ZPO 143 Abs. 2
Das Obergericht des Kantons Zürich hat sich im Rahmen eines Nichteintretensentscheids mit den Voraussetzungen der Einreichungsform digitaler Eingaben befassen müssen und diese instruktiven Erwägungen auszugsweise in den Blättern für Zürcherische Rechtsprechung (ZR) veröffentlicht.
Vorab das Ergebnis:
Wer die Zustellplattform „IncaMail“ der Schweizerischen Post nutzt, um eine Eingabe elektronisch bei Gericht einzureichen, muss sich für den Erhalt einer „Quittung“ der Versandart „Eingeschrieben“ bedienen.
Bei der Versandart „Vertraulich“ wird keine Aufgabequittung im Sinne von ZPO 143 Abs. 2 ausgestellt.
Die Details:
Zu den in ZR 122 (2023) Nr. 15, S. 58 ff., publizierten Grundlagen des Entscheids des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 25.01.2023 (RE220012):
„Sachverhalt:
Die Vorinstanz erliess am 6. Oktober 2022 ein Eheschutzurteil. Sie auferlegte die Gerichtskosten dem Gesuchsteller und verpflichtete diesen, der Gesuchsgegnerin eine Parteientschädigung zu bezahlen. Mit elektronischer Eingabe vom 3. November 2022 erhob der Gesuchsteller (bzw. dessen Rechtsvertretung) Beschwerde und bediente sich dabei der Versandart «Vertraulich» von IncaMail.
Aus den Erwägungen:
4. a) Gemäss Art. 143 Abs. 2 ZPO ist bei elektronischer Einreichung für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind. Der Gesetzgeber statuierte damit ausdrücklich das Empfangsprinzip: Der Eingang der Sendung muss innert Frist bestätigt worden sein (Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO] vom 28. Juni 2006, BBL 2006, S. 7221 ff., S. 7308).
Mit dem blossen Eingang beim Gericht ohne Bestätigung ist die Frist nicht gewahrt (ZK ZPO -Staehelin, Art. 143 N. 5; ähnlich BGer 2C_502/2018 vom 4. April 2019, Erw. 2.4 f.). Konkret ist der Zeitpunkt massgebend, in welchem die von den Verfahrensbeteiligten verwendete Zustellplattform die Quittung ausstellt, dass sie die Eingabe zuhanden der Behörde erhalten hat (Abgabequittung; Art. 8b Abs. 1 VeÜ-ZSSV). Das EJPD bestimmt, wie dieser Zeitpunkt auf der Abgabequittung festgehalten wird (Art. 8b Abs. 2 VeÜ-ZSSV). Es hat den Inhalt der Quittung im Anhang seiner Verordnung über die Anerkennung von Plattformen für die sichere Zustellung im Rahmen von rechtlichen Verfahren vom 16. September 2014 (SR 272.11) konkretisiert. Gemäss Ziff. 5.1 dieses Anhangs (abrufbar unter Rechtsinformatik: E-Übermittlung Kriterienkatalog (PDF), besucht am 20. Januar 2023) muss sie folgende Angaben enthalten:
- Informationen zur Quittung
- 1) Name der die Quittung ausstellenden Zustellplattform, Angabe, ob es sich um eine Abgabe-, Abhol-, Verfall- oder Annahmeverweigerungsquittung handelt
Information zur Absenderin oder zum Absender der Nachricht (Name, E-Mail-Adresse),
-
- 2) Information zur Empfängerin oder zum Empfänger der Nachricht (Name, E-Mail-Adresse),
- 3) Betreff-Feld (falls vorhanden),
- 4) Zeitstempel;
- Komponenten oder Informationen zu den einzelnen Komponenten der Nachricht (wenn die Nachricht nicht End-to-End verschlüsselt ist)
- 1) Name der Komponente (falls vorhanden),
- 2) Typ und Format der Komponente,
- 3) Grösse der Komponente in Bytes,
- 4) Hashwert(e) der Komponente, wenn möglich gebildet mit zwei verschiedenen kryptografischen Hashfunktionen;
- den Quittungszeitpunkt;
- eine fortgeschrittene elektronische Signatur gemäss Bundesgesetz vom 19. Dezember 2003 über die elektronische Signatur (SR 943.03).
