Seit 2023 besteht die Regelung, dass ein Raserdelikt mit einer Geldstrafe sanktioniert werden kann, sofern der Täter in den letzten 10 Jahren kein schweres Verkehrsdelikt begangen hat.
Das Bundesgericht (BGer) hat nun entschieden, dass diese Regelung unabhängig vom Zeitpunkt der Erlangung des Führerausweises gelte.
Das BGer bestätigte damit ein Urteil des Tribunal Cantonal de Genève.
Sachverhalt
Ein Motorradlenker überschritt 2022 auf der Autobahn die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 66 km/h.
Prozess-History
- Erste Instanz
- In erster Instanz wurde der Motorradlenker für das Raserdelikt (Tempoüberschreitung von mindestens 60 km/h, wo maximal 80 km/h erlaubt sind) im April 2023 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.
- Inkrafttreten Neuregelung von SVG 90 Abs. 3ter
- Anfang Oktober 2023 trat die Neuregelung von SVG 90 Abs. 3ter in Kraft.
- Gemäss Neuregelung kann anstatt einer Freiheitsstrafe eine Geldstrafe verhängt werden,
- sofern der Täter binnen der letzten 10 Jahre kein schweres SVG-Delikt begangen hat.
- Gemäss Neuregelung kann anstatt einer Freiheitsstrafe eine Geldstrafe verhängt werden,
- Anfang Oktober 2023 trat die Neuregelung von SVG 90 Abs. 3ter in Kraft.
- Kantonsgericht Genf
- Da die Neuregelung im konkreten Fall zutraf, verhängte das Genfer Kantonsgericht im November 2023 eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen.
- Es berücksichtigte dabei unter anderem folgendes:
- Beim Vorfall in der Nähe keine anderen Verkehrsteilnehmer;
- Gute Fahrbedingungen;
- Anschliessender Verkauf des Motorrads durch den Verkehrssünder;
- Freiwillige Hinterlegung seine 2020 erlangten Führerausweises durch den Betroffenen.
- Bundesgericht
- Die Staatsanwaltschaft gelangte ans BGer und machte geltend,
- SVG 90 Abs. 3ter setze voraus, dass der Lenker tatsächlich einen tadellosen automobilistischen Leumund während 10 Jahren aufweise;
- die Regelung sei auf Junglenker, welche erst seit einigen Jahren über einen Führerausweis verfügten, nicht anwendbar.
- Die Staatsanwaltschaft gelangte ans BGer und machte geltend,
Erwägungen des Bundesgerichts
Die neue Bestimmung von SVG 90 Absatz 3ter kann grundsätzlich auch bei Fahrzeuglenkern angewandt werden, die noch nicht seit mindestens 10 Jahren über einen Führerausweis verfügten, also auch bei sog. Jung- bzw. Neulenkern.
- Gesetzesmaterialien
- Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich laut BGer nur, dass der Gesetzgeber mit der neuen Bestimmung beabsichtigte,
- dem Richter bei der Bestrafung von Raserdelikten einen gewissen «Ermessensspielraum» einzuräumen.
- Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich laut BGer nur, dass der Gesetzgeber mit der neuen Bestimmung beabsichtigte,
- Keine Anhaltspunkte für die Argumentation der Staatsanwaltschaft
- Laut BGer könne weder aus dem Gesetz selber noch aus den parlamentarischen Debatten geschlossen werden,
- dass die Prüfung der Frage, ob der Lenker innerhalb der letzten 10 Jahre ein schweres Strassenverkehrsdelikt begangen habe,
- vom Zeitpunkt der Erlangung des Führerausweises resp. vom Alter des Lenkers abhängig gemacht werden sollte und könne.
- dass die Prüfung der Frage, ob der Lenker innerhalb der letzten 10 Jahre ein schweres Strassenverkehrsdelikt begangen habe,
- Laut BGer könne weder aus dem Gesetz selber noch aus den parlamentarischen Debatten geschlossen werden,
Entscheid des Bundesgerichts
Abweisung der Beschwerde der Staatsanwaltschaft.
BGer 6B_1372/2023 vom 13.11.2024
Weiterführende Informationen
Raserdelikt / Neue Regelung
- Strassenverkehrsgesetz-Änderungen: 4 neue Regeln sind am 01.10.2023 in Kraft getreten
- Abschaffung der Freiheitsstrafe für Raser im NR absehbar
- Raser: Lockerung des Raser-Regimes
Raserdelikt / Inkraftsetzung neue Regelung
Raserdelikt / Ersttäter
Raserdelikt / Beifahrer als Mittäter
Führerausweisentzug
Quelle
LawMedia Redaktionsteam