OR 336c Abs. 1 lit. b; OR 336 Abs. 1 lit. a und d
Das Bundesgericht (BGer) bestätigte erstens den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Kündigungsfreiheit.
Gemäss BGer gilt zweitens der Grundsatz der Kündigungsfreiheit auch nach Ablauf der Arbeitsunfähigkeits-Schutzfrist.
Bei Kündigungen wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit differenziert das BGer drittens wie folgt:
- Nicht vom Arbeitgeber zu verantwortende Arbeitsunfähigkeit
- Führte ein Konflikt am Arbeitsplatz zu einer psychischen Erkrankung des Arbeitnehmers, gilt die nach Ablauf der Schutzfrist ausgesprochene Kündigung des Arbeitsvertrages grundsätzlich nicht als missbräuchlich.
- Ausnahme: Vom Arbeitgeber unmittelbar verursachte Krankheit des Arbeitnehmers
- Die Kündigung des Arbeitsvertrages nach Ablauf der Schutzfrist trotz fortbestehender Krankheit ist nur im Ausnahmefall missbräuchlich, wenn der Arbeitgeber die Krankheit des Arbeitnehmers unmittelbar verursacht hat.
Das Grundsatzurteil des BGer beanstandet die gängige Praxis unterer Gerichtsinstanzen, wonach eine Kündigung aufgrund der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers automatisch als missbräuchlich beurteilt wird.
BGer 4A_396/2022 vom 07.10.2023
III. Kündigungsschutz
1. Missbräuchliche Kündigung
a. Grundsatz
Art. 336 OR
1 Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht:
- wegen einer Eigenschaft, die der anderen Partei kraft ihrer Persönlichkeit zusteht, es sei denn, diese Eigenschaft stehe in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb;
- weil die andere Partei ein verfassungsmässiges Recht ausübt, es sei denn, die Rechtsausübung verletze eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb;
- ausschliesslich um die Entstehung von Ansprüchen der anderen Partei aus dem Arbeitsverhältnis zu vereiteln;
- weil die andere Partei nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend macht;
- weil die andere Partei schweizerischen obligatorischen Militär- oder Schutzdienst oder schweizerischen Zivildienst leistet oder eine nicht freiwillig übernommene gesetzliche Pflicht erfüllt.
2 Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ist im Weiteren missbräuchlich, wenn sie ausgesprochen wird:
- weil der Arbeitnehmer einem Arbeitnehmerverband angehört oder nicht angehört oder weil er eine gewerkschaftliche Tätigkeit rechtmässig ausübt;
- während der Arbeitnehmer gewählter Arbeitnehmervertreter in einer betrieblichen oder in einer dem Unternehmen angeschlossenen Einrichtung ist, und der Arbeitgeber nicht beweisen kann, dass er einen begründeten Anlass zur Kündigung hatte;
- im Rahmen einer Massenentlassung, ohne dass die Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, die Arbeitnehmer, konsultiert worden sind (Art. 335f).
3 Der Schutz eines Arbeitnehmervertreters nach Absatz 2 Buchstabe b, dessen Mandat infolge Übergangs des Arbeitsverhältnisses endet (Art. 333), besteht so lange weiter, als das Mandat gedauert hätte, falls das Arbeitsverhältnis nicht übertragen worden wäre.
2. Kündigung zur Unzeit
a. durch den Arbeitgeber
Art. 336c OR
1 Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen:
- während die andere Partei schweizerischen obligatorischen Militär- oder Schutzdienst oder schweizerischen Zivildienst leistet, sowie, sofern die Dienstleistung mehr als elf Tage dauert, während vier Wochen vorher und nachher;
- während der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder durch Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist, und zwar im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab zweitem bis und mit fünftem Dienstjahr während 90 Tagen und ab sechstem Dienstjahr während 180 Tagen;
- während der Schwangerschaft und in den 16 Wochen nach der Niederkunft einer Arbeitnehmerin;
cbis vor dem Ende des verlängerten Mutterschaftsurlaubs nach Artikel 329f Absatz 2;
cter solange der Anspruch auf Betreuungsurlaub nach Artikel 329i besteht, längstens aber während sechs Monaten ab dem Tag, an dem die Rahmenfrist zu laufen beginnt; - während der Arbeitnehmer mit Zustimmung des Arbeitgebers an einer von der zuständigen Bundesbehörde angeordneten Dienstleistung für eine Hilfsaktion im Ausland teilnimmt.
2 Die Kündigung, die während einer der in Absatz 1 festgesetzten Sperrfristen erklärt wird, ist nichtig; ist dagegen die Kündigung vor Beginn einer solchen Frist erfolgt, aber die Kündigungsfrist bis dahin noch nicht abgelaufen, so wird deren Ablauf unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt.
3 Gilt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Endtermin, wie das Ende eines Monats oder einer Arbeitswoche, und fällt dieser nicht mit dem Ende der fortgesetzten Kündigungsfrist zusammen, so verlängert sich diese bis zum nächstfolgenden Endtermin.
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Quelle
LawMedia Redaktionsteam