Zur Annahmeverweigerung ist folgendes zu bemerken:
Aktive Annahmeverweigerung
Die Aktive Annahmeverweigerung wird durch nachbezeichnete Aspekte geprägt:
- Definition
- Aktive Annahmeverweigerung = Verweigerung der Entgegennahme einer angebotenen Sendung, um die Zustellung zu verunmöglichen
- Abgrenzungen
- Blosse Verzögerung der Zustellung einer Verfügung
- Nachträgliche Negierung einer Zustellung (zB Bestreitung der Wirksamkeit)
- Gegenstand
- Verhinderung des ordentlichen Verfahrensverlaufs
- Verunmöglichung des Erklärungsaustauschs im Verfahren
- Voraussetzungen für die Annahme einer Zustellfiktion
- Treuwidrigkeit der Annahmeverweigerung (Ungerechtfertigte Annahmeverweigerung)
- Fehlende Voraussetzungen
- Mangel der behördlichen Zustellung
- Behördenzustellung wider Treu und Glauben
- Neutraler Briefumschlag der Behörde ohne Absenderangabe (Verweigerung der Briefentgegennahme kein treuwidriges Verhalten)
- Behördliche Mitteilung, deren Übergabe mit einer Bedingung, einer Leistungs- oder Handlungspflicht verbunden ist (zB Bezahlung von Gebühren oder Zustellkosten, weil so die verfahrensrechtlichen Ansprüche bezüglich der Bedingung nicht wahrgenommen werden können)
- Mangel der behördlichen Zustellung
- Fehlende Voraussetzungen
- Beweis der aktiven Annahmeverweigerung
- Für die Geltendmachung einer Zustellungsfiktion gestützt auf eine aktive Annahmeverweigerung, obliegt die Beweislast und das Risiko der Beweislosigkeit der Behörde
- Zeitpunkt
- Es wird angenommen, dass die Wirkung einer Zustellungsfiktion am Tag nach der aktiven Annahmeverweigerung eintritt und wirksam wird (analog ZPO 138 Abs. 3 lit. b; StPO 85 Abs. 4 lit. b).
- Keine gültige Zustellungsfiktion liegt vor, wenn die Annahmeverweigerung von ein unberechtigten Person ausgegangen ist.
- Treuwidrigkeit der Annahmeverweigerung (Ungerechtfertigte Annahmeverweigerung)
Nichtabholung der Sendung bei der Post
Im Falle der Nichtabholung droht eine sog. Zustellungsfiktion:
- Definition
- Nichtabholung = Unterbliebene Abholung eines Schreibens bei der Poststelle, welche unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Zustellungsfiktion führt
- Abgrenzungen
- Kürzere Zustellverzögerung (keine Pflichtverletzung mit Zustellungsfiktion)
- Voraussetzungen
- Erfolgloser Zustellversuch
- Notwendigkeit eines erfolglosen Zustellversuchs
- Besondere Zustellverhältnisse
- Postfach
- Postrückbehalt und Zustellvereinbarung
- Postlageradresse
- Nachsendung
- Hinterlage einer Abholungseinladung beim Adressaten
- bei gescheitertem Zustellversuch
- Beweis der tatsächlichen Hinterlegung einer Abholungseinladung
- Verlässliche Hinterlegungsbestätigung
- Möglichkeit zur Widerlegung der natürlichen Vermutung
- Vermutung des hohen Masses an Verlässlichkeit des geltenden Zustellsystems eingeschriebener Sendungen
- Bei der Widerlegung der Vermutung sollten keine überhöhten Anforderungen an die Vorbringen des Adressaten gestellt werden
- Ablauf der 7-tägigen Abholfrist bei der Poststelle
- Voraussetzungen
- Notwendigkeit der Ansetzung einer Abholfrist (7 Tage)
- Einheitlichkeit der Ansetzung einer Abholfrist (7 Tage)
- Fristenhandhabung
- Ablauf der siebentägigen Frist in der darauffolgenden Woche am gleichen Tag an dem der erfolglose Zustellversuch stattgefunden hat
- Die genaue Uhrzeit ist dabei nicht erheblich.
- Voraussetzungen
- Zustellungswahrscheinlichkeit
- Der Adressat muss mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit der Zustellung einer Verfügung rechnen
- Kenntnis der Existenz eines (Steuer-)Verfahrensverhältnisses
- Relevante Zeitspanne der letzten Verfahrenshandlung
- Der Adressat muss mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit der Zustellung einer Verfügung rechnen
- Zeitpunkt des Wirkungs-Eintritts der Zustellungsfiktion
- Wurden vom Versender alle Voraussetzungen erfüllt, ist gestützt auf VwVG 20 Abs. 2bis anzunehmen, dass die die Zustellungsfiktion unmittelbar mit dem Ablauf der siebentägigen Frist eintritt.
- Als Zustellungstag gilt mithin der siebte Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuchs.
- Vgl. GREGOR GASSMANN, a.a.O., S. 118.
- Erfolgloser Zustellversuch
Literatur
- GASSMANN GREGOR, Die Zustellung von Verfügungen im eidgenössischen Steuerrecht, Zürich / Genf 2024, S. 87 ff.
- ZWEIFEL / CASANOVA / BEUSCH / HUNZIKER, Schweizerisches Steuerverfahrensrecht, 2. Auflage, 2018, § 8, Rz 11 ff. mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (Zustellfiktion bei postlagernden Sendungen)
- MEIER SIRGIT, Fallstricke im Steuerverfahren, in: ZBJV 158 (2022), S. 551 (Themenkreis A-Post Plus)
Judikatur
- Aktive Annahmeverweigerung
- BGer 6B_1236/2014 vom 30.01.2015, Erw. 1
- Nichtabholung der Sendung bei der Post
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