SchKG 81 Abs. 1; OR 168 Abs. 1; ZPO 327 Abs. 3 lit. a
Einleitung
Im Rahmen einer Definitiven Rechtsöffnung stellte sich in einem Fall vor dem Obergericht des Kantons Zürich bei blossem Nachweis der gerichtlich bewilligten Hinterlegung die Zulässigkeitsfrage.
Sachverhalt
Die Erstinstanz verweigerte dem Gesuchsteller die definitive Rechtsöffnung, weil die Gesuchsgegnerin den Forderungsbetrag hinterlegt und zu Recht den Einwand der Tilgung der Schuld durch Hinterlegung erhoben habe.
Hiergegen erhob der Gesuchsteller Beschwerde.
Erwägungen
Beruht die Forderung – wie hier – auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts, so kann der Schuldner die definitive Rechtsöffnung nur abwenden, wenn er durch Urkunden beweist, dass
- die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder
- gestundet worden ist (vgl. SchKG 81 Abs. 1).
Tilgungsvoraussetzung
Die Tilgung einer Forderung im Sinne von SchKG 81 Abs. 1 meint
- nicht nur deren Untergang infolge Zahlung,
- sondern auch jeden auf irgendeinem anderen zivilrechtlichen Grund beruhenden Untergang der Forderung (vgl. BGE 124 III 501, Erw. 3b.).
Automatischer Forderungsuntergang
- Der angerufene Vorgang muss zivilrechtlich automatisch zum Forderungsuntergang führen.
Gerichtliche Hinterlegung als Befreiungsgrund?
Nach OR 168 Abs. 1 kann sich der Schuldner durch die gerichtliche Hinterlegung befreien:
- Befreiende Wirkung?
- Die befreiende Wirkung – und damit einhergehend der Untergang der Forderung – tritt allerdings nicht automatisch mit der Hinterlegung ein, sondern nur dann, wenn ihre Voraussetzungen nach Bundesrecht erfüllt sind (vgl. BGE 143 III 102, Erw. 2.1) resp. der Schuldner sich durch die zulässige gerichtliche Hinterlegung befreien kann.
- Zulässigkeit der Hinterlegung
- Massgeblich für die Zulässigkeit der Hinterlegung nach OR 168 OR ist, ob im Zeitpunkt der Hinterlegung eine unverschuldete Ungewissheit bestand (BGer 4A_511/2007 vom 8. April 2008, Erw. 2.1).
- Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, befindet jedoch das Hinterlegungsgericht nicht über die Begründetheit der Hinterlegung sowie deren befreiende Wirkung.
- Das Hinterlegungsverfahren beschränkt sich grundsätzlich auf die Bezeichnung der Hinterlegungsstelle (vgl. OR 92 Abs. 2) und hat demnach auf die Rechtmässigkeit der Hinterlegung keinerlei Wirkung (…).
- Zuständigkeit?
- Das Rechtsöffnungsgericht als Vollstreckungsgericht ist einhergehend mit der Vorinstanz sachlich nicht befugt, über die Rechtmässigkeit der Hinterlegung zu befinden.
- Daraus folgt jedoch, dass im Beurteilungszeitpunkt des Rechtsöffnungsbegehrens die (bestrittene) Rechtmässigkeit der Hinterlegung und damit der Untergang der Forderung (noch) nicht feststeht und erst recht nicht durch Urkunden bewiesen ist (vgl. SchKG 81 Abs. 1).
- Die Gesuchsgegnerin konnte mit der Bewilligung der Hinterlegung bloss die Grundvoraussetzung bzw. einen Teilaspekt einer möglichen Tilgung durch Hinterlegung nachzuweisen.
- Konsequenterweise muss die Rechtsöffnung vor diesem Hintergrund mangels Beweises der Tilgung durch Urkunden erteilt werden, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind (…).
