 17. März 2023, in Kraft seit 1. Okt. 2023 (AS 2023 453; BBl 2021 3026).
238 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. März 2023, in Kraft seit 1. Okt. 2023 (AS 2023 453; BBl 2021 3026).
Quelle
LawMedia Redaktionsteam