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Haftpflicht- und Versicherungsrecht

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Versicherungsvertrieb + Dritt-Entschädigungen: Künftige Informations-, Offenlegungs- und Ablieferungspflicht

Datum:
27.01.2023
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Haftpflicht- und Versicherungsrecht
Thema:
Versicherungsvertrieb: Künftige Pflicht zur Offenlegung der Dritt-Entschädigungen
Stichworte:
Ablieferungspflicht, Broker, Dritt-Entschädigungen, Informationspflicht, Offenlegung, Offenlegungspflicht, Retrozessionen, Transparenzpflicht, Versicherungsmakler, Versicherungsvertrieb
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Neue Pflichten für Versicherungsvermittler nach Inkrafttreten des revVAG

Einleitung

Der Vertrieb im Versicherungswesen basiert oft auf Netzwerken, welche ihre Leistungen untereinander auch abgelten durch:

  • sog. «Drittentschädigungen». 

Revision des Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft hat am 18.03.2022 mit der Revision des VAG beschlossen, verschiedene Verordnungsbestimmungen zu ändern.

Hier interessiert vor allem der Artikel 45b VAG (neue Fassung (n.F.)).

Voraussichtliches Inkrafttreten der VAG-Teilrevision

Das Inkrafttreten der VAG-Teilrevision ist vom Bundesrat (BR) noch festzulegen:

  • Es wird damit gerechnet, dass die Inkraftsetzung auf den 01.07.2023 erfolgt.

Neue Regeln zu den Entschädigungen

Offenlegung der Entschädigungen (nVAG 45b Abs. 1)

Gemäss VAG 45b Abs. 1 n.F. («Offenlegung der Entschädigung») dürfen – nach Inkrafttreten der Revision –

  • ungebundeneVersicherungsvermittler nur annehmen,
    • wenn sie die Versicherungsnehmer ausdrücklich über die Entschädigung informiert haben:
      • Entschädigungen von Versicherungsunternehmen oder
      • sonstigen Dritten.

Direkte Vergütungen vom Versicherer (nVAG 45b Abs. 2)

Erhalten ungebundene Versicherungsvermittler für ihre Tätigkeit direkt voVersicherer eine Vergütung,

  • «so dürfen sie Entschädigungen von Versicherungsunternehmen oder sonstigen Dritten nur annehmen»,
    • wenn sie
      • a) «die Versicherungsnehmerinnen und -nehmer ausdrücklich über die Entschädigung informiert haben und diese ausdrücklich darauf verzichten,
    • dass ihnen die Entschädigung weitergegeben wird» oder
      • b) «die Entschädigung vollumfänglich an die Versicherungsnehmer weitergeben»
  • VAG 45b Abs. 2 n.F.

Information der Versicherungsnehmer (nVAG 45b Abs. 3)

Nach VAG 45b Abs. 3 n.F. müssen die Versicherungsnehmer-Informationen enthalten bzw. erfolgen:

  • «Art und Umfang der Entschädigung»
  • vor Erbringung der Dienstleistung oder
  • vor Vertragsschluss.

Ist die Höhe des Betrags vorgängig nicht feststellbar, so sind die Versicherungsnehmer zu informieren über

  • die Berechnungsparameter und
  • die Bandbreiten.

Auf Anfrage haben die Versicherungsvermittler offenzulegen:

  • die effektiv erhaltenen Beträge.

Qualifikation der Entschädigung Dritter (nVAG 45b Abs. 4)

Nach VAG 45b Abs. 4 n.F. gelten als Entschädigung:

  • Leistungen, die den ungebundenen Versicherungsvermittlern im Zusammenhang mit der Erbringung einer Dienstleistung von Dritten zufliessen,
    • insbesondere
      • Courtagen;
      • Kommissionen;
      • Provisionen;
      • Rabatte oder
      • sonstige vermögenswerte Vorteile.

