DBG 16 Abs. 1 + 3; DBG 21 Abs. 1; StHG 12 Abs. 2 lit. c; StG/GR 16 und 22 + StG/GR 42 Abs. 2 lit. c
Sachverhalt
A.________, wohnhaft in U.________, Slowenien, Beschwerdeführerin (BFin) ist Eigentümerin des überbauten Grundstücks Nr. xxx in der Gemeinde V.________. Mit Dienstbarkeitsvertrag vom 20. Dezember 2018, eingetragen am 21. Dezember 2018 im Grundbuchamt der Region Maloja, vereinbarten A.________ und B.________ als Gegenleistung für eine vereinbarte Grunddienstbarkeit «Pflanzen- und Bauhöhenbeschränkung» zulasten des Grundstücks Nr. xxx bzw. zugunsten des Nachbargrundstücks Nr. yyy die Summe von CHF 1 Mio. (bei einem Verkehrswert des Grundstücks von über CHF 52 Mio.).
Prozess-History
- Steuerbehörde
- Der Kanton Graubünden erhob
- als Einkommen aus unbeweglichem Vermögen auf diesem Betrag
- direkte Bundessteuern sowie
- kantonale und kommunale Einkommenssteuern.
- als Einkommen aus unbeweglichem Vermögen auf diesem Betrag
- Die Einsprache-Entscheide der Steuerverwaltung des Kantons Graubünden (KStA GR) waren abschlägig.
- Der Kanton Graubünden erhob
- Kanton
- Das kantonale Rechtsmittel beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden blieb ohne Erfolg.
- Bundesgericht
- Die Grundeigentümerin erhob Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht.
Erwägungen
Das Bundesgericht (BGer) erwog in dieser Sache was folgt:
- Reinvermögenszugangstheorie
- Gemäss der sog. Reinvermögenszugangstheorie unterliegen grundsätzlich alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte der direkten Bundessteuer (vgl. DBG 16).
- Kapitalgewinne aus Privatvermögens-Veräusserung
- Kapitalgewinne aus Veräusserung von Privatvermögen sind grundsätzlich steuerfrei (vgl. DBG 16 Abs. 3).
- Dienstbarkeit als Teilveräusserung?
- Zu prüfen war daher, ob die Errichtung der «Pflanzen- und Bauhöhenbeschränkung» als Grunddienstbarkeit eine (teilweise) Grundstücksentäusserung darstellt.
- Im harmonisierten kantonalen Steuerrecht des Kantons Graubünden unterstehen Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Grundstücken im Privatvermögen der Grundstückgewinnsteuer (vgl. StHG 12).
- Einkommenssteuerfreier Kapitalgewinn auf Grundstücksveräusserung?
- Es drängte sich daher auf, den Begriff des (einkommenssteuerfreien) Kapitalgewinns aus der Veräusserung von Grundstücken im Privatvermögen (auch für die direkte Bundessteuer) mit Fokus auf StHG 12 über die Grundstückgewinnsteuern auszulegen,
- um eine Konkordanz zu erreichen, zwischen
- den verschiedenen Steuerarten
- dem eidgenössischen und dem kantonalen Recht.
- um eine Konkordanz zu erreichen, zwischen
- Es drängte sich daher auf, den Begriff des (einkommenssteuerfreien) Kapitalgewinns aus der Veräusserung von Grundstücken im Privatvermögen (auch für die direkte Bundessteuer) mit Fokus auf StHG 12 über die Grundstückgewinnsteuern auszulegen,
- Umfang der Grundstücksentäusserung durch die Grundstücksbelastung
- Der Grundstückgewinnsteuer unterliegen:
- nebst der vollständigen Grundstückveräusserungen
- u.a. die Belastung eines Grundstücks mit Dienstbarkeiten,
- wenn diese dauernd und wesentlich beeinträchtigt sowie dafür ein Entgelt entrichtet wird:
- die unbeschränkte Bewirtschaftung oder
- den Veräusserungswert des Grundstücks.
- Vgl. StHG 12 Abs. 2 lit. c)
- wenn diese dauernd und wesentlich beeinträchtigt sowie dafür ein Entgelt entrichtet wird:
- Eine «Bauhöhenbeschränkung» kann
- sich wie ein Bauverbot auswirken und
- daher eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von StHG 12 Abs. 2 lit. c begründen.
