Üblich ist, dass jede revisionspflichtige Gesellschaft nur eine Revisionsstelle im Einsatz hat. Die Zahl der Revisionsstellen ist indessen nicht beschränkt. So können mehrere Revisionsstellen aus verschiedenen Gründen gleichzeitig Funktionen bei der Gesellschaft innehaben.
Fälle der Faktischen Organschaft
Ein faktische Revisionsstellentätigkeit ist anzunehmen bei:
- Tätigwerden vor Eintragung im Handelsregister (HR)
- Fortsetzung der Tätigkeit nach Austragung aus dem Handelsregister (HR)
- Tätigwerden ohne als Revisionsstelle gewählt und / oder im HR eingetragen zu sein
- Unbemerkter Uebergang von einem Sonderauftrag zur klassischen Revisionstätigkeit.
Die meisten Fälle Faktischer Organschaft einer Revisionsstelle ergeben sich aus nicht koordinierten Doppelbestellungen zweier Revisionsstellen.
Revisionsstelle 1 |
Revisionsstelle 2 |
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Vor Mandatierung |
Revisionstätigkeit |
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Vor Wahl durch GV |
Revisionstätigkeit |
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Vor Eintragung im HR |
Revisionstätigkeit |
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Mandatierung |
Ordentliche Revisionstätigkeit |
Vor Mandatierung |
Aufnahme der Revisionstätigkeit |
Unterlassung der Revisionstätigkeit |
Vor Wahl durch GV |
Revisionstätigkeit |
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Vor Eintragung im HR |
Revisionstätigkeit |
Mandatskündigung |
Keine Austragung aus HR |
Mandatierung durch den VR, ohne Wahl-Antrag an GV |
Revisionstätigkeit |
Nach Mandatsbeendigung |
Fortsetzung der Revisionstätigkeit trotz Austragung aus dem HR |
Mandatierung durch GV |
Ordentliche Revisionstätigkeit |
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Nichtwahl durch die GV |
Fortsetzung der zuvor aufgenommenen Revisionstätigkeit |
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Mandatskündigung |
Keine Austragung aus HR |
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Nach Mandatsbeendigung |
Fortsetzung der Revisionstätigkeit trotz Austragung aus dem HR |
Legende |
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Roter Text: |
Faktische Organschaft |
Obliegenheit jeder Revisorin, eine faktische Organschaft zu vermeiden
Jeder Revisionsleiter hat die Obliegenheit, für die rechtzeitige HR-Eintragung und HR-Austragung besorgt zu sein. Auch die Organe der Gesellschaft sollten die Bestellungs-Situation überwachen.
Revisoren-Haftung
Der Revisionsbericht einer faktischen Revisionsstelle ist nicht nur empfangs-, sondern auch verarbeitungsbedürftig.
Für eine Haftung der faktischen Revisionsstelle müssen ferner die gleichen Voraussetzungen wie für die formelle Revisionsstelle erstellt sein (Schaden, Verschulden, Pflichtverletzung und Kausalzusammenhang). Diskussionsanlass bieten in der Regel:
- Die Frage, ob die Gesellschaft überhaupt überschuldet war
- Die Frage, ob und wer (VR und/oder eine oder beide Revisionsstellen) die Ueberschuldungsanzeigen erstatten und wenn ja, ob die Ueberschuldungsanzeige rechtzeitig erfolgte (Konkursverschleppung)
- Die Frage, ob der Revisionsbericht dem VR zur Kenntnis gebracht wurde
- Die Frage, ob ein richtiger Revisionsbericht beim einzigen VR (zB Alleinaktionär) Wirkung gezeitigt hätte oder eben wirkungslos geblieben wäre
- Die Frage, ob der VR über den Finanzzustand der Gesellschaft ohnehin bestens im Bilde wahr
- Die Frage, ob eine Generalversammlung stattfand
- Die Frage, ob der Kausalzusammenhang gegeben ist.
Es ist davon auszugehen, dass die Haftungskoordination unter den beiden Revisionsstellen, falls nur eine eingeklagt wird, über eine Streitverkündungsklage stattfindet.
Weiterführende Informationen
- BGE 119 II 255 ff.
- FREY ERICH, Regress auf eine faktische Kontrollstelle?, in: Der Schweizer Treuhänder, 7-8/91, S. 355 ff.
- FREY ERICH, Fliegender Wechsel der Revisionsstelle, in: Der Schweizer Treuhänder, 4/94, S. 294