OR 273c
Einleitung
Für den Vermieter stellt sich immer wieder die Frage, wo und in welchen Fällen er sich mit einer vertraglichen Abrede vor einem Missbrauch des Kündigungsschutzes schützen kann.
Agenda
Kündigungsschutz
Die Kündigungsschutzvorschriften von OR 271 – 273c (siehe Box unten) sind einseitig zwingend:
- D.h., dass der Mieter nur dann auf die ihm eingeräumten Rechte vertraglich nicht verzichten kann, sofern und soweit das Gesetz den Verzicht nicht zulässt.
Unwirksamer Vorausverzicht
Die Unwirksamkeit betrifft dabei bloss, aber immerhin, den Vorausverzicht:
- Der Vermieter kann nicht auf noch nicht entstandene Rechte verzichten.
Gemischte Verträge
Die Unwirksamkeit des Verzichts gilt auch für den sog. «gemischten Vertrag», der eine mietrechtliche Komponente enthält, wie:
- Den gemischten Miet- und Arbeitsvertrag (zB Hauswartsvertrag mit Mietvertrag für die Hauswartwohnung).
Der Hauswart kann in einem sog. «gemischten Arbeits- und Mietvertrag» bei Vertragsschluss nicht auf ein Erstreckungsbegehren bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verzichten.
Von Gesetzes wegen zulässige Verzichte
Zulässig von Gesetzes wegen sind folgende Verzichte:
- Verzicht auf eine zweite Mieterstreckung im Rahmen einer einvernehmlichen Ersterstreckung gemäss OR 272b Abs. 2 (siehe Box unten);
- Verzicht auf die Kündigungsmöglichkeiten nach OR 272d (siehe Box unten).
Zulässigkeit des Verzichts auf entstandene Rechte
Zulässig sind Verzichte, sobald die Fristen von OR 273 zu laufen begonnen haben, beispielsweise:
- Ein Verzicht auf die Anfechtung der Kündigung oder
- ein Verzicht auf die Mieterstreckung.
Fazit
Angesagt ist immer ein legales Vorgehen:
- Deshalb bleibt nur die rechtzeitige Nutzung des Instrumentariums zulässiger Verzichte als Hilfsmittel.
Weiterführende Informationen
- Mietvertrag
- Grundregel Kündigungsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen
- Immobiliarmiete: Mietvertrag
- ZMP 1991 Nr. 35 (Vorausverzicht bei sog. «gemischtem Vertrag»)
Dritter Abschnitt:
Kündigungsschutz bei der Miete von Wohn-
und Geschäftsräumen
A. Anfechtbarkeit der Kündigung
I. Im Allgemeinen
Art. 271 OR
1 Die Kündigung ist anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst.
2 Die Kündigung muss auf Verlangen begründet werden.
II. Kündigung durch den Vermieter
Art. 271a OR
1 Die Kündigung durch den Vermieter ist insbesondere anfechtbar, wenn sie ausgesprochen wird:
- weil der Mieter nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Mietverhältnis geltend macht;
- weil der Vermieter eine einseitige Vertragsänderung zu Lasten des Mieters oder eine Mietzinsanpassung durchsetzen will;
- allein um den Mieter zum Erwerb der gemieteten Wohnung zu veranlassen;
- während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens, ausser wenn der Mieter das Verfahren missbräuchlich eingeleitet hat;
- vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens, in dem der Vermieter:
1. zu einem erheblichen Teil unterlegen ist;
2. seine Forderung oder Klage zurückgezogen oder erheblich eingeschränkt hat;
3. auf die Anrufung des Richters verzichtet hat;
4. mit dem Mieter einen Vergleich geschlossen oder sich sonstwie geeinigt hat;
- wegen Änderungen in der familiären Situation des Mieters, aus denen dem Vermieter keine wesentlichen Nachteile entstehen.
2 Absatz 1 Buchstabe e ist auch anwendbar, wenn der Mieter durch Schriftstücke nachweisen kann, dass er sich mit dem Vermieter ausserhalb eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens über eine Forderung aus dem Mietverhältnis geeinigt hat.
3 Absatz 1 Buchstaben d und e sind nicht anwendbar bei Kündigungen:
- wegen dringenden Eigenbedarfs des Vermieters für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte;
- wegen Zahlungsrückstand des Mieters (Art. 257d);
- wegen schwerer Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme (Art. 257f Abs. 3 und 4);
- infolge Veräusserung der Sache (Art. 261);
- aus wichtigen Gründen (Art. 266g);
- wegen Konkurs des Mieters (Art. 266h).
B. Erstreckung des Mietverhältnisses
I. Anspruch des Mieters
Art. 272 OR
1 Der Mieter kann die Erstreckung eines befristeten oder unbefristeten Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung der Miete für ihn oder seine Familie eine Härte zur Folge hätte, die durch die Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre.
2 Bei der Interessenabwägung berücksichtigt die zuständige Behörde insbesondere:
- die Umstände des Vertragsabschlusses und den Inhalt des Vertrags;
- die Dauer des Mietverhältnisses;
- die persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien und deren Verhalten;
- einen allfälligen Eigenbedarf des Vermieters für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte sowie die Dringlichkeit dieses Bedarfs;
- die Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume.
