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Mietrecht

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Ertragsoptimierungskündigungen: «The Seven Thinking Steps“ der Nettorenditenberechnung»

Datum:
01.03.2022
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Referenzzinssatz
Stichworte:
Ertragsoptimierung, Kündigung, Miete, Mietvertrag, Nettorenditenberechnung, Referenzzinssatz
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

OR 269

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall hatten beide Vorinstanzen die von den beiden Mietern angefochtene Kündigung wegen Treuwidrigkeit aufgehoben.

Die obere kantonale Instanz hatte erwogen, dass der Vermieter aufgrund seiner von ihm vorgelegten Unterlagen bei einer Neuvermietung keine höhere nicht missbräuchliche Nettorendite erzielen könne.

Bundesgerichtliche Rechtsprechung

Gemäss langjähriger Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGer) sind Ertragsoptimierungskündigungen grundsätzlich zulässig.

Eine solche Kündigung ist nicht treuwidrig,

  • wenn der Vermieter von einer neuen Mieterin einen höheren Mietzins verlangen kann,
    • der – ermittelt in Anwendung der absoluten Methode – nicht missbräuchlich ist.

Erwägungen in casu

Im hier zu besprechenden Fall hat das BGer seine Praxis bestätigt, wobei es das Vorliegen einer Ausnahme andeutete:

  • Eine an sich zulässige Ertragsoptimierungskündigung kann treuwidrig sein,
    • wenn
      • der Vermieterin bei der Neuvermietung nur ein unbedeutender Spielraum für eine Mietzinserhöhung offensteht;
      • die Vermieterin die Kündigung einsetzt, um einen unangenehmen Mieter auf leichte Weise loszuwerden.
    • Die Vermieterin sollte diese Ausnahme im Mietalltag nicht aus den Augen verlieren.

Das BGer befasste sich in casu im Detail mit der von der Vorinstanz durchgeführten und vom Vermieter in verschiedenen Punkten gerügten Nettorenditenberechnung.

Massgebend bei der Ermittlung der zulässigen Nettorendite gemäss OR 269 ist:

  • der Ertrag des im Streit stehenden Mietobjekts und
  • nicht der Ertrag der ganzen Liegenschaft

Da die Liegenschaftsrechnung indessen für das ganze Gebäude geführt wird,

  • müsste man in der Praxis zunächst die Ertragslage für das ganze Gebäude bestimmen und
  • anschliessend diesen Ertrag aufgrund eines Verteilschlüssels auf die verschiedenen Mietobjekte umlegen.

Anwendungsfälle für die “sieben Schritte“

Aus der Rechtsprechung ergibt sich laut BGer,

  • dass man dabei in sieben Schritten («Seven Thinking Steps») vorzugehen habe.

Die nachgenannten sieben Schritte sind anwendbar bei:

  • Ertragsoptimierungskündigungen
  • jeder Nettorenditenberechnung gemäss OR 269

Die sieben Schritte im Einzelnen

Die sieben Schritte («Seven Thinking Steps») wurden vom BGer geradezu gebetsbuchartig aufgelistet:

  1. Bestimmung der Anlagekosten.
  2. Von diesen Anlagekosten sind die Fremdmittel (Hypothekarschulden) abzuziehen, um das investierte Eigenkapital zu ermitteln.
  3. Zum Teuerungsausgleich auf dem risikotragenden Kapital (vgl. OR 269a lit. e) sind die investierten Eigenmittel mithilfe des Landesindexes der Konsumentenpreise anzupassen (mit einem in den Details komplizierten, vom BGer dargelegten Mechanismus).
  4. Bestimmung des höchstzulässigen Ertrags dieser (angepassten) Eigenmittel; massgebend ist dabei ein Zinssatz, der um 0,5 % über dem Referenzzinssatz für Hypotheken liegt (vgl. VMWG 12a).
  5. Zu diesem Ertrag sind die Kosten hinzuzuzählen, welche der Vermieter zu tragen hat:
    1. Kapitalkosten
    2. Betriebskosten
    3. Unterhaltskosten, um so die jährlich zulässigen Mieteinnahmen der ganzen Liegenschaft festzulegen.
  6. Diese totalen Mieteinnahmen sind dann nach einem Verteilschlüssel auf die verschiedenen Mietobjekte umzulegen,
    1. um den für das im Streit stehende Mietobjekt zulässigen Mietzins zu ermitteln.
    2. wobei dieser Verteilschlüssel sich gemäss BGer oft orientiert an
      1. der Fläche oder
      2. am Volumen der verschiedenen Mietobjekte,
      3. bisweilen auch an der Zimmerzahl.
    3. In gewissen Fällen, insbesondere
      1. wenn nicht alle Mietobjekte in gleichem Masse von wertvermehrenden Investitionen profitiert haben oder
      2. wenn solche Investitionen bei den Mietobjekten zu unterschiedlichen Zeiten vorgenommen wurden,

ist der Verteilschlüssel anzupassen.

  1. Der so ermittelte Mietzins ist mit dem aktuellen Mietzins zu vergleichen, um festzustellen, ob die beabsichtigte Mietzinserhöhung zulässig ist oder nicht.

Ablaufschema als künftiges Referenzverfahren

Es ist davon auszugehen,

  • dass dieses Ablaufschema dem BGer künftig als Referenz dienen wird;
  • dass man sich auch bei der Redaktion einer Beschwerde in Zivilsachen an diesen «Seven Thinking Steps» zu orientieren hat.

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