Soweit die Arztbehandlung im Rahmen eines privatrechtlichen Vertragsverhältnisses erfolgt, ist die Vertragshaftung anwendbar.
Haftungsvoraussetzungen
- Vertrag (ärztlicher Behandlungsvertrag)
- Schaden
- Vertragsverletzung (ärztliches Fehlverhalten)
- Kausalzusammenhang (natürlicher/adäquater KSZ)
- Verschulden (gesetzliche Vermutung).
Vertrag
Der ärztliche Behandlungsvertrag ist als Auftrag (Art. 394 ff. OR) zu qualifizieren. Er kann formfrei abgeschlossen werden und kommt i.d.R. bereits mit der Vereinbarung eines Sprechstundentermins zustande. Die Gültigkeit des Behandlungsvertrages setzt voraus, dass der Patient handlungsfähig ist (volljährig und urteilsfähig). Der Arzt schuldet dem Patienten keinen Behandlungserfolg.
Schaden
Differenzentheorie
Das Bundesgericht definiert den Schaden wie folgt:
Differenz zwischen dem heutigen Vermögensstand des Geschädigten und dem mutmasslichen Vermögensstand, den er ohne das schädigende Ereignis hätte (vgl. BGE 129 III 332).
Der Schaden kann dabei bestehen in:
- Verminderung bzw. Nichtvermehrung der Aktiven
- Vermehrung bzw. Nichtverminderung der Passiven
- entgangener Gewinn
Vertragsverletzung
Ärztliches Fehlverhalten in Form eines Verstosses gegen die Sorgfaltspflicht bzw. gegen allgemein anerkannte Regeln der ärztlichen Wissenschaft und Praxis.
Sorgfaltspflicht
Der Arzt hat bei seiner Tätigkeit alle Sorgfalt anzuwenden, die aufgrund seiner Ausbildung und Berufserfahrung erwartet werden darf.
Die Sorgfaltspflicht erstreckt sich auf alle Stadien der ärztlichen Tätigkeit, namentlich auf:
- Diagnose
- Beratung
- Behandlung
- ärztlicher / operativer Eingriff
- Nachbehandlung
Sorgfaltsmassstab
Die Anforderungen an die ärztliche Sorgfaltspflicht richten sich nach objektiven Kriterien. Verlangt wird die Sorgfalt, welche von einem gewissenhaften Arzt in derselben Lage und unter denselben Umständen nach dem aktuellen Stand der Medizin erwartet werden darf.
Die gebotene Sorgfalt richtet nach den konkreten Umständen des Einzelfalles, namentlich nach:
- Art und Risiken des Eingriffs oder der Behandlung;
- Ermessensspielraum;
- Mittel und Zeit, die dem Arzt zur Verfügung stehen;
- Ausbildung, Erfahrung und Leistungsfähigkeit.
Notfall
Von einem Notfallarzt, der unter dem Druck der Notfallsituation arbeitet, kann nicht dieselbe Sorgfalt verlangt werden wie von einem Arzt, der ohne solche Stressfaktoren seine Tätigkeit ausübt.
Kausalzusammenhang
Eine Haftung setzt weiter voraus, dass zwischen der Sorgfaltspflichtverletzung und dem Schaden ein Ursachenzusammenhang besteht. Der Arzt kann nur für den durch sein Fehlverhalten verursachten Schaden haftbar gemacht werden. Falls mehrere von möglichen Ursachen in Betracht fallen, genügt es nicht, dass eine Ursache wahrscheinlicher ist als eine andere oder mehrere Ursachen.
Kausalzusammenhang nennt man die Beziehung zwischen Ursache (schädigendes Ereignis) und Wirkung (Schaden). Man unterscheidet den natürlichen vom adäquaten Kausalzusammenhang.
- Natürlicher Kausalzusammenhang:
Ein solcher liegt vor, wenn das Verhalten des Arztes nicht weggedacht werden kann, ohne dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch der Schaden beim Patienten entfällt.
- Adäquater Kausalzusammenhang:
Ein solcher liegt vor, wenn das Verhalten des Arztes nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, den Schaden beim Patienten zu bewirken.
Der geschädigte Patient hat den Nachweis des Kausalzusammenhangs zu erbringen.
Unterbrechung Kausalzusammenhang
Der Kausalzusammenhang kann unterbrochen werden durch
- Selbstverschulden
- Drittverschulden
- Schweres Drittverschulden kann den adäquaten Kausalzusammenhang unterbrechen,
- wenn es (Mit-)Ursache der Schädigung war;
- und dessen Einfluss intensiver erscheint, als derjenige des Haftpflichtigen.
- Schweres Drittverschulden kann den adäquaten Kausalzusammenhang unterbrechen,
Der Patient muss den Kausalzusammenhang beweisen. Da der strikte Beweis oftmals mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, genügt das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit.
Rechtsprechung
Das Bundesgericht entschied, dass bei einer Wahrscheinlichkeit von lediglich 51% der Kausalzusammenhang nicht bewiesen ist. Die Wahrscheinlichkeit muss deutlich höher liegen.
(vgl. Urteil Bundesgericht vom 23.9.2008, 4A_397/2008, Erw. 4.1 und 4.3)
Unterlassung
Nicht nur eine Handlung sondern auch eine Unterlassung kann kausale Schadensursache sein. Besteht eine Pflicht zum Handeln, so kann die Unterlassung der vorgeschriebenen Handlung Schadensursache sein. Zu fragen ist: Wäre es auch bei Vornahme der unterlassenen Handlung zum Schaden gekommen?
Verschulden
Bei der ärztlichen Vertragshaftung wird ein Verschulden vermutet. Der Arzt hat aber die Möglichkeit zu beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft (sog. Exkulpationsmöglichkeit, Art. 97 Abs. 1 OR).