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Vertrag / Vertragsrecht

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Verjährung: Vorteile der Verjährungsunterbrechung durch schriftliche Schuldanerkennung

mit Exkurs: Verjährungseinredeverzichtserklärung

Datum:
06.10.2023
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Verjährung, Vertrag / Vertragsrecht
Thema:
Verjährung
Stichworte:
Gläubiger, Schuldanerkennung, Schuldner, Unterbrechungshandlungen, Verjährung, Verjährungseinredeverzichtserklärung, Verjährungsunterbrechung
Autor:
RA Urs Bürgi
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Urs Bürgi
Rechtsanwalt und Inhaber des zürch. Notar-, Grundbuch- und Konkursverwalter-Patentes,
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte, Zürich

Einleitung

Die Verjährungsfristen können durch Handlungen des Gläubigers oder des Schuldners unterbrochen werden, mit dem Prinzip, dass eine neue Verjährungsfrist von gleicher Länge zu laufen beginnt (vgl. OR 135).

Die Dauer der neuen Verjährungsfrist kann aber durch die Wahl des Unterbrechungsmittels beeinflusst werden (vgl. OR 137)

Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich mit diesem Aspekt.

Verjährungsunterbrechungs-Möglichkeiten

Sowohl durch Handlungen des Gläubigers als auch des Schuldners können Verjährungsfristen unterbrochen werden, mit der Wirkung, dass eine neue Verjährungsfrist von gleicher Länge zu laufen beginnt (OR 135 ff.).

Unterbrechungshandlungen des Schuldners

Die Verjährungsunterbrechung kann durch den Schuldner erfolgen (vgl. OR 135 Ziffer 1), und zwar durch:

  • (ausdrückliche) Forderungsanerkennung
    • zB durch Schuldanerkennung
    • zB durch Stundungsvereinbarung
    • zB durch Ausstellung eines Schuldscheines
    • zB durch Erklärung des Schuldners, er werde demnächst zahlen
    • zB durch Vergleich
  • Stillschweigende Forderungsanerkennung
    • zB durch Anzahlung, die das Bestehen einer Restschuld nicht ausschliesst
    • zB durch Teilzahlungen
    • zB durch Leistung einer Akontozahlung
    • zB durch Anerkennung der Gewährleistungs- bzw. Nachbesserungspflicht
    • zB durch Nachbesserung eines Werkes
    • zB durch Zinszahlung
    • zB durch Bestellung von Sicherheiten
    • zB durch Bürgschaftsbestellung
    • durch Verrechnungserklärung
    • zB Erklärung der Verrechnung mit einer Gegenforderung, sofern und soweit der Schuldner zu erkennen gibt, dass er die Hauptforderung damit nicht vollständig getilgt habe

Vgl. zu den einzelnen Unterbrechungshandlungen des Schuldners

Unterbrechungshandlungen des Gläubigers

Der Gläubiger hat aufgrund von OR 135 Ziffer 2 folgende Verjährungsunterbrechungs-Möglichkeiten:

  • Schuldbetreibung
    • zB Stellung des Betreibungsbegehrens
  • Klage vor einem staatlichen Gericht oder Schiedsgericht
    • zB Einreichung des Schlichtungsbegehrens beim Friedensrichter, sofern und soweit dieser zuständig ist.
  • Eingabe im Konkurs
    • zB Forderungseingabe beim Konkursamt, falls über das Vermögen des Schuldners der Konkurs eröffnet wurde

Vgl. hiezu auch:

Unterbrechung durch Schuldanerkennung

Einleitung

Unterbrochen wird die Forderungsverjährung auch durch die Anerkennung einer Forderung von Seiten des Schuldners (vgl. OR 135 Ziffer 1).

Voraussetzungen

a) Schuldanerkennung gemäss  OR 135 Ziffer 1

Die Schuldanerkennung gemäss OR 135 Ziffer 1 unterliegt grundsätzlich keiner Schriftform. Sie kann gemäss Bundesgericht ausdrücklich, stillschweigend, mündlich oder schriftlich erfolgen.

In der Praxis wird die Schuldanerkennung i.d.R. (zu Beweiszwecken) schriftlich erklärt.

Aus der Anerkennungserklärung muss genügend bestimmt hervorgehen, welche Forderung der Schuldner anerkennt. Hinsichtlich Unterbrechungswirkung spielt es aber keine Rolle, ob der Schuldner hinsichtlich Höhe bzw. Umfang der Schuld unsicher ist, da sich seine Erklärung nicht auf einen bestimmten Betrag beziehen muss. Eine grundsätzliche Anerkennung hat die Wirkung der verjährungsunterbrechenden Schuldanerkennung, auch wenn der tatsächlich geschuldete Betrag noch nicht feststeht oder strittig ist. Wird vom Schuldner keine Angabe zur Schuldhöhe gemacht, erstreckt sich die Verjährungsunterbrechung auf den gesamten sich aus dem anerkannten Forderungsgrund ergebenden Betrag.

b) «qualifizierte Schuldanerkennung» bzw.  «urkundliche (Schuld-)Anerkennung» gemäss OR 135 Ziffer 1 i.V.m. OR 137 Abs. 2

Eine «qualifizierte Schuldanerkennung» bzw. sog. «urkundliche (Schuld-)Anerkennung» gemäss OR 135 Ziffer 1 i.V.m. OR 137 Abs. 2 setzt folgendes voraus:

  • Schriftliche Bezifferung der Forderung
  • Unterschriftliche Anerkennung der Forderung.