Annahmerecht einer Entschädigung nur bei ausdrücklicher Information

Wie hievor erwähnt dürfen ungebundene Versicherungsvermittler VAG 45b Abs. 1 n.F. Entschädigungen von Versicherungsunternehmen oder sonstigen Dritten nur annehmen,

  • wenn sie die Versicherungsnehmer ausdrücklich über die Entschädigung informiert

Vgl. Botschaft VAG 2020, 9013.

Verstärkung der Aufsicht zur Entschädigung-Offenlegungspflicht

Mit der Aufnahme einer öffentlich-rechtlichen basierten Pflicht der Broker zur Offenlegung der Entschädigung im revidierten VAG wird verstärkt

  • durch ein entsprechendes Aufsichtsrecht.

Tipp

  • Es ist daher zu prüfen, wie die vertragsrechtliche Informationspflicht des Brokers gegenüber dem Versicherungsnehmer verhält.

Exkurs: Broker-Auftrag

Der Brokervertrag im Verhältnis zwischen dem Broker und dem Versicherungsnehmer wird als einfacher Auftrag – je nach Versicherungstyp mit Elementen anderer Vertragstypen – qualifiziert.

Das Vorgehen bei Interessenkonflikten ist im Auftragsrecht geregelt.

Weiterführende Informationen

  • Mit der Auftragsannahme verfolgt der Beauftragte die Wahrung fremder Interessen.
  • Entstehen zwischen den Zielen des Versicherungsnehmers und den Absichten des Brokers Interessenkollisionen, hat der Broker unterzuordnen:
    • die eigenen Interessen gegenüber denjenigen des Versicherungsnehmers;
    • seine Honorarinteressen.

Vertrag zwischen Broker und Versicherer?

Das Bundesgericht (BGer) hat entschieden, zwischen dem Broker und dem Versicherungsunternehmen bestehe kein eigenständiger Maklervertrag nach OR 412 ff. (vgl. BGE 124 III 481):

  • Diese Qualifikation würde voraussetzen, dass sich der Versicherungsmakler gegenüber dem Versicherer verpflichtet hätte, seine Tätigkeit in dessen Interesse auszuüben.

Treuepflicht des beauftragten Brokers

Aus der vorgenannten Pflichtwahrung fremder Interessen resultiert auch

  • die allgemeine Treuepflicht des beauftragten Brokers:
    • Interessen des Versicherungsnehmers (Förderung des Positiven, Unterlassung des Schädlichen);
    • Umfassender Vorrang der Versicherungsnehmer-Interessen;
  • Die Auskunftspflicht des Beauftragten
    • bei Anbahnung des Mandatsverhältnisses;
    • bei Abschluss des Mandatsverhältnisses;
    • im Rahmen seiner Aufklärungs- und Benachrichtigungspflicht zur unaufgeforderten Erteilung der Auskunft nach OR 398 Abs. 2.

Transparenzpflicht des Brokers

Das mit der VAG-Revision von VAG 45b Abs. 1 n.F. begründete Gebot zur Offenlegung der Entschädigung gilt

  • primär als öffentlich-rechtliche Pflicht;
  • sekundär auch kraft Auftragsrechts.

Wird der Broker vom Versicherer entschädigt, zB mittels Provisionen, Courtagen und anderen geldwerten Vorteilen, welche mit dem zu vermittelten Versicherungsvertrag zusammenhängen,

  • muss er den Versicherungsnehmer informieren:
    • vollständig,
    • wahrheitsgetreu,
    • verständlich,
    • über Art und Höhe der Leistung,
    • falls die Leistung betragsmässig noch nicht feststellbar ist, über Art und Weise der Berechnung,
    • und zwar
  • vor Abschluss oder vor Änderung des Versicherungsvertrags.

Literatur

  • Fellmann Walter, Festschrift Schnyder, S. 808 f.

Offenlegung der Entschädigung, nun auch bei Courtagen-System

Der Broker ist aufgrund seiner – hievor dargelegten – auftragsrechtlichen Aufklärungs- und Informationspflichten gehalten, den Versicherungsnehmer über seine Entschädigung aufzuklären.

