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Validierung Vorsorgeauftrag / Form der öffentlichen Beurkundung

ZGB 361 Abs. 1; ZGB 499 ff.; SchlTzZGB 55

Datum:
08.07.2025
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Erwachsenenschutz
Thema:
Validierung Vorsorgeauftrag
Stichworte:
Form, öffentliche Beurkundung, Validierung, Vorsorge, Vorsorgeauftrag
Erlass:
ZGB 361 Abs. 1; ZGB 499 ff.; SchlTzZGB 55
Entscheid:
BGer 5A_336/2024 vom 17.01.2025 = BGE 151 III 81 ff.
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Sachverhalt

«A.

A.a. B.A. ________ (geboren 1972) und C.A. ________ (geboren 1976) sind die Töchter von A.A. ________ (geboren 1940). Im Oktober 2019 übernahmen sie auf Wunsch ihres Vaters die Besorgung seiner privaten und finanziellen Angelegenheiten sowie die Verwaltung seiner Liegenschaften. Mit Vollmacht vom 25. November 2019 bevollmächtigte A.A. ________C.A. ________ zur Besorgung aller Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Verwaltung seines Liegenschaftsbesitzes und seiner administrativen und finanziellen Angelegenheiten sowie zur Verwaltung der Einkünfte und des Vermögens. Seine Tochter B.A. ________ bevollmächtigte er mit Vollmacht vom 10. Januar 2020 zu seiner Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, öffentlichen Stellen sowie Privatpersonen, zur Verfügung über sein Vermögen sowie zum Eingehen von Verbindlichkeiten jeder Art.

A.b. Mit öffentlich beurkundetem Vorsorgeauftrag vom 23. Juni 2020 beauftragte A.A.________für den Fall seiner Urteilsunfähigkeit seine Lebenspartnerin E. ________ (geboren 1940), ersatzweise seine Töchter B.A. ________ und C.A.________, mit der Personensorge und der damit zusammenhängenden Vertretung im Rechtsverkehr sowie D. ________ (geboren 1964) mit der Vermögenssorge und der damit zusammenhängenden Vertretung im Rechtsverkehr. Im Weiteren hielt er insbesondere fest, dass der Vorsorgeauftrag und die damit zusammenhängende Vertretung im Rechtsverkehr in jeder Beziehung umfassend gelten, und er befreite alle von einer Schweigepflicht betroffenen Personen gegenüber den beauftragten Personen von dieser Pflicht (Ziffer 3). Sämtliche früheren Vorsorgeaufträge widerrief er.»

History

«A.c. Am 8. November 2022 reichte D.________ den Vorsorgeauftrag von A.A. ________ vom 23. Juni 2020 (Bst. A.b) bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Region Zürichsee-Linth (KESB) zur Validierung ein. Mit Schreiben vom 23. November 2022 bestätigte Dr. med. F. ________ auf Ersuchen um Arztbericht hin die fehlende Urteilsfähigkeit von A.A. ________ aufgrund einer demenziellen Entwicklung. Mit Verfügung vom 20. Dezember 2022 erklärte die KESB den Vorsorgeauftrag für wirksam. Sie bezeichnete E. ________ in der umfassenden Personensorge sowie Vertretung im damit zusammenhängenden Rechtsverkehr und D. ________ in der Vermögenssorge sowie Vertretung im damit zusammenhängenden Rechtsverkehr als vorsorgebeauftragte Personen. Deren jeweiligen Aufgabenbereiche umschrieb sie entsprechend dem Vorsorgeauftrag und sie nahm Vormerk von den in Ziffer 3 des Vorsorgeauftrags enthaltenen Anordnungen. Zudem sprach sie den Vorsorgebeauftragten je eine Aufwandentschädigung von Fr. 1’000.– pro Jahr zu.

B.
Gegen die Verfügung der KESB reichten B.A. ________ und C.A. ________ Beschwerde ein, welche die Präsidentin der Abteilung V der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 14. August 2023 abwies. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht St. Gallen mit Entscheid vom 16. April 2024 (eröffnet am 25. April 2024) ab.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 24. Mai 2024 wenden sich B.A.________ und C.A. ________ (Beschwerdeführerinnen) an das Bundesgericht. Sie beantragen unter Kosten- und  Entschädigungsfolgen, es sei der Entscheid des Kantonsgerichts mitsamt der ihm zugrunde liegenden Verfügung der KESB vollumfänglich aufzuheben und die Ungültigkeit des Vorsorgeauftrags von A.A. ________ vom 23. Juni 2020 festzustellen. Dem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen, entsprach der damalige Präsident der II. zivilrechtlichen Abteilung mit Verfügung vom 19. Juni 2024. Im Übrigen hat sich das Bundesgericht die kantonalen Akten überweisen lassen, in der Sache jedoch keinen Schriftenwechsel angeordnet.»

Aus den Erwägungen

Der Wortlaut von ZGB 361 Abs. 1 ist zusammenfassend insofern eindeutig,

  • als sich ihm kein Verweis auf ZGB 499 ff. entnehmen lässt.

Die Gesetzessystematik und die Entstehungsgeschichte deuten ebenfalls (eher) daraufhin,

  • dass sich die öffentliche Beurkundung entsprechend dem Grundsatz von SchlTzZGB 55 nach kantonalem Recht richtet.

Jedenfalls liefern Systematik und Entstehungsgeschichte – wie das teleologische Auslegungselement – keinen triftigen Grund für die Annahme,

  • der Wortlaut ziele am Rechtssinn der Bestimmung vorbei.

Es besteht laut BGer daher kein Grund,

  • ZGB 361 Abs. 1 abweichend vom Wortlaut im Sinn eines Verweises auf ZGB 499 ff. zu verstehen.

Dies gilt umso mehr,

  • als beim Vorsorgeauftrag ein vergleichbares Bedürfnis nach Schutz des Vertrauens in den Gesetzeswortlaut besteht wie bei der Testamentserrichtung und
  • die Formerfordernisse deshalb nicht über den Gesetzeswortlaut hinaus ausgedehnt werden dürfen.

Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass sich die öffentliche Beurkundung des Vorsorgeauftrags nach kantonalem Recht richtet.

Laut Erw. 3.6 hat die Vorinstanz erwogen,

  • dass sich die öffentliche Beurkundung des Vorsorgeauftrags gemäss SchlTzZGB 55 nach kantonalem Recht richte und
  • dass das  Beurkundungsrecht des Kantons St. Gallen den Beizug von zwei Zeugen nicht vorschreibe.

Der am 23.06.2020 öffentlich beurkundete Vorsorgeauftrag sei von A.A. ________ gültig errichtet worden. Damit habe sei nach dem Gesagten kein Bundesrecht verletzt worden.

Entscheid des Bundesgerichts

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

  1. Die Gerichtskosten von Fr. 4’000.– werden den Beschwerdeführerinnen auferlegt.
  2. Dieses Urteil wird den Parteien, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Zürichsee-Linth und dem Kantonsgericht St. Gallen, Einzelrichterin im Familienrecht, schriftlich mitgeteilt.

BGer 5A_336/2024 vom 17.01.2025   =   BGE 151 III 81 ff.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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