OR 32 ff., OR 108, OR 366 Abs. 2, OR 368 Abs. 2, ZPO 317
In der Baupraxis ist immer wieder der Umstand anzutreffen, dass Bauherrschaften ihren Architekten bzw. Bauleiter extern auftreten lassen und dabei bei Dritten wie Unternehmer, Handwerker usw. den Anschein erwecken, es liege eine entsprechende interne Vollmacht, mit Bindungswirkung für dessen Erklärungen und Handlungen, vor. So auch im Fall 4A_76/2019:
Duldet die Bauherrschaft, dass ihr Architekt Werkverträge abschliesst, Regiearbeiten genehmigt und die Bauleitung ausübt, kann daraus das Vorliegen einer Duldungsvollmacht (Anscheinvollmacht oder auch Scheinvollmacht) für Bestellungsänderungen geschlossen werden.
Eine solche «Scheinvollmacht» setzt voraus:
- Der Vertretene (hier die Bauherrschaft) bringt dem Dritten eine Vollmacht zur Kenntnis, die über die intern tatsächlich erteilten Befugnisse hinausgeht;
- Die «Scheinvollmacht» setzt den guten Glauben des Dritten an die Existenz einer internen Vollmacht voraus.
Dem Vertretenen (hier: Bauherrschaft) obliegt im Streitfall die Beweislast dafür, dass
- der Dritte bösgläubig war (vgl. ZGB 3 Abs. 1) oder
- die notwendige Aufmerksamkeit missen liess (vgl. ZGB 3 Abs. 2).
Die Wirkungen der externen Kundgabe richten sich letztlich nach OR 33 Abs. 3 und nicht nach dem Willen des Vertretenen (hier Bauherrschaft).
Quelle
BGer 4A_76/2019 vom 15.07.2020 = Die Praxis 12/2021, Nr. 128
Art. 33 OR
1 Soweit die Ermächtigung, im Namen eines andern Rechtshandlungen vorzunehmen, aus Verhältnissen des öffentlichen Rechtes hervorgeht, ist sie nach den Vorschriften des öffentlichen Rechtes des Bundes und der Kantone zu beurteilen.
2 Ist die Ermächtigung durch Rechtsgeschäft eingeräumt, so beurteilt sich ihr Umfang nach dessen Inhalt.
3 Wird die Ermächtigung vom Vollmachtgeber einem Dritten mitgeteilt, so beurteilt sich ihr Umfang diesem gegenüber nach Massgabe der erfolgten Kundgebung.