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Gesellschaftsrecht / Strafrecht / Wirtschaft

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Initiative «Gegen die Abzockerei» angenommen

Datum:
28.06.2012
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Gesellschaftsrecht, Strafrecht, Wirtschaft
Stichworte:
Abzocker-Initiative, Abzockerinitiative, Aktienrechtsrevision, Aktionärsdemokratie, Eidgenössische Volksinitiative
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

(letztes Update: 23. Mai 2013)

«Abzocker-Initiative» mit 68% angenommen

Am 3. März 2013 wurde die «Abzocker-Initiative» von Thomas Minder mit 67,9% an der Urne deutlich angenommen. Die Initiative wurde in keinem einzigen Kanton abgelehnt; am deutlichsten fiel die Zustimmung der Stimmberechtigten in den Kantonen Jura und Schaffhausen aus. Auch in Neuenburg, im Tessin, im Thurgau, in Freiburg, Bern und Zürich erreichte die Vorlage über 70% Ja-Stimmen.

Die Vorlage kam ohne direkten Gegenvorschlag zur Abstimmung. Der direkte Gegenvorschlag einer Bonussteuer scheiterte am 15. Juni im Parlament – teilweise scheinen sich die Nationalräte von der Versenkung der Bonussteuer einen Rückzug der Abzocker-Initiative erhofft zu haben. Das Initiativ-Komitee beschloss im Juni 2012  jedoch, ihr Volksbegehren nicht zurückzuziehen und die Vorlage vors Volk zu bringen.

Indirekter Gegenvorschlag des Parlaments zur «Abzocker-Initiative»

Ein Rückzug der Volksinitiative «gegen die Abzockerei» hätte den Weg frei gemacht für den indirekten Gegenvorschlag: Der Bundesrat hatte bereits Ende 2008 beschlossen, die laufende Revision des Aktienrechts in einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative von Thomas Minder umzuformen. Die Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts soll unter anderem die Corporate Governance verbessern und die Bestimmungen über die Generalversammlung modernisieren.

Artikel zum Thema Aktionärsrechte und Corporate Governance)

Der indirekte Gegenvorschlag wäre bei einem Rückzug der Initiative sofort in Kraft getreten. In den Augen des Initiativ-Komitees genügte dieser indirekten Gegenvorschlag jedoch nicht, da in der Aktienrechtsrevision nur ein Teil der Forderungen der «Abzocker-Initiative» aufgenommen wurden:

«Die pendente Revision des Aktienrechts stoppt die Abzockerei auf Stufe Verwaltungsrat (VR) / Geschäftsleitung (GL) / Beirat nicht. Auch die Offenlegungspflicht der Vergütungen des VR (einzeln) und der GL (Gesamtsumme sowie die höchste Vergütung), welche am 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist, löst das Problem der Abzockerei auf der Führungsetage nicht.»

Wie die NZZ am 28. Juni 2012 berichtete, beurteilte das Initiativkomitee einen Rückzug der Initiative bereits aus demokratiepolitischen Gründen für falsch: «Bundesbern wäre so belohnt und ermuntert worden, sich von unliebsamen Volksbegehren durch jahrelanges Schubladisieren und Aussitzen entledigen zu können.» Hunderte von E-Mails aus der Bevölkerung hätten Minder dazu ermutigt, die Initiative zur Abstimmung zu bringen.

Deutliches Signal des Stimmvolkes an Bundesrat und Parlament

Der Bundesrat gab am 18. Dezember 2012 in einer Medienmitteilung bekannt, er unterstütze den indirekten Gegenvorschlag des Parlaments: Dieser sei im Vergleich zur Volksinitiative praxistauglich und sorge eher für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Aktionären, Verwaltungsrat und Geschäftsleitung. Die Abzocker-Initiative schiesse «über das Ziel hinaus». Zwar teile der Bundesrat die Anliegen der Initiative grundsätzlich, die vorgesehenen Massnahmen würden jedoch zu weit gehen oder gar kontraproduktiv sein.

Das Stimmvolk liess sich von den Argumenten des Bundesrates und der Gegner der Initiative jedoch kaum beeindrucken. Mit der Zustimmung von 68% erreichte die «Abzocker-Initiative» gar die dritthöchste Zustimmungsquote, die je bei einer Volksinitiative gezählt wurde.

