OR 328 Abs. 2; ArG 6; StPO 319 Abs. 1 lit. a und b
Sachverhalt
„Am 16. August 2019 erlitt der bei der Firma C.________AG angestellte B.A.________ in deren Produktionshalle in U.________ ein tödliches Schädel-Hirn-Trauma. Zwischen zwei Transportwagen stehend befestigte B.A.________ zwei Armierungsbündel an einem von ihm ferngesteuerten Hallenkran, um sie weiter zu transportieren. Beim Anheben der Last wurde B.A.________ infolge Schrägzugs von der sich pendelnden Last erfasst und zur Seite auf einen der beiden Transportwagen geschleudert, wobei der Kopf auf eine der Rungen des Transportwagens gedrückt wurde. B.A.________ erlag noch an der Unfallstelle seinen Verletzungen.“
Prozess-History
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Staatsanwaltschaft
- Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten stellte das von ihr eröffnete Strafverfahren betreffend aussergewöhnlicher Todesfall mit Verfügung vom 21. Februar 2020 ein.
- Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau genehmigte die Einstellungsverfügung am 26. Februar 2020.
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Obergericht des Kantons Aargau
- Die von A.A.________, der Ehefrau von B.A.________, gegen die Einstellungsverfügung erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Aargau am 16. Juni 2020 ab.
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Bundesgericht
- A.________ führte Beschwerde ans Bundesgericht mit den Anträgen, den Entscheid des Obergerichts Aargau aufzuheben, die Untersuchung nicht einzustellen und die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
Erwägungen des Bundesgerichts
Das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt, weil sowohl ein technischer Defekt am Hallenkran als auch ein aktives Zutun eines Dritten ausgeschlossen werden konnten.
Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass es die Vorinstanz willkürlich unterlassen hatte, die Arbeitssicherheits-Kultur im Betrieb zu prüfen.
Dem Arbeitgeber obliegt nicht nur die Ausbildung und Instruktion des Arbeitnehmers (cura in instruendo), sondern auch die Überwachung und Kontrolle der Einhaltung der Regeln zur Arbeitsplatzsicherheit (cura in custodiendo).
Inwiefern eine allfällige Übermüdung von B.A.________ zum Unfallgeschehen beigetragen haben könnte, ist in der weiteren Untersuchung zu klären. Ob B.A.________ ein derart schweres Selbstverschulden vorzuwerfen ist, dass jegliches Drittverschulden in den Hintergrund gedrängt und zur Unterbrechung des diesbezüglichen Kausalverlaufs führen würde, konnte gestützt auf den aktuellen Stand der Abklärungen nicht zweifellos beantwortet werden.
Der Beschwerde der Ehefrau des Verunfallten war damit Erfolg beschieden.
Entscheid des Bundesgerichts
- Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 16. Juni 2020 aufgehoben und die Sache an das Obergericht zur Neuregelung der Kosten- sowie Entschädigungsfolgen und an die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten zur Fortführung der Strafuntersuchung zurückgewiesen.
- Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
- Der Kanton Aargau hat der Beschwerdeführerin eine Entschädigung von Fr. 3’000.– auszurichten.
- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.