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Postulationsverbot: Zuständigkeit im Zivilverfahren?

Datum:
15.10.2021
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Anwälte / Mediatoren
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

ZPO 59 + ZPO 124 Abs. 1 / BGFA 12 lit. c + BGFA 34 / Art. 29 + 30 der Standesregeln

Einleitung

Das Bundesgericht (BGer) hatte sich im Fall 5A_485/2020 mit der Zuständigkeit zur Verhängung eines Postulationsverbots zu befassen.

Im Zusammenhang mit der Erstellung eines Nachlassinventars verlangte ein Erbe, einem Rechtsanwalt sei die Vertretung von anderen Erben wegen eines Interessenkonflikts zu verbieten.

Sachverhalt

Die Genfer Friedensrichterin setzte mit Entscheid vom 27.01.2020 die Notarin E. ein, um das Inventar im Nachlass des verstorbenen C. aufzunehmen.

Prozess-History

  • Die Tochter des C., Erbin B., vertreten durch den Anwalt E. H., erhob gegen diesen Entscheid Berufung.
    • Sie verlangte die Einsetzung eines andern Notars.
  • Der Sohn von C., Miterbe A., verlangte, es sei Rechtsanwalt E. H. die Vertretung in diesem Verfahren aufgrund von Interessenskonflikten zu verbieten.
    • B. bestritt u.a. die Kompetenz der Genfer Cour de justice, ein Vertretungsverbot auszusprechen.
  • Mit Entscheid vom 07.05.2020 folgte das Gericht der Auffassung von B.
  • A. erhob dagegen Beschwerde in Zivilsachen ans Schweizerische Bundesgericht.

Erwägungen

Zivilprozess

Umstritten war insbesondere, ob für den Erlass des Vertretungsverbots bzw. für das Postulationsverbot zuständig ist:

  • ein Genfer Gericht oder
  • die Genfer Anwaltskommission.

Aus ZPO 59 + ZPO 124 folgt, dass

  • es sich dabei um einen prozessleitenden Entscheid handelt;
  • die Vertretungsbefugnis eine Prozessvoraussetzung darstellt.

Ist das Prozessverfahren hängig,

  • ist das zuständige Gericht für den Entscheid über die Vertretungsbefugnis abschliessend zuständig.

Die Kantone können die Zuständigkeit an keine andere Instanz übertragen, da die Bundesrechts-Regelung abschliessend ist.

Anwaltsrecht

Die Aufsichtsbehörde über die Anwälte ist gemäss BGFA 12 lit. c für die disziplinarische Ahndung von Berufsregelverstössen zuständig.

Ergebnis

In einem hängigen zivilrechtlichen Verfahren ist das in der Sache befasste Gericht ausschliesslich für die Anordnung eines Postulationsverbotes zuständig:

  • Kantonale Regelungen, welche diese Zuständigkeit einer Anwaltsaufsichtsbehördezuweisen, verstossen gegen den Vorrang des Bundesrechtes.

Die Klärung der bisher offenen Zuständigkeitsfrage durch das Bundesgericht ergab eine Zweiteilung:

  • Zuständigkeit für die Verhängung eines Vertretungsverbotes in einem hängigen Zivilverfahren gestützt auf ZPO 59 + ZPO 124 durch das ordentliche Gericht;
  • Zuständigkeit für die disziplinarische Sanktionierung eines allfälligen Verstosses gegen BGFA 12 lit. c durch die Anwaltsaufsichtsbehörde.

Entscheid des Bundesgerichts

  • Gutheissung der Beschwerde in Zivilsachen; Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Rückweisung an die kantonale Behörde zu neuem Entscheid;
  • Auferlegung der Gerichtskosten an die Beschwerdegegnerin, die den Beschwerdeführer zu entschädigen hat.

Urteil des Bundesgerichts 5A_485/2020 vom 25.03.2021   =   Praxis 2021, Heft 7

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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