- Der Grundstückgewinnsteuer unterliegen:
In concreto ergab sich aber folgendes:
- Geringe Entgeltshöhe
- Im Vergleich zum Wert des Grundstücks bestand
- ein geringes Entgelt-Quantitativ (2 % des Verkehrswerts)
- Im Vergleich zum Wert des Grundstücks bestand
- Parteibeurteilung als geringe Beeinträchtigung
- Die Parteien waren nicht von einer wesentlichen Beeinträchtigung ausgegangen.
- Fokus Veräusserung
- Es lag somit vor:
- keine Veräusserung und
- daher auch kein einkommenssteuerfreier Kapitalgewinn.
- Die BFin konnte daher nicht argumentieren,
- es handle sich um eine Entschädigungszahlung zum Ausgleich eines zukünftigen Minderwerts des Grundstückes,
- weshalb kein Reinvermögenszugang,
- sondern ein blosser «Aktivtausch» vorliege.
- weshalb kein Reinvermögenszugang,
- es handle sich um eine Entschädigungszahlung zum Ausgleich eines zukünftigen Minderwerts des Grundstückes,
- Es lag somit vor:
- Fokus Minderwert
- Der Minderwert wird dereinst
- zu einem tieferen Veräusserungserlös und
- damit zu einer tieferen Bemessungsgrundlage für die Grundstückgewinnsteuer führen;
- vgl. StHG 12 Abs. 1.
- Der Minderwert wird dereinst
- Fokus Einkommenssteuer / Steuerfolge einer «doppelten Nichtberücksichtigung von Steuersubstrat»
- Würde das dafür empfangene Entgelt einkommenssteuerfrei bleiben,
- käme es, da keine grundstückgewinnsteuerpflichtige Veräusserung vorlag, zu einer sog. «doppelten Nichtberücksichtigung von Steuersubstrat».
- Würde das dafür empfangene Entgelt einkommenssteuerfrei bleiben,
- Fokus Konkordanz der Steuerarten bei den Kantons- und Gemeindesteuern
- Auch das harmonisierte kantonale Einkommenssteuerrecht (namentlich StG/GR 16 und 22) war unter Berücksichtigung des harmonisierten kantonalen Grundstückgewinnsteuerrechts (namentlich StG/GR 42 Abs. 2 lit. c) auszulegen, um die Konkordanz zwischen den beiden Steuerarten zu erzielen.
- Nach Ansicht des BGer hat hier die Vorinstanz zu Recht den Vorgang nicht der Grundstückgewinnsteuer unterworfen.
Ergebnis:
Vor diesem Hintergrund hatte die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt,
- indem sie das Entgelt von CHF 1 Mio., welches der BFin für die Einräumung der «Pflanzen- und Bauhöhenbeschränkung» auf ihrem Grundstück erhalten hat,
- für die direkte Bundessteuer vollständig als Ertrag aus unbeweglichem Vermögen der Einkommenssteuer unterworfen hat.
Entscheid des Bundesgerichts
- Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
- Die Gerichtskosten von CHF 7’000.– werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
- Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 4. Kammer, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung mitgeteilt.
BGer 2C_730/2021 vom 19.05.2022
Zweiter Titel: Einkommenssteuer
1. Kapitel: Steuerbare Einkünfte
1. Abschnitt: Allgemeines
Art. 16 DBG
1 Der Einkommenssteuer unterliegen alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte.
2 Als Einkommen gelten auch Naturalbezüge jeder Art, insbesondere freie Verpflegung und Unterkunft sowie der Wert selbstverbrauchter Erzeugnisse und Waren des eigenen Betriebes; sie werden nach ihrem Marktwert bemessen.
3 Die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen sind steuerfrei.
5. Abschnitt: Unbewegliches Vermögen
Art. 21 DBG
1 Steuerbar sind die Erträge aus unbeweglichem Vermögen, insbesondere:
- alle Einkünfte aus Vermietung, Verpachtung, Nutzniessung oder sonstiger Nutzung;
- der Mietwert von Liegenschaften oder Liegenschaftsteilen, die dem Steuerpflichtigen aufgrund von Eigentum oder eines unentgeltlichen Nutzungsrechts für den Eigengebrauch zur Verfügung stehen;
- Einkünfte aus Baurechtsverträgen;
- Einkünfte aus der Ausbeutung von Kies, Sand und anderen Bestandteilen des Bodens.
2 Die Festsetzung des Eigenmietwertes erfolgt unter Berücksichtigung der ortsüblichen Verhältnisse und der tatsächlichen Nutzung der am Wohnsitz selbstbewohnten Liegenschaft.
