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Steuern / Tax

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Solidarische Mithaftung des Sachwalters / Liquidators?

Datum:
02.08.2021
Rechtsgebiet:
Steuern / Tax
Stichworte:
Liquidation, Mehrwertsteuern, MWST, Nachlassverfahren
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

aMWSTG 32 Abs. 1 lit. c + aMWSTG 32 Abs. 3 /
nMWSTG MWSTG 15 Abs. 1 lit. e + nMWSTG 15 Abs. 2

Sachverhalt

Die B.________ AG (nachfolgend: die Gruppenträgerin) wirkte vom 1. Januar 1995 bis zum 24. September 2010, als über sie der Konkurs eröffnet wurde, als Mitglied und Gruppenträgerin der Mehrwertsteuergruppe B.________ AG.

Am 20. September 2007 hatte das zuständige Gericht der Gruppenträgerin die Nachlassstundung gewährt. Zugleich setzte es A.________ als Sachwalter ein.

Das Gericht genehmigte am 23. Februar 2009 einen Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung und ernannte A.________ zum Liquidator mit Einzelunterschrift.

Am 24. September 2010 kam es, wie erwähnt, zur Konkurseröffnung über die Gruppenträgerin. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) gab Forderungen von Fr. 142’681.55 (nebst Verzugszins und Betreibungskosten) für den Zeitraum vom 20. September 2007 bis zum 31. Dezember 2009 und von Fr. 12’089.66 (nebst Verzugszins) für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 24. Dezember 2010 ein.

Am 5. April 2011 wurde das Konkursverfahren mangels Aktiven eingestellt und die Gruppenträgerin am 12. Juli 2011 von Amtes wegen im Handelsregister gelöscht.

Prozess-History

  • ESTV, Hauptabteilung MWST
    • Die ESTV stellte sich auf den Standpunkt, für den Zeitraum vom 20. September 2007 bis zum 24. September 2010 bestehe eine Masseverbindlichkeit von Fr. 154’771.21 (zuzüglich Verzugszinsen), für welche A.________ als Liquidator solidarisch hafte.
    • Mit Verfügungen vom 27. Juli 2016 forderte die Eidgenössische Steuerverwaltung A.________ auf, Mehrwertsteuern für die streitbetroffenen Zeiträume von Fr. 142’681.55 (nebst Verzugszins und Betreibungskosten) bzw. von Fr. 21’271.– (nebst Verzugszins) zu entrichten.
    • Auf Einsprache hin bestätigte die Eidgenössische Steuerverwaltung mit Entscheiden vom 19. und 30. Juli 2018 die genannten Verfügungen dahingehend, dass A.________ als solidarisch haftender Liquidator für die Zeit vom 20. September 2007 bis zum 31. Dezember 2009 Mehrwertsteuern von Fr. 142’681.55 (nebst Verzugszins von Fr. 11’613.– und Betreibungs- und Verfahrenskosten von Fr. 900.–) sowie für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 24. September 2010 Mehrwertsteuern von Fr. 21’271.– (zuzüglich Verzugszins von 4.5 % für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 24. September 2010) zu entrichten habe.
  • Bundesverwaltungsgericht
    • Gutheissung der Beschwerde des Sachwalters / Liquidators
  • Bundesgericht
    • Abweisung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten der ESTV

Erwägungen des Bundesgerichts

Das BGer kam zum Schluss, dass es an der Haftungsvoraussetzung des positiven Liquidationsergebnisses i.S.v. MWSTG 15 Abs. 1 lit. e fehle:

  • Als Liquidationsergebnis sei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zu VStG 15 Abs. 1 lit. a ein Betrag zu verstehen, welcher der Gesellschaft nach Tilgung der Schulden und der Liquidationskosten verbleibe.
  • Da die Schulden der Gruppenträgerin in casu deren Aktiven um mehrere Millionen Franken überwogen, war davon auszugehen, dass auch der während der Liquidationsphase erzielte Erlös der Gruppenträgerin die Schulden nicht aufzuwiegen vermochte.

Ob die seitens der Beschwerdeführerin gegenüber dem Beschwerdegegner geltend gemachten Forderungen auch aus weiteren Gründen (namentlich infolge Verjährung) fallenzulassen wären, brauchte unter den gegebenen Umständen nicht geklärt zu werden.

Entscheid des Bundesgerichts

  1. Die Beschwerde (der ESTV) wird abgewiesen.
  2. Die Verfahrenskosten von Fr. 5’000.– werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
  3. Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 8’000.– auszurichten.
  4. (Mitteilungen)

Quelle

BGer 2C_964/2019 vom 22.03.2021

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