§ 34 Abs. 3 AnwG ZH i.V.m. BGFA 13
Einleitung
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (2C_586/2015 vom 09.05.2016 = BGE 142 II 307) ist im Zusammenhang mit einer offenen Honorarforderung und der damit vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein Anwalt vom Klienten grundsätzlich einen Kostenvorschuss verlangen könnte, der die voraussichtlichen Kosten seiner Tätigkeit decke.
Den Erwägungen des Bundesgerichtsentscheids kann nicht entnommen werden, welche Aspekte und Umstände bei der Prüfung der Opportunität eines Kostenvorschusses vom Bundesgericht resp. von der Vorinstanz geprüft und wie diese bewertet wurden.
Die Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte des Kantons Zürich (AK-RAe ZH) hat im Fall KH200038 (publiziert in ZR 120 (2021), Nr. 42, S. 203 f.) nun Gelegenheit gehabt, sich nochmals mit der Materie auseinanderzusetzen.
Diversität von Honorarsicherung + Vermeidung einer Berufsgeheimnis-Entbindung
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt sich jedoch nach Ansicht der AK-RAe ZH, a.a.O., nicht darauf reduzieren, dass der Rechtsanwalt einen möglichst die Mandatskosten deckenden Vorschuss zu verlangen oder aber darzulegen habe, weshalb er einen solchen nicht eingefordert habe.
Voraussetzungen und Praxis für die Berufsgeheimnis-Entbindung
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach im Zusammenhang mit einer offenen Honorarforderung auch dem Umstand Rechnung zu tragen sei, dass ein Anwalt vom Klienten grundsätzlich einen Kostenvorschuss verlangen könnte, ist nach der Meinung der AK-RAe ZH wie folgt zu verstehen (vgl. VGr, 01.06.2017, VB.2016.00626, Erw. 4.3.2):
- Vermeidung einer Berufsgeheimnis-Entbindung
- Der Anwalt hat alles Notwendige zu unternehmen, um ein Verfahren betreffend Entbindung vom Anwaltsgeheimnis für sein ausstehendes Honorar zu vermeiden:
- zB Bezug eines oder mehrerer Kostenvorschüsse von seiner Klientschaft während des laufenden Mandatsverhältnisses, weil damit letztlich die Höhe des zu Mandatsende noch offenen Honorarbetrags mindestens reduziert würde.
- Der Anwalt hat alles Notwendige zu unternehmen, um ein Verfahren betreffend Entbindung vom Anwaltsgeheimnis für sein ausstehendes Honorar zu vermeiden:
- Gleichwertige Vermeidungsmassnahme wie ein Honorarvorschuss
- Der Erhebung eines Kostenvorschusses muss gemäss AK-RAe ZH jede Massnahme gleichgestellt sein, die im Endeffekt zum selben Resultat führen würde:
- zB regelmässige Ausstellung von Teilrechnungen für bereits erbrachte Leistungen;
- zB regelmässig von der Klientschaft bezahlte Vorschuss- und Teilrechnungen, so dass der Anwalt bei der Rechnungsstellung für das noch ausstehende (Rest-)Honorar auch nicht mit Widerstand rechnen muss.
- Der Erhebung eines Kostenvorschusses muss gemäss AK-RAe ZH jede Massnahme gleichgestellt sein, die im Endeffekt zum selben Resultat führen würde:
- Kostenvorschuss nicht zwingende, bedingungslose Voraussetzung
- Aufgrund der vorstehenden Ausführungen vertritt die AK-RAe ZH die Ansicht, dass nicht in jedem Fall zwingend die Einforderung eines Kostenvorschusses als bedingungslose Voraussetzung für die Eintreibung einer Honorarforderung zu betrachten sei.
- Aber: Begründungsobliegenheit, weshalb kein Vorschuss oder keine ähnliche Massnahme erfolgte
- Der mit einem Honorarausstand konfrontierte Anwalt hat bereits im Entbindungsgesuch darzulegen,
- ob er einen Kostenvorschuss erhoben oder ähnliche Massnahmen getroffen und
- weshalb er im konkreten Einzelfall darauf verzichtet hat.
- Vgl. VGr, 14.05.2020, VB.2019.00735, Erw. 2.2.
- Der mit einem Honorarausstand konfrontierte Anwalt hat bereits im Entbindungsgesuch darzulegen,
Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte
Beschluss vom 05.11.2020
KH200038
ZR 120 (2021) Nr. 42, S. 203 f.
Kommentar
Das Honorarinkasso ist jedem unternehmerisch denkenden Rechtsanwalt ein wichtiges Anliegen. Er wird seinen Honoraransatz und seine Fakturierungspraxis mit dem Klienten absprechen und mit seiner Kostenprognose für den Klienten die erforderliche Transparenz schaffen. Gleichwohl gibt es spezielle Mandantenverhältnisse, in denen das Verlangen nach einem Kostenvorschuss – nota bene vor Erbringung der Dienstleistung – als Misstrauen oder fehlendes Engagement gewertet wird, zB bei dringendem Handlungserfordernis.
Deshalb ist die Interpretation der bundesgerichtlichen Rechtsprechung durch die AK-RAe der richtige Lösungsansatz, auch Kostenvorschuss-Surrogate wie Teilrechnungen zuzulassen.
Weiterführende Informationen
- Bundesgerichtliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit offenen Honorarforderungen
- Kritik an der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
- VGr, 01.06.2017, VB.2016.00626; Erw. 4.2.2
- Differenzierte Antragstellung nach der RA-AB ZH
- VGr, 14.05.2020, VB.2019.00735, Erw. 2.2
- Zum Anwaltshonorar
Quelle
LawMedia Redaktionsteam