Die Veranlagungsbehörde darf auf eine unangefochten gebliebene Veranlagungsverfügung während der laufenden Rechtsmittelfrist zurückkommen, ohne dass die nach Eintritt der Rechtskraft erforderlichen Voraussetzungen für eine Revision oder Berichtigung erfüllt sein müssen (vgl. BGer 2C_596/2012).
Der Widerruf betrifft somit ein erneutes Tätigwerden der Veranlagungsbehörde in einem abgeschlossenen Verfahren.
Während laufender Rechtsmittelfrist kann die Veranlagungsbehörde die eröffnete Veranlagungsverfügung
- widerrufen oder
- eine Einsprache zu den Kantonssteuern bzw. Beschwerde zu den Bundessteuern nach DBG 141 erheben.
Die Veranlagungsbehörde dürfte von beiden Möglichkeiten Gebrauch machen.
Der Widerruf ist das (praktische) Mittel der Veranlagungsbehörde, auf eine fehlerhafte Verfügung zurückzukommen:
- Ist der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten durch Einreichung einer korrekten und vollständigen Steuererklärung nachgekommen und veranlagte die Behörde trotzdessen fehlerhaft, kann der Fehler behoben werden, ohne dass der steuerpflichtigen Person weiterer Aufwand entsteht.
- Mit dem Widerruf der Veranlagungsverfügung wird die Situation vor Verfügungserlass hergestellt.
- Anschliessend erlässt die Veranlagungsbehörde eine korrigierte Veranlagungsverfügung, welche an die Stelle der widerrufenen tritt.
Dem Steuerpflichtigen stehen offen:
- Das Rechtsmittel gegen den Widerruf der Verfügung;
- Das (ordentliche) Rechtsmittel gegen die korrigierte (neue) Verfügung.
Literatur
- ZWEIFEL / CASANOVA / BEUSCH / HUNZIKER, Schweizerisches Steuerverfahrensrecht, 2. Auflage, 2018, § 26, Rz 2 mit Hinweisen
- MEIER SIRGIT, Fallstricke im Steuerverfahren, in: ZBJV 158 (2022), S. 552 f. (Widerruf von Verfügungen)
Judikatur
- BGer 2C_596/2012 vom 19.03.2013