3 Verlangt der Mieter eine zweite Erstreckung, so berücksichtigt die zuständige Behörde auch, ob er zur Abwendung der Härte alles unternommen hat, was ihm zuzumuten war.
II. Ausschluss der Erstreckung
Art. 272a OR
1 Die Erstreckung ist ausgeschlossen bei Kündigungen:
- wegen Zahlungsrückstand des Mieters (Art. 257d);
- wegen schwerer Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme (Art. 257f Abs. 3 und 4);
- wegen Konkurs des Mieters (Art. 266h).
- eines Mietvertrages, welcher im Hinblick auf ein bevorstehendes Umbau- oder Abbruchvorhaben ausdrücklich nur für die beschränkte Zeit bis zum Baubeginn oder bis zum Erhalt der erforderlichen Bewilligung abgeschlossen wurde.
2 Die Erstreckung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn der Vermieter dem Mieter einen gleichwertigen Ersatz für die Wohn- oder Geschäftsräume anbietet.
III. Dauer der Erstreckung
Art. 272b OR
1 Das Mietverhältnis kann für Wohnräume um höchstens vier, für Geschäftsräume um höchstens sechs Jahre erstreckt werden. Im Rahmen der Höchstdauer können eine oder zwei Erstreckungen gewährt werden.
2 Vereinbaren die Parteien eine Erstreckung des Mietverhältnisses, so sind sie an keine Höchstdauer gebunden, und der Mieter kann auf eine zweite Erstreckung verzichten.
IV. Weitergeltung des Mietvertrags
Art. 272c OR
1 Jede Partei kann verlangen, dass der Vertrag im Erstreckungsentscheid veränderten Verhältnissen angepasst wird.
2 Ist der Vertrag im Erstreckungsentscheid nicht geändert worden, so gilt er während der Erstreckung unverändert weiter; vorbehalten bleiben die gesetzlichen Anpassungsmöglichkeiten.
V. Kündigung während der Erstreckung
Art. 272d OR
Legt der Erstreckungsentscheid oder die Erstreckungsvereinbarung nichts anderes fest, so kann der Mieter das Mietverhältnis wie folgt kündigen:
- bei Erstreckung bis zu einem Jahr mit einer einmonatigen Frist auf Ende eines Monats;
- bei Erstreckung von mehr als einem Jahr mit einer dreimonatigen Frist auf einen gesetzlichen Termin.
C. Fristen und Verfahren102
102 Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 5 der Zivilprozessordnung vom 19. Dez. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221).
Art. 273 OR
1 Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie das Begehren innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen.
2 Will der Mieter eine Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen, so muss er das Begehren der Schlichtungsbehörde einreichen:
- bei einem unbefristeten Mietverhältnis innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung;
- bei einem befristeten Mietverhältnis spätestens 60 Tage vor Ablauf der Vertragsdauer.
3 Das Begehren um eine zweite Erstreckung muss der Mieter der Schlichtungsbehörde spätestens 60 Tage vor Ablauf der ersten einreichen.
4 Das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde richtet sich nach der ZPO103.104
5 Weist die zuständige Behörde ein Begehren des Mieters betreffend Anfechtung der Kündigung ab, so prüft sie von Amtes wegen, ob das Mietverhältnis erstreckt werden kann.105
104 Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 5 der Zivilprozessordnung vom 19. Dez. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221).
105 Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 5 der Zivilprozessordnung vom 19. Dez. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221).
D. Wohnung der Familie
Art. 273a OR
1 Dient die gemietete Sache als Wohnung der Familie, so kann auch der Ehegatte des Mieters die Kündigung anfechten, die Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen oder die übrigen Rechte ausüben, die dem Mieter bei Kündigung zustehen.
2 Vereinbarungen über die Erstreckung sind nur gültig, wenn sie mit beiden Ehegatten abgeschlossen werden.
3 Die gleiche Regelung gilt bei eingetragenen Partnerschaften sinngemäss.106
106 Eingefügt durch Anhang Ziff. 11 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2005 5685; BBl 2003 1288).
E. Untermiete
Art. 273b OR
1 Dieser Abschnitt gilt für die Untermiete, solange das Hauptmietverhältnis nicht aufgelöst ist. Die Untermiete kann nur für die Dauer des Hauptmietverhältnisses erstreckt werden.
2 Bezweckt die Untermiete hauptsächlich die Umgehung der Vorschriften über den Kündigungsschutz, so wird dem Untermieter ohne Rücksicht auf das Hauptmietverhältnis Kündigungsschutz gewährt. Wird das Hauptmietverhältnis gekündigt, so tritt der Vermieter anstelle des Mieters in den Vertrag mit dem Untermieter ein.
F. Zwingende Bestimmungen
Art. 273c OR
1 Der Mieter kann auf Rechte, die ihm nach diesem Abschnitt zustehen, nur verzichten, wenn dies ausdrücklich vorgesehen ist.
2 Abweichende Vereinbarungen sind nichtig.
Quelle
LawMedia Redaktionsteam