Ziff. 5.5 lit. a bestimmt sodann, dass die Quittung von der Zustellplattform als elektronisch signierte Datei im Format PDF hergestellt wird. Die elektronische Signatur basiert auf einem Zertifikat einer anerkannten Anbieterin und ist mit einem entsprechenden Zeitstempel verbunden (Ziff. 5.2 lit. a).
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- c) Die eingereichte Bestätigungs-E-Mail erfüllt die Anforderungen an die (zertifizierte) Quittung nicht. Insbesondere fehlen die Angaben, ob es sich um eine Abgabe-, Abhol-, Verfall- oder Annahmeverweigerungsquittung handelt, sowie der Zeitstempel und die elektronische Signatur. Dasselbe gilt für das Logbuch.
- d) Ergänzend ist Folgendes anzumerken: Zurzeit sind zwei Zustellplattformen anerkannt, nämlich PrivaSphere Secure Messaging der PrivaSphere AG sowie IncaMail der Schweizerischen Post (E-Übermittlung, besucht am 20. Januar 2023). Bei IncaMail gibt es die Versandarten <Vertraulich>, <Persönlich> und <Eingeschrieben>. Der Absender von vertraulichen und persönlichen IncaMail-Nachrichten erhält eine Versandbestätigung, während ihm beim Einschreiben eine Versand- und Empfangsquittung in Form einer signierten PDF-Datei zugestellt wird (IncaMail – Wie funktioniert IncaMail?, besucht am 20. Januar 2023). Nur wer bei IncaMail die Versandart <Eingeschrieben> wählt, erhält somit eine Abgabequittung im Sinne von Art. 143 Abs. 2 ZPO (s. Peter Guyan/Lukas Huber, Elektronischer Rechtsverkehr nach VeÜ-ZSSchK, AJP 2011, S. 74 ff., S. 79). Das Gericht verstösst nicht gegen das Verbot des überspitzten Formalismus, wenn es auf eine elektronische Eingabe nicht eintritt, welche die Voraussetzungen an die Form solcher Eingaben nicht erfüllt (BGer 5A_6501 2011 vom 27. Januar 2012, Erw. 4).
- e) Die Rechtsvertreterin des Gesuchstellers bediente sich der Versandart <Vertraulich> von IncaMail und erhielt entsprechend keine signierte PDF-Datei, welche den Anforderungen an die Abgabequittung genügt. Sie wählte damit einen Übermittlungsweg, mit welchem – wie bei einer gewöhnlichen E-Mail (Georges Chanson, <Durchklick>: Fristwahrung auf elektronischem Weg, Anwaltsrevue 2012, S. 248 ff., S. 249) – keine fristwahrenden elektronischen Eingaben möglich sind. Der guten Ordnung halber ist festzuhalten, dass offenbar auch die elektronische Eingabe vom 10. Januar 2023 nicht eingeschrieben versandt worden ist. Würde man sie androhungsgemäss unberücksichtigt lassen oder gegebenenfalls eine Nachfrist ansetzen, so würde sich indessen nichts am Ergebnis ändern.
- f) Zusammenfassend ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.»
Quelle: ZR 122 (2023) Nr. 15, S. 58 ff.
Obergericht des Kantons Zürich
1. Zivilkammer
Beschluss vom 25. Januar 2023
RE220012
ZR 122 (2023) Nr. 15, S. 58 ff.
Weiterführende Informationen
Art. 143 ZPO Einhaltung
1 Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Gericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden.
2 Bei elektronischer Einreichung ist für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind.54
3 Die Frist für eine Zahlung an das Gericht ist eingehalten, wenn der Betrag spätestens am letzten Tag der Frist zugunsten des Gerichts der Schweizerischen Post übergeben oder einem Post- oder Bankkonto in der Schweiz belastet worden ist.
54 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 5 des BG vom 18. März 2016 über die elektronische Signatur, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 4651; BBl 2014 1001).
Quelle
LawMedia Redaktionsteam