Thomas Minder sagte am Sonntag nach der Abstimmung, die Annahme der Initiative sei ein «gewaltiges Signal» des Volkes sowohl an die Verwaltungsräte der Unternehmen als auch an Bundesbern. Nach der Annahme der Vorlage beginnt nun das politische Ringen um die Umsetzung. Minder sagte in Anspielung auf das fünf Jahre dauernde Hin und Her um seine Initiative, es sei ja bekannt, wie zerstritten das Parlament in dieser Angelegenheit sei. Minder sagte weiter, bei der Umsetzung der Initiative gehe es auch darum, die guten Elemente des indirekten Gegenvorschlages im Rahmen der laufenden Aktienrechtsrevision aufzunehmen.

Nach der überaus deutlichen Annahme der «Abzocker-Initiative» sind sich die Parteien einig, dass das Volksbegehren nun schnell umgesetzt werden müsse, und sich die Umsetzung nah an den Wortlaut der Initiative halten müsse. Gerade, da das Abstimmungsresultat auch eine klare Botschaft ans Parlament zu sein scheint, welches die Abstimmung mit endlosen Debatten und politischem Taktieren um Jahre hinausgezögert hat.

» Wortlaut der «Abzocker-Initiative»

Umsetzung der Initiative gegen die Abzockerei

Nach Annahme der Initiative gab der Bundesrat bekannt, wie die rechtliche Umsetzung der Initiative vonstatten gehen soll. Justizministerin Simonetta Sommaruga sagte, der Bundesrat verstehe den grossen Unmut der Bevölkerung gegen Lohnexzesse in der Wirtschaft. Die Annahme der Initiative sei einerseits ein klares Zeichen an die Wirtschaft gegen die Masslosigkeit, andererseits auch an die Politik, den Verfassungsartikel ohne Wenn und Aber umzusetzen. Die NZZ schrieb am 3. März 2013 zum geplanten Vorgehen bei der Umsetzung der Initiative:

«Der neue Artikel 95 Absatz 3 der Bundesverfassung mit seinen 24 Forderungen an börsenkotierte Schweizer Unternehmen ist nicht direkt anwendbar. Er muss durch Ausführungsbestimmungen konkretisiert werden, um Wirkung zu entfalten. In den Übergangsbestimmungen ist dafür ein zweistufiges Vorgehen vorgesehen: Zunächst muss der Bundesrat innerhalb eines Jahres seit Annahme der Initiative Regelungen für die Umsetzung erlassen; dies tut er mittels einer Verordnung. Diese Regelungen gelten so lange, bis sich das Parlament auf die gesetzliche Konkretisierung des neuen Verfassungsartikels geeinigt hat und diese in Kraft tritt. – Sommaruga liess offen, ob der Bundesrat die Frist bis zum März 2014 ausschöpfen oder die Verordnung schon früher verabschieden werde. Die Frist von einem Jahr sei jedenfalls ’sportlich›, meinte sie. Wie bei wichtigen Bundesratsverordnungen üblich, werde man auch bei dieser eine Anhörung durchführen. Der Bundesrat werde sich bei der Umsetzung eng an den Wortlaut der Initiative halten, auch punkto Strafbestimmungen. Weitere Punkte würden nicht aufgenommen. Im zweiten Schritt, bei der anschliessenden Umsetzung durch das Parlament, könne man allenfalls über den Einbezug weiterer Vorschläge diskutieren, die auch von den Initianten befürwortet würden.»

Bundesrat will Konkurrenzverbote mit Sonderzahlungen nicht verbieten

Nach Annahme der Abzocker-Initiative ist unklar, ob Konkurrenzverbote mit Entschädigung bzw. Sonderzahlung weiterhin erlaubt bleiben. Beispiel ist die umstrittene und mittlerweile aufgelöste Vereinbarung der Novartis mit Daniel Vasella über eine Zahlung von 72 Mio. CHF, damit dieser nach seinem Abgang als Verwaltungsratspräsident nicht zur Konkurrenz wechselt.

Eine Motion des Zürcher Nationalrates Daniel Vischer forderte vom Bundesrat, Sonderzahlungen dieser Art klar zu verbieten. Der Bundesrat ist jedoch der Ansicht, Konkurrenzverbote könnten gerechtfertigt sein und es sei verständlich, dass diese auch entschädigt würden. Es sei jedoch wichtig, im Einzelfall genau hinzuschauen, da es sich bei einem vergüteten Konkurrenzverbot auch um eine verdeckte Abgangsentschädigung handeln könne. Dabei sei der Inhalt entscheidend, und nicht die Bezeichnung als Abgangsentschädigung oder Konkurrenzverbot mit Entschädigung.

