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Obligationenrecht / AGB

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Banküberweisung: Verfehlung der Bank und Mitverschulden des Kunden

OR 97

Datum:
10.11.2025
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
AGB – Allgemeine Geschäftsbedingungen
Thema:
Banküberweisung
Stichworte:
AGB, Banküberweisung, Mitverschulden Kunde, Obligationenrecht, Verfehlung der Bank
Erlass:
OR 97
Entscheid:
BGer 4A_610/2023 vom 08.01.2025
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Sachverhalt

«A.a. Die Stiftung A.________ (nachfolgend: die Stiftung oder die Kundin oder die Klägerin oder die Beschwerdeführerin) ist eine Stiftung liechtensteinischen Rechts, deren Zweck die Verwaltung des Vermögens von Fürst C.________ (nachfolgend: der Fürst) ist. 

Die Stiftung leistet Zahlungen an ihre Begünstigten, den Fürsten und seine Familie, für deren Ausbildung und laufenden Bedarf. Sie betreibt kein kommerzielles Unternehmen. Der Stiftungsrat besteht seit 2016 aus D.________, Rechtsanwalt in der Kanzlei E.________, mit Kollektivunterschrift zu zweit mit dem Fürsten. Der Sitz der Stiftung befindet sich in Liechtenstein, an derselben Adresse wie die Kanzlei. F.________ ist die Assistentin von D.________.

B.________ SA (nachfolgend: die Bank oder die Beklagte oder die Beschwerdegegnerin) ist eine Bank mit Sitz in Genf. G.________, Angestellter der Bank, war für die Verwaltung des Kontos der Stiftung zuständig.

H.________ in Beirut wurde von I.________ gegründet und diente bis 2013 als Family Office für die Verwaltung des Vermögens des Prinzen. Bei Beendigung seiner Tätigkeit informierte I.________ die Bank darüber und bat sie, ihm keine Korrespondenz mehr im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Vermögensverwalter des Prinzen zuzusenden.

J.________ ist der Buchhalter des Prinzen. Er erteilte regelmässig Zahlungsanweisungen im Namen und auf Rechnung des Prinzen.

A.b. …»

Aus den Erwägungen

Das Bundesgericht

Bei der

  • Beurteilung von Sorgfaltspflichtverletzungen einer Bank und
  • bei der Überprüfung der Rechtmässigkeit der unrechtmässigen und betrügerischen Aufträge,

hat das zuständige Gericht

  • im Rahmen von OR 97
    • das Verhalten des Kunden bei der Entstehung oder
    • die Vergrösserung des Schadens

zu berücksichtigen,

  • insbesondere in Bezug auf deren
    • allfällige Nicht-Einsichtnahme in die Bankunterlagen und / oder
    • deren allfällige Nicht-Anfechtung der Mitteilungen der Bank,
  • was
    • eine Verletzung der in den Banken-AGB üblicherweise enthaltenen Reklamationsklausel darstellt

(vgl. Erw. 5.1).

Aufgrund der «Reklamationsklausel» hat der Bankkunde

  • jede Reklamation bezüglich einer Transaktion
    • innerhalb einer bestimmten Frist
    • nach Erhalt geltend zu machen, und zwar
      • der Bestätigung über die Auftragsausführung oder
      • des Konto- oder Depotauszugs,
    • andernfalls gilt als von ihm akzeptiert
      • die Transaktion oder
      • der Bankauszug.

Die Bank-Mitteilungen dienen

  • nicht nur
    • der Kunden-Information,
  • sondern auch
    • der rechtzeitigen Erkennung und
    • der Berichtigung von Buchungsfehlern oder
    • von unregelmässigen Transaktionen,
  • zu einem Zeitpunkt,
    • an welchem die finanziellen Folgen möglicherweise
      • noch berichtigungsfähig oder
      • korrigierbar sind.

Gemäss dem Prinzip von Treu und Glauben müssen die Kunden ihre Sorgfaltspflicht

  • bei der Prüfung
    • der von der Bank erhaltenen Mitteilungen und
  • bei der Beanstandung von Buchungen vornehmen, welche er erkennt:
    • als unregelmässig und / oder
    • als unbegründet.

Mangels Widerspruchs muss sich der Kunde die in den AGB enthaltene Genehmigungsfiktion auch dann entgegenhalten lassen,

  • wenn er durch sein Verhalten nicht bewusst die Buchungen billigen wollte,
    • ebenso auch dann,
      • wenn der Bank-Kundenbetreuer sich nicht an seine Anweisungen gehalten hat;

Vgl. Erw. 5.1.1.

Unterbleibt ein Widerspruch,

  • begründet dies ein Mitverschulden der Kundin,
    • welches den Kausalzusammenhang unterbricht zwischen
      • dem groben Verschulden der Bank und
      • dem entstandenen Schaden;

Vgl. Erw. 5.a.

Entscheid

Demnach erkennt das Bundesgericht:

  1. Die Beschwerde wird, soweit zulässig, abgewiesen.
  2. Die Gerichtskosten in Höhe von 9’000 Franken werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
  3. Die Beschwerdeführerin zahlt der Beschwerdegegnerin einen Betrag von 10’000 Franken als Kostenersatz; diese Entschädigung wird von den bei der Kasse des Bundesgerichts hinterlegten Sicherheiten abgezogen.
  4. Das vorliegende Urteil wird den Bevollmächtigten der Parteien und der Zivilkammer des Gerichtshofs des Kantons Genf mitgeteilt.

BGer 4A_610/2023 vom 08.01.2025

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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