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Zivilprozessrecht / Gerichte

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Elektronische Rechtsschriften-Einreichung via IncaMail: Zustellnachweis

Datum:
21.06.2023
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Gerichte, Zivilprozessrecht
Thema:
IncaMail-Einreichung von Gerichtseingaben
Stichworte:
Gerichtseingaben, IncaMail-Einreichung, Rechtsschriften, Zustellungsnachweis
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

ZPO 143 Abs. 2

Das Obergericht des Kantons Zürich hat sich im Rahmen eines Nichteintretensentscheids mit den Voraussetzungen der Einreichungsform digitaler Eingaben befassen müssen und diese instruktiven Erwägungen auszugsweise in den Blättern für Zürcherische Rechtsprechung (ZR) veröffentlicht.

Vorab das Ergebnis:

Wer die Zustellplattform „IncaMail“ der Schwei­zerischen Post nutzt, um eine Eingabe elektronisch bei Gericht einzureichen, muss sich für den Erhalt einer „Quittung“ der Ver­sandart „Eingeschrieben“ bedienen.

Bei der Versandart „Vertraulich“ wird keine Aufgabequit­tung im Sinne von ZPO 143 Abs. 2 ausge­stellt.

Die Details:

Zu den in ZR 122 (2023) Nr. 15, S. 58 ff., publizierten Grundlagen des Entscheids des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 25.01.2023 (RE220012):

„Sachverhalt:

Die Vorinstanz erliess am 6. Oktober 2022 ein Eheschutzurteil. Sie auferlegte die Ge­richtskosten dem Gesuchsteller und ver­pflichtete diesen, der Gesuchsgegnerin eine Parteientschädigung zu bezahlen. Mit elek­tronischer Eingabe vom 3. November 2022 erhob der Gesuchsteller (bzw. dessen Rechts­vertretung) Beschwerde und bediente sich dabei der Versandart «Vertraulich» von IncaMail.

Aus den Erwägungen:

4. a) Gemäss Art. 143 Abs. 2 ZPO ist bei elektronischer Einreichung für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind. Der Gesetzgeber statuierte damit ausdrücklich das Empfangsprinzip: Der Eingang der Sendung muss innert Frist bestätigt worden sein (Botschaft zur Schwei­zerischen Zivilprozessordnung [ZPO] vom 28. Juni 2006, BBL 2006, S. 7221 ff., S. 7308).

Mit dem blossen Eingang beim Gericht ohne Bestätigung ist die Frist nicht gewahrt (ZK ZPO -Staehelin, Art. 143 N. 5; ähn­lich BGer 2C_502/2018 vom 4. April 2019, Erw. 2.4 f.). Konkret ist der Zeitpunkt mass­gebend, in welchem die von den Verfahrens­beteiligten verwendete Zustellplattform die Quittung ausstellt, dass sie die Eingabe zu­handen der Behörde erhalten hat (Abgabe­quittung; Art. 8b Abs. 1 VeÜ-ZSSV). Das EJPD bestimmt, wie dieser Zeitpunkt auf der Abgabequittung festgehalten wird (Art. 8b Abs. 2 VeÜ-ZSSV). Es hat den Inhalt der Quittung im Anhang seiner Verordnung über die Anerkennung von Plattformen für die sichere Zustellung im Rahmen von recht­lichen Verfahren vom 16. September 2014 (SR 272.11) konkretisiert. Gemäss Ziff. 5.1 dieses Anhangs (abrufbar unter Rechtsinformatik: E-Übermittlung Kriterienkatalog (PDF), besucht am 20. Januar 2023) muss sie folgende Angaben enthalten:

  • Informationen zur Quittung
    • 1)  Name der die Quittung ausstellenden Zustellplattform, Angabe, ob es sich um eine Abgabe-, Abhol-, Verfall- oder Annahmeverweigerungsquittung handelt

Information zur Absenderin oder zum Absender der Nachricht (Name, E-Mail-Adresse),

