Die gesetzliche Einberufungsfrist der Generalversammlung gemäss OR 699 Abs. 2 ist eine zwingend zu beachtende Formvorschrift:
- Die Nichteinladung zur ordentlichen Generalversammlung (o.GV) einer Aktiengesellschaft (AG) in Verletzung der gesetzlich vorgesehenen Frist kann als eine haftungsbegründende Pflichtverletzung des Verwaltungsratspräsidenten im Einzelfall zu einer aktienrechtlichen Verantwortlichkeit führen, und zwar selbst dann, wenn der Termin der Generalversammlung mit Zustimmung aller Aktionäre verschoben wurde.
- Der Rechtfertigungsgrund „volenti non fit iniuria“ (dem Einwilligenden geschieht kein Unrecht) kann hier nicht zur Anwendung gelangen.
- Die Erhebung einer Einberufungsklage durfte nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden und die Chancen dagegen im Einberufungsverfahren zu obsiegen, waren «als sehr gering einzustufen gewesen», weshalb durch den Entschluss der Gesellschaft bzw. des VRP, sich gegen die Klage zur Wehr zu setzen, unnötige Kosten verursacht wurden.
BGer 4A_130/2021 vom 28.05.2021
Weiterführende Informationen
Art. 699 OR
1 Die Generalversammlung wird durch den Verwaltungsrat, nötigenfalls durch die Revisionsstelle einberufen. Das Einberufungsrecht steht auch den Liquidatoren und den Vertretern der Anleihensgläubiger zu.
2 Die ordentliche Versammlung findet alljährlich innerhalb sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres statt, ausserordentliche Versammlungen werden je nach Bedürfnis einberufen.
3 Die Einberufung einer Generalversammlung kann auch von einem oder mehreren Aktionären, die zusammen mindestens 10 Prozent des Aktienkapitals vertreten, verlangt werden. Aktionäre, die Aktien im Nennwerte von 1 Million Franken vertreten, können die Traktandierung eines Verhandlungsgegenstandes verlangen. Einberufung und Traktandierung werden schriftlich unter Angabe des Verhandlungsgegenstandes und der Anträge anbegehrt.
4 Entspricht der Verwaltungsrat diesem Begehren nicht binnen angemessener Frist, so hat das Gericht auf Antrag der Gesuchsteller die Einberufung anzuordnen.
III. Haftung für Verwaltung, Geschäftsführung und Liquidation
Art. 754 OR
1 Die Mitglieder des Verwaltungsrates und alle mit der Geschäftsführung oder mit der Liquidation befassten Personen sind sowohl der Gesellschaft als den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen.
2 Wer die Erfüllung einer Aufgabe befugterweise einem anderen Organ überträgt, haftet für den von diesem verursachten Schaden, sofern er nicht nachweist, dass er bei der Auswahl, Unterrichtung und Überwachung die nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat.
Quelle
LawMedia Redaktionsteam