3. Kapitel: Grundstückgewinnsteuer
Art. 12 StHG
1 Der Grundstückgewinnsteuer unterliegen Gewinne, die sich bei Veräusserung eines Grundstückes des Privatvermögens oder eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstückes sowie von Anteilen daran ergeben, soweit der Erlös die Anlagekosten (Erwerbspreis oder Ersatzwert zuzüglich Aufwendungen) übersteigt.
2 Die Steuerpflicht wird durch jede Veräusserung eines Grundstückes begründet. Den Veräusserungen sind gleichgestellt:
- die Rechtsgeschäfte, die in Bezug auf die Verfügungsgewalt über ein Grundstück wirtschaftlich wie eine Veräusserung wirken;
- die Überführung eines Grundstückes sowie von Anteilen daran vom Privatvermögen in das Geschäftsvermögen des Steuerpflichtigen;
- die Belastung eines Grundstückes mit privatrechtlichen Dienstbarkeiten oder öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen, wenn diese die unbeschränkte Bewirtschaftung oder den Veräusserungswert des Grundstückes dauernd und wesentlich beeinträchtigen und dafür ein Entgelt entrichtet wird;
- die Übertragung von Beteiligungsrechten des Privatvermögens des Steuerpflichtigen an Immobiliengesellschaften, soweit das kantonale Recht für diesen Fall eine Steuerpflicht vorsieht;
- die ohne Veräusserung erzielten Planungsmehrwerte im Sinne des Raumplanungsgesetzes vom 22. Juni 197982, sofern das kantonale Recht diesen Tatbestand der Grundstückgewinnsteuer unterstellt.
3 Die Besteuerung wird aufgeschoben bei:
- Eigentumswechsel durch Erbgang (Erbfolge, Erbteilung, Vermächtnis), Erbvorbezug oder Schenkung;
b.83Eigentumswechsel unter Ehegatten im Zusammenhang mit dem Güterrecht, sowie zur Abgeltung ausserordentlicher Beiträge eines Ehegatten an den Unterhalt der Familie (Art. 165 des Zivilgesetzbuches84) und scheidungsrechtlicher Ansprüche, sofern beide Ehegatten einverstanden sind;
- Landumlegungen zwecks Güterzusammenlegung, Quartierplanung, Grenzbereinigung, Abrundung landwirtschaftlicher Heimwesen sowie bei Landumlegungen im Enteignungsverfahren oder drohender Enteignung;
- vollständiger oder teilweiser Veräusserung eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstückes, soweit der Veräusserungserlös innert angemessener Frist zum Erwerb eines selbstbewirtschafteten Ersatzgrundstückes oder zur Verbesserung der eigenen, selbstbewirtschafteten land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke verwendet wird;
- Veräusserung einer dauernd und ausschliesslich selbstgenutzten Wohnliegenschaft (Einfamilienhaus oder Eigentumswohnung), soweit der dabei erzielte Erlös innert angemessener Frist zum Erwerb oder zum Bau einer gleichgenutzten Ersatzliegenschaft in der Schweiz verwendet wird.
4 Die Kantone können die Grundstückgewinnsteuer auch auf Gewinnen aus der Veräusserung von Grundstücken des Geschäftsvermögens des Steuerpflichtigen erheben, sofern sie diese Gewinne von der Einkommens- und Gewinnsteuer ausnehmen oder die Grundstückgewinnsteuer auf die Einkommens- und Gewinnsteuer anrechnen. In beiden Fällen gilt:
a.85 die in den Artikeln 8 Absätze 3 und 4 und 24 Absätze 3 und 3quater genannten Tatbestände sind bei der Grundstückgewinnsteuer als steueraufschiebende Veräusserung zu behandeln;
- die Überführung eines Grundstückes sowie von Anteilen daran vom Privatvermögen ins Geschäftsvermögen darf nicht einer Veräusserung gleichgestellt werden.
5 Die Kantone sorgen dafür, dass kurzfristig realisierte Grundstückgewinne stärker besteuert werden.
82 SR 700
83 Fassung gemäss Anhang Ziff. 4 des BG vom 26. Juni 1998, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 1118; BBl 1996 I 1).
84 SR 210
85 Fassung gemäss Anhang Ziff. 8 des Fusionsgesetzes vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. Juli 2004 (AS 2004 2617; BBl 2000 4337).
Weiterführende Informationen
Quelle
LawMedia Redaktionsteam