Mit der „Nachsteuerveranlagung“ wird eine Steuerveranlagung zuungunsten des Steuerpflichtigen abgeändert:
- Definition
- Nachsteuer = Nachforderung von nicht oder zu wenig veranlagten Steuern zur Schadloshaltung des Gemeinwesens für einen erlittenen Steuerausfall
- Grundlagen
- DBG 147 – DBG 153
- StHG 51 – StHG 53
- Ziel
- Einforderung einer nicht erhobenen Steuer samt Zins als sog. „Nachsteuer“
- Voraussetzungen
- Tatsachen und Beweismittel, die der Steuerbehörde nicht bekannt waren, führten zu folgendem
- Zu Unrecht unterbliebene Veranlagung
- Unvollständigkeit einer rechtskräftigen Veranlagung
- Vgl. DBG 151 Abs. 1
- Tatsachen und Beweismittel, die der Steuerbehörde nicht bekannt waren, führten zu folgendem
- Nachsteuerverfahren / Frist
- Fristen
- Das Recht, ein Nachsteuerverfahren einzuleiten, erlischt
- Relative Frist
- 10 Jahre nach Ablauf der Steuerperiode, für die eine Veranlagung zu Unrecht unterblieb oder die rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist (vgl. DBG 152 Abs 1)
- Absolute Frist
- 15 Jahre nach Ablauf der betreffenden Steuerperiode (absolute Verwirkungsfrist)
- Relative Frist
- Das Recht, ein Nachsteuerverfahren einzuleiten, erlischt
- Behörde
- Ursprüngliche Veranlagungsbehörde
- Eröffnung des Nachsteuerverfahrens
- Schriftliche Mitteilung an den Steuerpflichtigen (vgl. DBG 153 Abs. 1)
- Eröffnung des Strafverfahrens
- Mit der Eröffnung des Strafverfahrens wegen Steuerhinterziehung oder Steuerbetrugs gilt zugleich als Einleitung des Nachsteuerverfahrens (vgl. DBG 152 Abs. 2)
- Fristen
- Verfahrensregeln / Nachsteuerbescheid
- Nach- und Strafsteuerverfahren vor Gericht
- Im Falle der Weiterziehung von Nachsteuer- und Steuerhinterziehungsverfahren ans Gericht, gilt es zu beachten:
- Verfahrensrecht
- Rechtsmittelweg
- ZH: Einspracheentscheide gegen Nachsteuerveranlagungen sind direkt bei Verwaltungsgericht des Kantons Zürich anzufechten
- Novenrecht
- ZH: Mangels doppelten kantonalen Instanzenzugs kommt dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich eine umfassende Überprüfungsbefugnis zu
- Daher sind im Nachsteuerverfahren vor VGer ZH auch Noven zulässig:
- Neue Tatsachen
- Neue Beweismittel
- Daher sind im Nachsteuerverfahren vor VGer ZH auch Noven zulässig:
- ZH: Mangels doppelten kantonalen Instanzenzugs kommt dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich eine umfassende Überprüfungsbefugnis zu
- Neuüberprüfung der ehemaligen Veranlagung
- Die Frage, ob im Nachsteuerverfahren auch neu bzw. erstmals vorgebrachte steuermindernde Tatsachen zu berücksichtigen sind, ist differenziert zu beurteilen:
- Mit dem Nachsteuerverfahren zusammenhängende Tatsachen wie Gewinnungskosten:
- Ja
- Nicht mit dem Nachsteuerverfahren zusammenhängende Tatsachen, die bereits im Veranlagungsverfahren hätten geltend gemacht werden müssen
- In der Lehre bestehen hiezu unterschiedliche Ansichten (vgl. LOCHER PETER, Kommentar zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, III, Basel 2017, N 2 zu Art. 152)
- Ambivalent wirken das Übersteuerungsverbot (Zulassung nicht neuer, entlastender Tatsachen) und der Zweck des Nachsteuerverfahrens (Nachforderung nur der zu wenig veranlagten Steuern)
- Weiter ist die „… Neueinschätzung auf jene Punkte beschränkt, in denen sich aufgrund von neuen Tatsachen oder Beweismittel eine Änderung ergibt. Im Übrigen bleibt die frühere tatsächliche und rechtliche Würdigung des Falles massgebend, gleichgültig, ob sich dies zugunsten oder zuungunsten der steuerpflichtigen Person auswirkt.“ (BIGLER CORINNA, a.a.O., S. 196)
- Mit dem Nachsteuerverfahren zusammenhängende Tatsachen wie Gewinnungskosten:
- Die Frage, ob im Nachsteuerverfahren auch neu bzw. erstmals vorgebrachte steuermindernde Tatsachen zu berücksichtigen sind, ist differenziert zu beurteilen:
- Verfahrensordnung Nachsteuer-/Steuerhinterziehungsverfahren
- Tatbestand des Steuerbetrugs
- Beurteilung durch die Strafgerichte
- Tatbestand der Steuerhinterziehung
- Die Nachsteuer- und Steuerhinterziehungsverfahren fallen aufgrund der Untersuch durch die Steuerbehörden in die Verwaltungsgerichtsbarkeit
- Zu beachten:
- Anspruch des Steuerpflichtigen auf Verhandlung
- Mitwirkungspflicht, aber kein Selbstbelastungszwang
- Tatbestand des Steuerbetrugs
- Verjährung
- Absolute Verjährung der Festsetzungsverjährung: 15 Jahre
- Rechtsmittelweg
- Materielles Recht
- Neue Tatsache?
