LAWNEWS

Geschäftsraummiete / Ladenmiete

QR Code

Nachbarlärm: Schadenersatz für Hotelaufenthalt

Datum:
09.01.2019
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Geschäftsraummiete / Ladenmiete
Stichworte:
Lärm, Miete, Mietrecht, Mietzinsreduktion, Nachbarn, Schadenersatz
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

OR 259e

Sachverhalt

Grundsachverhalt

Die Mieterin bewohnte seit 1995 eine Zweizimmerwohnung in Lausanne und bezahlte hiefür einen Mietzins von monatlich netto Fr. 775.–. Ab 2014 ergab sich folgendes:

  • Schriftliche Mangelmitteilung an die Verwaltung
    • der Mieterin selber
      • Briefe vom 28.03.2014 und 01.11.2014
      • Lärm «gewisser Nachbarn», welche den Schlaf stören würden
    • Der Nachbarin und Freundin
      • Brief vom 25.11.2014 mit Schilderungen der Lärmstörungen:
        • Zu verschiedenen Nachtzeiten werde die Mieterin zuweilen 3 bis 4 Mal pro Nacht durch starkes Klopfen aus der Nachbarwohnung geweckt
        • Die Nachbarn verschöben in der Nacht Möbel und führten Arbeiten aus, die mit Lärm verbunden wären
        • Die Mieterin sei dem Mobbing eines Mieterclans ausgesetzt und inzwischen am Ende ihrer Kräfte
  • Keine Reaktion der Liegenschaftenverwaltung
  • Mieterin in 5 Sterne-Hotel in Vevey
    • Die Zeit vom 27.11.2014 bis April 2015 (insgesamt 73 Nächte) verbrachte die Mieterin in einem 5-Sterne Hotel in Vevey
  • Psychiater-Konsultation
    • Die Mieterin suchte am 01.12.2014 einen Psychiater auf, der schwere Schlafstörungen, einen Erschöpfungszustand und Angstzustände feststellte und der Mieterin riet, auswärts zu schlafen, um sich wieder zu regenerieren
    • In den weiteren Arztberichten vom 30.01.2015 und 07.04.2015 dokumentierte der Psychiater, dass die Hotelnächte zur Erholung der der Mieterin beitrugen
  • Mietzinshinterlegung
    • Nach erfolgloser Fristansetzung für die Mängelbehebung hinterlegte die Mieterin den Mietzins
  • Klage auf Mietzinsreduktion und Mängelbehebung
    • Ausserdem klagte die Mieterin auf Mietzinsreduktion und Mängelbehebung
  • Schadenersatzklage
    • Schliesslich verklagte die Mieterin den Vermieter auf Schadenersatz für die entstandenen Hotelkosten im Gesamtbetrag von CHF 21’865.50
    • Die Mieterin hatte im Umfang des Schadensbetrages ein Darlehen bei ihrer Schwester aufnehmen müssen.

Prozess-History

Mietgericht

Das Mietgericht entschied folgendermassen:

  • Verpflichtung des Vermieters zur Mängelbehebung
  • Zulassung der beantragten Mietzinsreduktion von CHF 2’247.50
  • Abweisung der Schadenersatzklage für die Hotelkosten mangels Kausalzusammenhangs.

Vorinstanz

Das kantonale Gericht hiess die Berufung gegen diesen Entscheid teilweise gut:

  • Zusprechung von Schadenersatz über CHF 11’183.60 an die Mieterin
  • Reduktion der Hotelkosten auf ein statistisches Mittel für 73 Hotelübernachtungen.

Anrufung des Bundesgerichts

Der Vermieter gelangte ans Schweizerische Bundesgericht. Vor Bundesgericht war nur noch die Schadenersatzforderung strittig.

Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht wies daraufhin, dass OR 259e eine besondere Ausgestaltung der vertraglichen Haftung nach den allgemeinen Regeln von OR 97ff. sei und diese Haftung setze einen Mangel sowie einen Vermögensschaden voraus, die durch einen Kausalzusammenhang verbunden sein müssten, was in casu bedeute, dass die Hotelkosten ohne die Nachtruhestörung der Nachbarn nicht entstanden wären. Diese drei Voraussetzungen musste die Mieterin beweisen:

  • Beweis mit Zeugenaussagen und ärztlichen Attesten (erfüllt)
    • Werde ein Mensch jede Nacht mehrmals geweckt, sei dies nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet, einen allgemeinen Erschöpfungszustand herbeizuführen
  • Exkulpation durch den Vermieter?
    • Der Vermieter kann sich unter diesen Voraussetzungen von der Schadenersatzpflicht nur noch befreien, wenn er nachweist, dass ihn kein Verschulden am Mangel treffe
    • Der Vermieter musste sich als Verschulden anrechnen lassen, dass er auf die Mängelrügen der Mieterin nicht reagierte und den Mangel behob bzw. die Lärmimmissionen der Nachbarn abstellte
  • Ausreichende Mängelrüge der Mieterin?
    • Für Mietzinsreduktion
      • Die Rüge der Mieterin vom 28.03.2014 reichte aus, um die Mietzinsreduktion ab diesem Datum zu begründen
    • Für Schadendersatz?
      • Dem Vermieter konnte ein Verschulden aus seiner Untätigkeit erst ab jenem Zeitpunkt vorgeworfen werden, als er die Schwere des Mangels, der den Zusammenhang zur Schadenersatzforderung herstellte, erkennen konnte; dies waren die regelmässigen Störungen, welche die Mieterin mehrmals in der Nacht aufweckten
        • Diese Information erfolgte erst mit Brief vom 25.11.2014
        • Die Mieterin teilte zudem erst mit Brief vom 5.12.2014 mit, dass sie sich Schadenersatzforderungen für ihre Hotelübernachtungen vorbehalte, falls der Mangel nicht bis 25.01.2015 behoben werde
      • Daher gelangte das Bundesgericht zur Auffassung, eine Haftung des Vermieters für die Hotelkosten bestünde erst ab dem 25.01.2015

Das Bundesgericht reduzierte daher die Entschädigung der Hotelkosten auf CHF 7’353.60.

Zusammenfassung

Regelmässige Nachruhestörungen durch Nachbarn gelten als Mangel.

Eine Mietzinsreduktion kann indessen erst ab Kenntnis dieses Mangels durch den Vermieter verlangt werden.

Für eine Schadenersatzforderung genügt – anders als bei der Mietzinsreduktion – die blosse Anzeige des Mangels ohne detaillierte Sachverhaltsschilderung an den Vermieter nicht. Weiter müssen die Schadenersatzvoraussetzungen (Schaden, Kausalzusammenhang zwischen Schaden und schädigender Handlung, widerrechtliches Verhalten, Verschulden des Schädigers) gegeben sein, wobei in concreto auf folgendes hingewiesen wurde:

  • Schadenersatzpflicht des Vermieters, wenn zwischen einem in der Folge eintretenden Schaden und dem Mangel ein Kausalzusammenhang besteht, sofern und soweit der Vermieter nicht nachweist, dass ihn kein Verschulden treffe
  • Ein Verschulden liegt bei Fortdauer des Mangels infolge Untätigkeit des Vermieters vor.

Quelle

BGer 4A_32/2018 vom 11.07.2018

Vorbehalt / Disclaimer

Diese allgemeine Information erfolgt ohne jede Gewähr und ersetzt eine Individualberatung im konkreten Einzelfall nicht. Jede Handlung, die der Leser bzw. Nutzer aufgrund der vorstehenden allgemeinen Information vornimmt, geschieht von ihm ausschliesslich in eigenem Namen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko.

Urheber- und Verlagsrechte

Alle in dieser Web-Information veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Das gilt auch für die veröffentlichten Gerichtsentscheide und Leitsätze, soweit sie von den Autoren oder den Redaktoren erarbeitet oder redigiert worden sind. Der Rechtschutz gilt auch gegenüber Datenbanken und ähnlichen Einrichtungen. Kein Teil dieser Web-Information darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – sämtliche technische und digitale Verfahren – reproduziert werden.