    • 2)  Information zur Empfängerin oder zum Empfänger der Nachricht (Name, E-Mail-Adresse),
    • 3)  Betreff-Feld (falls vorhanden),
    • 4)  Zeitstempel;
  • Komponenten oder Informationen zu den einzelnen Komponenten der Nachricht (wenn die Nachricht nicht End-to-End verschlüsselt ist)
    • 1)  Name der Komponente (falls vorhan­den),
    • 2)  Typ und Format der Komponente,
    • 3)  Grösse der Komponente in Bytes,
    • 4)  Hashwert(e) der Komponente, wenn möglich gebildet mit zwei verschiede­nen kryptografischen Hashfunktionen;
  • den Quittungszeitpunkt;
  • eine fortgeschrittene elektronische Signa­tur gemäss Bundesgesetz vom 19. Dezem­ber 2003 über die elektronische Signatur (SR 943.03).

Ziff. 5.5 lit. a bestimmt sodann, dass die Quittung von der Zustellplattform als elekt­ronisch signierte Datei im Format PDF her­gestellt wird. Die elektronische Signatur ba­siert auf einem Zertifikat einer anerkannten Anbieterin und ist mit einem entsprechen­den Zeitstempel verbunden (Ziff. 5.2 lit. a).

[…1

  • c)    Die eingereichte Bestätigungs-E-Mail erfüllt die Anforderungen an die (zertifi­zierte) Quittung nicht. Insbesondere fehlen die Angaben, ob es sich um eine Abgabe-, Abhol-, Verfall- oder Annahmeverweigerungsquittung handelt, sowie der Zeitstem­pel und die elektronische Signatur. Dasselbe gilt für das Logbuch.
  • d) Ergänzend ist Folgendes anzumerken: Zurzeit sind zwei Zustellplattformen anerkannt, nämlich PrivaSphere Secure Messaging der PrivaSphere AG sowie IncaMail der Schweizerischen Post (E-Übermittlung, besucht am 20. Januar 2023). Bei IncaMail gibt es die Versandarten <Vertraulich>, <Persönlich> und <Eingeschrie­ben>. Der Absender von vertraulichen und persönlichen IncaMail-Nachrichten erhält eine Versandbestätigung, während ihm beim Einschreiben eine Versand- und Empfangs­quittung in Form einer signierten PDF-Datei zugestellt wird (IncaMail – Wie funktioniert IncaMail?, besucht am 20. Januar 2023). Nur wer bei IncaMail die Versandart <Eingeschrieben> wählt, erhält somit eine Abgabequittung im Sinne von Art. 143 Abs. 2 ZPO (s. Peter Guyan/Lukas Huber, Elektronischer Rechtsverkehr nach VeÜ-ZSSchK, AJP 2011, S. 74 ff., S. 79). Das Gericht verstösst nicht gegen das Verbot des überspitzten Formalismus, wenn es auf eine elektronische Eingabe nicht eintritt, welche die Voraussetzungen an die Form solcher Eingaben nicht erfüllt (BGer 5A_6501 2011 vom 27. Januar 2012, Erw. 4).
  • e) Die Rechtsvertreterin des Gesuchstel­lers bediente sich der Versandart <Vertrau­lich> von IncaMail und erhielt entsprechend keine signierte PDF-Datei, welche den An­forderungen an die Abgabequittung genügt. Sie wählte damit einen Übermittlungsweg, mit welchem – wie bei einer gewöhnlichen E-Mail (Georges Chanson, <Durchklick>: Frist­wahrung auf elektronischem Weg, Anwalts­revue 2012, S. 248 ff., S. 249) – keine frist­wahrenden elektronischen Eingaben mög­lich sind. Der guten Ordnung halber ist festzuhalten, dass offenbar auch die elektro­nische Eingabe vom 10. Januar 2023 nicht eingeschrieben versandt worden ist. Würde man sie androhungsgemäss unberücksich­tigt lassen oder gegebenenfalls eine Nach­frist ansetzen, so würde sich indessen nichts am Ergebnis ändern.
  • f) Zusammenfassend ist auf die Beschwer­de nicht einzutreten.»

Quelle: ZR 122 (2023) Nr. 15, S. 58 ff.

Obergericht des Kantons Zürich
1. Zivilkammer
Beschluss vom 25. Januar 2023
RE220012
ZR 122 (2023) Nr. 15, S. 58 ff.

Quelle

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