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Arbeitsrecht

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Arbeitsplatz ohne Tageslicht

Datum:
29.07.2020
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht
Stichworte:
Gesundheitsschutz
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

ArGV3 Art. 15 + Anhang zu ArGV3 Art. 15 – Gesuch um Ausnahmebewilligung

Bildquelle: Licht und Beleuchtung | seco.admin.ch

Einleitung

Es ist bekannt, dass das Licht nicht nur das Sehen selbst, sondern auch weiteres beeinflusst, nämlich:

  • Aktivität
    • zB Tätigkeitsdrang
    • zB Betriebsamkeit
    • zB Unternehmungsgeist
  • physiologische Vorgänge
    • zB Stoffwechsel
    • zB Kreislauf
    • zB Hormonhaushalt) und
  • Psyche.

Zu diesem Themenkreis hat sich das Bundesgericht im Zusammenhang mit einem Küchenchef-Arbeitsplatz in gefangenem, fensterlosen Raum äussern müssen.

Sachverhalt

Die A.________ mit Sitz in U.________ (Solothurn) beantragte am 04.10.2018 für das Restaurant «B.________» eine Ausnahmebewilligung für einen ständigen Arbeitsplatz ohne Sicht ins Freie.

Das Gesuch wurde im Wesentlichen damit begründet, dass

  • der Gesundheitsschutz des Küchenchefs des Restaurants, der in der Küche des fensterlosen Untergeschosses arbeite, gewährleistet sei, und
  • der Einbau eines Fensters mit Sicht ins Freie im Untergeschoss einen erheblichen baulichen Aufwand erfordern würde.

Prozess-History

  • Abweisung des Gesuchs um Ausnahmebewilligung
    • Mit Verfügung vom 14.11.2018 wies das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn das Gesuch ab
    • Es teilte der A.________ mit, dass im Untergeschoss mindestens ein Fenster mit einer Fläche von einem Quadratmeter eingebaut werden müsse, das sich zwar nicht unmittelbar beim Arbeitsplatz befinde, der betroffene Arbeitnehmende aber für einen gelegentlichen Blick in die Aussenwelt aufsuchen könne (sog. Kontaktfenster)
    • Sodann würde ein Böschungswinkel von max. 45 Grad akzeptiert, sofern der entstehende Lichthof eine Absturzsicherung erhalte
    • Dabei sei das Fenster als Notausstieg auszubilden.
  • Abweisung der Beschwerde durch das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn
    • Eine gegen diese Verfügung erhobene Verwaltungsbeschwerde wies das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 12.03.2019 ab
    • Ebenso blieb die Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn ohne Erfolg (Urteil vom 07.11.2019)
  • Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht
    • Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 11.10.2019 gelangt die A.________ an das Bundesgericht
      • Sie beantragte die Aufhebung des Urteils vom 07.11.2019
      • Es sei dem Antrag vom 04.10.2018 auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung für einen ständigen Arbeitsplatz ohne Sicht ins Freie und ohne Tageslicht stattzugeben
      • Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz (VI) zur Neubeurteilung des Antrags vom 04.10.2018 mit der Auflage zurückzuweisen, der Ausnahmebewilligung stattzugeben
        • Allenfalls hätte die VI prüfen müssen, ob das Kontaktfenster im Erdgeschoss hinreichend und die gesetzlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes anderweitig erfüllt seien, oder die Vorinstanz habe das Beweisverfahren zu wiederholen und eine Verhältnismässigkeitsprüfung durchzuführen
      • Die VI und das Volkswirtschaftsdepartement beantragten, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werde können
      • Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und das Amt für Wirtschaft und Arbeit liess sich nicht vernehmen.

Erwägungen

Aus den Erwägungen des Bundesgerichts ergab sich, dass die VI keine rechtsgenügende Verhältnismässigkeitsprüfung vorgenommen und die hierfür erforderlichen tatsächlichen Verhältnisse zum Arbeitsablauf des Küchenchefs nicht festgestellt hatte:

  • Die VI konnte daher nicht beurteilen, ob gleich oder besser geeignete sowie mildere Massnahmen zur Verfügung stünden als der Einbau eines Kontaktfensters
  • Im Rahmen einer Neubeurteilung hat die VI zu prüfen, ob mit baulichen und organisatorischen Kompensationsmassnahmen oder einer Kombination von kompensatorischen Massnahmen den Anforderungen des Gesundheitsschutzes ausreichend Nachachtung verschafft werden kann
  • Im Falle der Anordnung von anderen baulichen und organisatorische Massnahmen zur Sicherstellung der Anforderungen des Gesundheitsschutzes dürfte eine entsprechende Ausnahmebewilligung (vgl. ArGV 15 Abs. 3 i.V.m. ArGV 3 Art. 39 Abs. 1) nicht anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften (zB Notausstieg) entgegenstehen.

Im Ergebnis erwies sich die Beschwerde mit Blick auf den Eventualantrag als begründet, weshalb sie gutzuheissen war.

Entscheid

  1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 7. November 2019 wird aufgehoben.
  2. Die Angelegenheit wird zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen und Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn zurückgewiesen.
  3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
  4. Der Kanton Solothurn hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 4’000.– zu entschädigen.
  5. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Wirtschaft SECO schriftlich mitgeteilt.

Quelle

BGer 2C_1044/2019 vom 18.05.2020

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