Die Bestimmung von OR 137 Abs. 2 wird in der Praxis eng ausgelegt:

  • Gleiche Anforderungen wie an die unterschriftlich bekräftigte Schuldanerkennung im Sinne von SchKG 82 (Rechtsöffnungstitel).
  • Aus der Schuldanerkennungs-Urkunde müssen Schuldner und Gläubiger sowie der geschuldete bzw. anerkannte Betrag deutlich erkennbar sein.

Dauer der neuen Verjährungsfrist

Der verjährungstechnisch ganz wesentliche Vorteil einer «qualifizierten Schuldanerkennung» liegt im Ergebnis, dass die Forderung – unabhängig von der bisherigen, meist rechtstitelabhängigen Verjährungsfrist (siehe nachfolgende Box zu OR 128) – eine neue Verjährungsfristdauer von 10 Jahren aufweist:

  • «Wird die Forderung durch Ausstellung einer Urkunde anerkannt oder durch Urteil des Richters festgestellt, so ist die neue Verjährungsfrist stets die zehnjährige.» (OR 137 Abs. 2)

Liegt zwar eine Schuldanerkennung im Sinne von OR 135 Ziff. 1, jedoch nicht in der qualifizierten Form von OR 137 Abs. 2 vor, dann gilt die allgemeine Regelung von OR 137 Abs. 1, dass die Verjährung von neuem zu laufen beginnt und zwar (gemäss Bundesgericht) mit einer Dauer, welche der bisherigen Verjährungsfist entspricht.

Weitere Vorteile

Die weiteren Vorteile einer qualifizierten, schriftlichen Schuldanerkennung gemäss OR 137 Abs. 2 sind:

  • Mit einer korrekten Schuldanerkennung wird nicht nur die Schuld als solche, sondern auch deren Quantitativ anerkannt.
    • Es ist also nicht nur der Forderungsbestand, sondern auch die Höhe der Schuld bzw. Forderung anerkannt.
  • Eine bezifferte und unterzeichnete Schuldanerkennung stellt auch einen sog. Rechtsöffnungstitel dar, mit welchem im Verfahren betreffend provisorische Rechtsöffnung grundsätzlich ein Rechtsvorschlag beseitigt werden kann.
    • Die urkundliche Schuldanerkennung ermöglicht es dem Gläubiger, den Rechtsvorschlag des Schuldners im Betreibungsverfahren nicht auf dem Wege des ordentlichen Prozesses (sog. Anerkennungsprozess), sondern im einfacheren und schnelleren Rechtsöffnungsverfahren beseitigen zu können.

Vgl. zur provisorischen Rechtsöffnung:

Exkurs: Verjährungseinredeverzichtserklärung

Liegt es im Interesse beider Parteien, Zeit für eine gütliche bzw. ausserprozessuale Beilegung ihres Konfliktes zu finden und soll der Gläubiger weder klagen noch betreiben müssen, wird in der Praxis oft ein sog. Verjährungsverzicht (auch: Verjährungseinredeverzicht) vereinbart:

  • Der Verjährungseinredeverzicht (auch: Verjährungsverzicht) ist eine einseitige Erklärung des Schuldners, für eine bestimmte Dauer auf die Verjährungseinrede zu verzichten.

Der grosse Nachteil des Verjährungseinredeverzichts ist, dass die (strittige) Forderung meistens während der Verjährungseinredeverzichtsfrist verjährt. Ist der Schuldner nicht bereit, vor Ablauf der Verjährungseinredeverzichtsfrist eine neue solche Erklärung für eine weitere Einredeverzichtsfrist zu unterzeichnen, steht der Gläubiger mit einer verjährten, nicht mehr durchsetzbaren Forderung da.

Zudem unterbreiten die anwaltlichen Vertreter des Schuldners oft ungenügende Verzichtserklärungen (nicht oder zu wenig bestimmbare Schuld, keine Nennung eines Betrages, Vorbehalt, dass die Schuld/Forderung bereits verjährt sein könnte (verjährte Forderungen sind Naturalschulden und können prozessual nur durchgesetzt werden, wenn der Schuldner nicht die Verjährungseinrede erhebt, vgl. OR 142 siehe Box unten)).

In jedem Falle ist eine (stille) Betreibung, Klage oder – sofern der Schuldner bereit ist – eine klare Schuldanerkennung einer Verjährungseinredeverzichtserklärung vorzuziehen.

Vgl. zur Verjährungseinredeverzichtserklärung auch:

Vgl. zur stillen Betreibung:

Fazit

Den Gläubigern ist zu empfehlen, (in guten Zeiten) den Loyalitätstest des Schuldners zu machen und eine «Schuldanerkennung» schriftlich unterzeichnen zu lassen.

Ist der Schuldner hiezu nicht bereit, hat sich der Gläubiger zu überlegen, ob er zur Wahrung seiner Rechte die sichere Verjährungsunterbrechungsvariante der Betreibung oder Einreichung des Schlichtungsbegehrens vornehmen soll (beide lassen sich wieder zurückziehen).

Sofern und soweit möglich, sollte aus Sicherheitsgründen keine Verjährungseinredeverzichtserklärung als Verjährungsunterbrechungsmittel verwendet werden, ist doch zu bedenken, dass die Verjährung eintritt und der Schuldner im dereinstigen Prozess nur, aber immerhin, auf die Verjährungseinrede verzichtet. In der Praxis werden dem Gläubiger oft zu wenig bindende Texte für Verjährungsverzichtserklärungen unterbreitet (kein Rechtsgeschäftebezug, kein Quantitativ etc.). Jedenfalls sollte einem Streit über Bestand oder Nichtbestand des Verjährungsverzichts aus dem Wege gegangen und die sicheren Alternativen von Betreibung oder Klage eingesetzt werden.

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