- Prüfung der Hinterlegungsvoraussetzungen
- Das Hinterlegungsgericht prüfte summarisch, ob die Voraussetzungen der Hinterlegung erfüllt sind, gilt es diesbezüglich doch zu beachten, dass gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung im Rahmen einer solchen vorfrageweisen Prüfung nur offensichtlich unhaltbare Hinterlegungsgesuche abzuweisen sind (vgl. BGE 105 II 273, Erw. 2; BGer 4A_511/2007 vom 08.04.2008, Erw. 2.2).
- Gegen einen definitiven Rechtsöffnungstitel, der nur durch den strikten Gegenbeweis mit völlig eindeutigen Urkunden entkräftet werden kann (BGer 5A_416/2019 vom 11. Oktober 2019, Erw. 4.2.1; BGer 5D_211/2018 vom 24. Mai 2019, Erw. 3.1; BGE 136 III 624 Erw. 4.2.3), ist eine summarische Prüfung nicht ausreichend.
- Alternativen zur Erzielung einer befreienden Wirkung der Hinterlegung
- Feststellungsklage nach SchKG 85a
- Gemäss OGZ habe es die Gesuchsgegnerin nach wie vor in der Hand, die befreiende Wirkung im Rahmen der Feststellungsklage nach SchKG 85a feststellen zu lassen.
- Klage beim ordentlichen Richter?
- Die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach der ordentliche Richter über die befreiende Wirkung der Hinterlegung entscheidet, falls der angebliche Gläubiger trotz der Hinterlegung den Schuldner auf Erfüllung belangt, ist nicht dahingehend zu verstehen, dass stets dem (angeblichen) Gläubiger die Klägerrolle zugeteilt wird.
- Feststellungsklage nach SchKG 85a
- Das Rechtsöffnungsgericht als Vollstreckungsgericht ist einhergehend mit der Vorinstanz sachlich nicht befugt, über die Rechtmässigkeit der Hinterlegung zu befinden.
Anrufung des ordentlichen Richters für Beanspruchung der hinterlegten Forderung
Sofern der Gläubiger noch über kein Urteil verfügt, welches ihm die hinterlegte Forderung zuspricht, hätte er ohnehin den Richter anzurufen, will er je die hinterlegte Forderung für sich beanspruchen und eintreiben können.
- Es steht dem Gläubiger selbst dann die Möglichkeit offen, sich über eine aus seiner Sicht ungerechtfertigte Hinterlegung hinwegzusetzen und gleichwohl den Schuldner einzuklagen.
Gläubiger einer ungetilgten, rechtskräftig festgestellten Forderung
Es war angesichts des Hintergrundes nicht einzusehen, weshalb sich der Gläubiger
- in vorliegender Konstellation,
- da er bereits über ein rechtskräftiges Urteil verfügt,
- welches ihm die hinterlegte Forderung zuspricht,
- nicht ebenfalls über die Hinterlegung hinwegsetzen und
- trotz Hinterlegung
- den Weg der definitiven Rechtsöffnung
einschlagen können soll.
Der Gesuchsteller hat mit seinen Rügen einen Beschwerdegrund nachgewiesen.
Fazit
Die befreiende Wirkung der Hinterlegung und damit die Tilgung der Forderung im Sinne von SchKG 81 Abs. 1 – tritt nicht automatisch mit deren gerichtlicher Bewilligung ein, sondern einzig dann, wenn ihre Voraussetzungen nach Bundesrecht erfüllt sind. Da die Prüfung der Rechtmässigkeit der Hinterlegung in die sachliche Kompetenz des ordentlichen Gerichts fällt, hat das Rechtsöffnungsgericht bei blossem Nachweis der gerichtlich bewilligten Hinterlegung demnach die definitive Rechtsöffnung zu gewähren.
Entscheid
Die Beschwerde des Gesuchstellers war gutzuheissen und entsprechend das Urteil der Vorinstanz aufzuheben.
Quelle
Obergericht des Kantons Zürich
I. Zivilkammer
Urteil vom 18. November 2021
RT210031
ZR 121 (2022) Nr. 26, S. 87 ff.