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Eherecht / Eheschliessung / Ehe

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Kindesunterhalt und Ermittlung von Steueranteilen

Datum:
19.10.2021
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Eherecht / Eheschliessung / Ehe
Stichworte:
Familie, Scheidung, Steuerrecht, Unterhalt des volljährigen Kindes. Abänderung des Scheidungsurteils
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

ZGB 276 Abs. 1 und 2; ZGB 285 Abs. 1 und 2; StHG 3 Abs. 3

Sachverhalt

A.________ (geb. 2012) und B.________ (geb. 2014) sind die gemeinsamen Kinder von D.________ (geb. 1979) und C.________ (geb. 1973). Die Kindseltern waren und sind nicht miteinander verheiratet; die Trennung erfolgte im Jahr 2015, wobei die Kinder seit diesem Zeitpunkt bei der Kindsmutter wohnen.

Am 24.08.2016 reichten A.________ und B.________ beim Kreisgericht See-Gaster eine Unterhaltsklage ein, nachdem sie am 10.06.2016 bereits ein Gesuch um vorsorgliche Massnahmen (Unterhalt) gestellt hatten. Im Rahmen des vorsorglichen Massnahmeverfahrens einigten sich die Parteien auf für die Dauer des Verfahrens zu leistende Kindesunterhaltsbeiträge.

Prozess-History

  • Kreisgericht

    • Mit Entscheid vom 07.07.2017 räumte der Einzelrichter des Kreisgerichts C.________ die gemeinsame elterliche Sorge für A.________ ein (Disp.-Ziff. 1; für B.________ bestand diese schon von Gesetzes wegen) und genehmigte die Betreuungsregelung (Disp.-Ziff. 2).
    • Ferner verpflichtete er C.________
      • zur Leistung von Kindesunterhalt (Disp.-Ziff. 3 und 4) und stellte die dem Entscheid zugrunde liegenden Einkommensverhältnisse fest (Disp.-Ziff. 5);
      • zur Bezahlung der Entscheidgebühr sowie zur Leistung einer Parteientschädigung verpflichtet (Disp.-Ziff. 8 und 9).
  • Kantonsgericht St. Gallen

    • Dagegen erhob C.________ beim Kantonsgericht St. Gallen Berufung, wobei er die teilweise Aufhebung von Disp.-Ziff. 3 (Unterhaltsbeiträge ab Januar 2017) sowie die vollumfängliche Aufhebung der Disp.-Ziff. 5, 8 und 9 bzw. die Rückweisung zur Neubeurteilung an das Kreisgericht beantragte.
    • Eventualiter sei er nach Edition diverser Belege bzw. nach Abschluss des Beweisverfahrens zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen je Kind von maximal Fr. 1’150.– bis sechs Jahre und maximal Fr. 950.– über sechs Jahre bis zum Abschluss einer angemessenen Erstausbildung zu verpflichten.
    • A.________ und B.________ verlangten die vollumfängliche Abweisung der Berufung.
    • Mit Entscheid vom 10. September 2019 hob das Kantonsgericht die Disp.-Ziff. 3, 4 und 5 des kreisgerichtlichen Entscheids auf und legte die durch C.________ ab 1. Januar 2017 zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeiträge neu fest (Disp.-Ziff. 2). Das Kantonsgericht stellte zudem fest, dass C.________ im Zeitraum Oktober 2015 bis und mit März 2017 Kindesunterhaltsbeiträge in Höhe von Fr. 28’230.– bereits bezahlt hat. Ferner regelte es die Indexierung der Unterhaltsbeiträge und Einkommen (Disp.-Ziff. 3).
  • Bundesgericht

    • Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 14.10.2019 gelangen A.________ und B.________ (Beschwerdeführer) ans Bundesgericht.
    • Sie beantragen die Aufhebung von Disp.-Ziff. 2 des kantonsgerichtlichen Entscheids und die Rückweisung an das Kantonsgericht zur Neubeurteilung.
    • Eventuell sei C.________ (Beschwerdegegner) in Abänderung von Disp.-Ziff. 2 zu verpflichten, den Beschwerdeführern bezifferte, zeitlich gestaffelte und im Vergleich zum angefochtenen Entscheid höhere monatliche Unterhaltsbeiträge zu bezahlen.

Erwägungen des Bundesgerichts

Sofern und soweit aufgrund der finanziellen Verhältnisse bei der Unterhaltsberechnung über das betreibungsrechtliche Existenzminimum hinausgegangen werden kann, ist beim Kind, wie bei den Eltern, im Rahmen des familienrechtlichen Existenzminimums ein Steueranteil einzusetzen.

Vorliegend war daher zu prüfen, ob und in welcher Höhe Steueranteile im Barbedarf zu berücksichtigen sind.

Gemäss den Erwägungen und gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (BGer 5A_311/2019 vom 11.11.2020) ist der im Barbedarf des Kinds einzusetzende Steueranteil in einer zweistufigen Berechnungsmethode wie folgt zu ermitteln:

  • Es sind die dem Kind zuzurechnenden, aber vom Empfängerelternteil zu versteuernden Einkünfte
    • 1) in das Verhältnis zu den vom Empfängerelternteil insgesamt zu versteuernden Einkünften zu setzen und
    • 2) der daraus ermittelte Anteil an der gesamten Steuerschuld des Empfängerelternteils im – erweiterten – Bedarf des Kindes zu berücksichtigen.
  • NB: Die vom Empfängerelternteil zu versteuernden Einkünfte
    • beinhalten namentlich
      • den Barunterhaltsbeitrag
      • die Familienzulagen
      • die Sozialversicherungsrenten und
      • ähnliche für den Unterhalt des Kindes bestimmte Leistungen
      • Erträge aus Kindesvermögen;
    • beinhalten nicht aber
      • das Erwerbseinkommen des Kindes [vgl. StHG 3 Abs. 3; siehe unten] oder
      • der formell dem Kind zustehende [vgl. ZGB 285 Abs. 2; siehe unten], materiell aber für den betreuenden Elternteil bestimmte Betreuungsunterhaltsbeitrag

Beispielrechnung:

„…Machen die dem Kind zuzurechnenden Einkünfte beispielsweise 20 % des steuerlich relevanten Haushaltseinkommens aus, ist derselbe Anteil an der gesamten Steuerschuld des Empfängerelternteils im Bedarf des Kindes und folglich lediglich der Differenzbetrag im Bedarf des Empfängerelternteils einzusetzen. …“ (Erw. 4.2.3.5 a.E.)

Entscheid

  1. Gutheissung der Beschwerde in Zivilsachen; Aufhebung des Entscheids der Vorinstanz und Rückweisung an sie zur Neuberechnung des Kindesunterhalts im Sinne der Erwägungen;
  2. Auferlegung der Gerichtskosten an den Beschwerdegegner, die die Beschwerdeführerin zu entschädigen hat
  3. (Mitteilungen)

BGer 5A_816/2019 vom 25.06.2021

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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