Umstrittene Strafbestimmungen

Besonders intensiv wurden im Vorfeld der Abstimmung die Unterschiede zwischen Initiative und indirektem Gegenvorschlag hinsichtlich der Strafbestimmungen diskutiert: Widerhandlungen gegen die Bestimmungen der Initiative sollen mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe und Geldstrafen bis zu sechs Jahresvergütungen bestraft werden. Im Unterschied dazu enthält der indirekte Gegenvorschlag keine Strafbestimmungen. Eine Veröffentlichung der Universität St. Gallen von Dr. Häusermann kam zum Schluss, dass dieser Unterschied kaum von Bedeutung sei, da der indirekte Gegenvorschlag in vielen Fällen ähnliche strafrechtliche Konsequenzen hätte:

«Der Autor kommt zum Schluss, dass viele Verstösse gegen die neuen aktienrechtlichen Regeln als qualifizierte ungetreue Geschäftsbesorgung nach Art. 158 StGB strafbar wären. Darüber hinaus müsste der Gesetzgeber bestimmte Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Durchführung der Generalversammlung und der Stimmrechtsausübung durch Vorsorgeeinrichtungen unter Strafe stellen. Die Verhältnismässigkeit gebietet es, diese Tatbestände als Übertretungen auszugestalten.»

So wird beispielsweise der Straftatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung mit der Absicht, sich oder andere zu bereichern, bereits heute mit Freiheitsstrafen von einem bis fünf Jahren bestraft – in diesem Fall ist die angedrohte Freiheitsstrafe heute höher als von der Initiative vorgesehen. Im Gegenzug könnten Geldstrafen bei Annahme der Initiative höher ausfallen als nach heutigem Strafmass. Dr. Häusermann wies darauf hin, dass auch bei Annahme der Abzocker-Initiative die Strafen im Einzelfall verhältnismässig sein müssten. Der Rechtsanwalt hatte zudem bereits in einer früheren Veröffentlichung die Position vertreten, die Auslegung des Initiativtextes würde dem Gesetzgeber bei der Umsetzung grossen Spielraum lassen.

Wortlaut der Eidg. Volksinitiative «gegen die Abzockerei»

24 Forderungen der «Abzocker-Initiative»

Die Volksinitiative «Gegen die Abzockerei» von Thomas Minder möchte für börsenkotierte Unternehmen folgende Massnahmen gesetzliche verankern, um eine nachhaltige Unternehmensführung zu gewährleisten und die Aktionäre zu schützen:

  1. Abstimmung der GV über die Gesamtsumme aller Vergütungen des Verwaltungsrates
  2. Abstimmung der GV über die Gesamtsumme aller Vergütungen der Geschäftsleitung
  3. Abstimmung der GV über die Gesamtsumme aller Vergütungen des Beirates
  4. Jährliche Einzelwahl der Mitglieder des Verwaltungsrates
  5. Jährliche Wahl des Verwaltungsratspräsidenten
  6. Jährliche Einzelwahl der Mitglieder des Vergütungsausschusses
  7. Jährliche Wahl des unabhängigen Stimmrechtsvertreters
  8. Keine Organstimmrechtsvertretung
  9. Keine Depotstimmrechtsvertretung
  10. Elektronische Fernabstimmung
  11. Stimmzwang der Pensionskassen im Interesse ihrer Versicherten
  12. Transparenz der Pensionskassen: Offenlegung, wie sie gestimmt haben
  13. Statuten: Erfolgs- und Beteiligungspläne der VR- und GL-Mitglieder
  14. Statuten: Anzahl externer Mandate der VR- und GL-Mitglieder
  15. Statuten: Höhe der Renten der VR- und GL-Mitglieder
  16. Statuten: Höhe der Kredite der VR- und GL-Mitglieder
  17. Statuten: Höhe der Darlehen der VR- und GL-Mitglieder
  18. Statuten: Dauer der Arbeitsverträge der GL-Mitglieder
  19. Keine Abgangs- oder andere Entschädigungen an VR- und GL-Mitglieder beim Austritt
  20. Keine Vorauszahlungen an VR- und GL-Mitglieder
  21. Keine Prämien bei Firmenkäufen und -verkäufen an VR- und GL-Mitglieder
  22. Keine Mehrfach-Arbeitsverträge für VR- und GL-Mitglieder
  23. Keine Delegation der Gesellschaftsführung an eine andere Firma
  24. Strafbestimmung: Freiheitsstrafe (bis 3 Jahre) und Geldstrafe (bis 6 Jahresvergütungen)

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