- Viele Steuerpflichtige machen im Gerichtsverfahren geltend, die Vorbringen der Steuerbehörden würden keine neuen Tatsachen enthalten, weil die Behörde bei gehöriger Untersuchung bereits im Veranlagungsverfahren hätte von der Tatsache Kenntnis erhalten können; angerufen werden damit:
- Untersuchungsmaxime
- Unterlassene gründlichere Prüfung
- Relevant sind:
- Die Angaben in der Steuererklärung;
- die Akten, die von den Steuerbehörden durchzusehen waren.
- Massgebend für die Zuordnung von Deklaration bzw. Prüfung von Amtes wegen ist letztlich der individuell konkrete Einzelfall
- Viele Steuerpflichtige machen im Gerichtsverfahren geltend, die Vorbringen der Steuerbehörden würden keine neuen Tatsachen enthalten, weil die Behörde bei gehöriger Untersuchung bereits im Veranlagungsverfahren hätte von der Tatsache Kenntnis erhalten können; angerufen werden damit:
- Bewertung?
- „Wegen ungenügender Bewertung allein kann keine Nachsteuer erhoben werden.“ (StHG 53 Abs. 1 Satz 2; vgl. auch DBG 151 Abs. 2)
- Viele Steuerpflichtige berufen sich, um der Nachbesteuerung zu entgehen, auf die Gesetzesbestimmung von StHG 53 Abs. 1.
- Dort wo eine Buchführung Deklarationsgrundlage bildet, stellt die Rechtsprechung darauf ab und verneint die Anwendung von DBG 151 Abs. 2 (vgl. BGer 2C_3/2009 vom 04.08.2009)
- Verjährung
- Die Verjährungsfrist der vollendeten Steuerhinterziehung beträgt 10 Jahre, berechnet ab Ablauf der Steuerperiode, für welche der Steuerpflichtige nicht oder unvollständig veranlagt wurde.
- Neue Tatsache?
- Verfahrensrecht
- Im Falle der Weiterziehung von Nachsteuer- und Steuerhinterziehungsverfahren ans Gericht, gilt es zu beachten:
Beim Nachsteuerverfahren finden die gleichen Verfahrensvorschriften wie bei der früheren Verfügung sinngemäss Anwendung (vgl. DBG 153 Abs. 3).
Literatur
- Allgemein
- MÄUSLI-ALLENSPACH PETER / OERTLI MATHIAS, Das Schweizerische Steuerrecht – Ein Grundriss mit Beispielen, 8. aktualisierte und überarbeitete Auflage, Muri b. Bern 2015, S. 317 f.
- MEIER SIRGIT, Fallstricke im Steuerverfahren, in: ZBJV 158 (2022), S. 561
- REICH, Steuerrecht, S. 562 ff.
- ZWEIFEL / ATHANAS, Kommentar DBG, Art. 147 – Art. 153 DBG (VALLENDER / LOOSER)
- ZWEIFEL / ATHANAS, Kommentar StHG, Art. 51 – 53 StHG (VALLENDER)
- Verfahrensrecht vor Gericht
- BLÖCHLIGER ROMAN, Neue Tatsachen im Nach- und Strafsteuerverfahren, Teil I, StR 2011, 44 ff.
- LOCHER PETER, Kommentar zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, III, Basel 2017
- BIGLER CORINNA, Das Nachsteuerverfahren vor Gericht – Aktualitäten aus der zürcherischen und bundesgerichtlichen Rechtsprechung, in: SteuerRevue 3/2022, S. 194 ff.
- ZWEIFEL MARTIN / CASANOVA HUGO / BEUSCH MICHAEL / HUNZIKER SILVIA, Schweizerisches Steuerverfahrensrecht, Direkte Steuern, 2. Auflage, Zürich 2018, § 26 Rz 39
Judikatur
- VGer ZH, 30.09.2009 (SR 2009.00003, Erw. 3.1 = StR 2010, 308
- BGE 144 II 359. Erw. 4.5
- VGer ZH, 31.03.2020, SR.2020.00030, Erw. 4.2
- BGer 2C_3/2009 vom 04.08.2009
- BGer 2C_868/202 vom 25.08.2021
- VGer ZH, 15.12.2021, SR.2021.00015, Erw. 4.2.3 + Erw. 4.4
- VGer ZH, 21.04.2021, SR.2021.0001, Erw. 3.3