Neu auferlegt ihm auch VAG 45b n.F. eine solche Pflicht nun auch kraft öffentlichen Rechts:

  • Courtagesystem
    • Allgemein
      • Ausgangspunkt dieses Novellierungspunktes bildete die bei ungebundenen Versicherungsvermittlern vorherrschende Vergütungsart des sog. Courtagesystems.
    • Abgeltung des Vermittlers
      • Die Vermittler erhalten pro abgeschlossenen Versicherungsvertrag vom Versicherer eine Courtage (oder Provision).
      • Diese Courtage (Provision) wird in der (Brutto-)Versicherungsprämie eingerechnet.
      • Mit ihren Prämienzahlungen an den Versicherer finanzierten die Versicherungsnehmer daher indirekt auch das Honorar der ungebundenen Versicherungsvermittler (Botschaft VAG 2020, 9012).
  • Interessenkonflikt
    • Allgemein
      • Dem Courtagesystem ist ein Interessenkonflikt der (ungebundenen) Versicherungsvermittler inhärent.
    • Konfliktlösung
      • Der Gesetzgeber begegnet diesem Interessenkonflikt nun mit der Pflicht zur Offenlegung der Entschädigung.
      • Vgl. Botschaft VAG 2020, 9012 / Bundesrats-Anliegen.

Versicherungsnehmer-Vergütung an Broker

Anders verhält es sich zivilrechtlich, wenn der Broker vom Versicherungsnehmer eine Vergütung erhält und sich zusätzlich hinter dem Rücken seines Kunden durch das Versicherungsunternehmen mit einer Courtage honorieren lässt:

  • Zivilrechtlichen Folgen
    • VAG 45b Abs. 2 n.F. enthält keine Hinweise (rechtsgebiete-bedingt)
    • In einem solchen Fall besteht aber die Pflicht zur Herausgabe dieser Courtage an den Versicherungsnehmer gestützt auf OR 400 Abs. 1 gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den Retrozessionen.
  • Aufsichtsrechtliche Folgen
    • Mögliches Einschreiten der FINMA
    • Streichung des Brokers im Register, wenn seinVerhalten zeigt, dass er keine Gewähr mehr für die Erfüllung seiner aufsichtsrechtlichen Pflichten bietet.

Verletzung der Aufklärungspflicht

Die Norm von VAG 45b Abs. 1 n.F. verbietet dem Broker, Entschädigungen vom Versicherer oder sonstigen Dritten anzunehmen, wenn er die Versicherungsnehmer nicht ausdrücklich über die Entschädigung informiert hat.

Zu den Folgen:

  • Zivilrechtlichen Folgen
    • VAG 45b Abs. 1 n.F. enthält keine Hinweise (rechtsgebiete-bedingt)
    • Ist die Herausgabepflicht nach OR 400 Abs. 1 das zutreffende Korrektiv?
      • Der Versicherungsnehmer bezahlt für die Dienste des Brokers dagegen nichts.
      • Die Verletzung der Aufklärungspflicht führt nicht einfach zur Herausgabe der Courtage, da der gänzliche Verlust des Honorars im Auftragsrecht nur vorgesehen ist, wenn die Beauftragten-Leistung unbrauchbar ist.
      • In allen anderen Fällen dürfte das gestörte Äquivalenzverhältnis zwischen Dienstleistung und Honorar durch Schadenersatz auszugleichen sein.
  • Aufsichtsrechtliche Folgen
    • Mögliches Einschreiten der FINMA
    • Streichung des Brokers im Register, wenn seinVerhalten zeigt, dass er keine Gewähr mehr für die Erfüllung seiner aufsichtsrechtlichen Pflichten bietet.

Fazit

Die öffentlich-rechtlichen Pflichten des Brokers sind also:

  • Registereintrag
  • Verhaltenspflichten
    • Informationspflichten
    • Vermeidung oder Offenlegung von Interessenkonflikten
    • Offenlegung der Entschädigung
    • Ablieferung der Entschädigung

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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