Sachverhalt
„Die Staatsanwaltschaft hat dem Beschuldigten unter anderem vorgeworfen, als Gesellschafter und Geschäftsführer der im Fahrzeughandel tätigen D. GmbH am 27. März 2020 das Formular «COVID-19-Kredit (Kreditvereinbarung)» ausgefüllt, unterschrieben und bei der Bank C. AG eingereicht zu haben, wobei er unter anderem bewusst einen falschen Umsatzerlös von Fr. 1 500 000.- angegeben habe, obwohl dieser im Jahr 2018 lediglich Fr. 150 308.55 betragen habe. Auf diese Weise habe er der Bank arglistig vorgespiegelt, die D. GmbH erfülle als Kreditnehmerin die Voraussetzungen für den Erhalt eines Kredites in der Höhe von Fr. 150 000.-. Weiter soll der Beschuldigte den erhaltenen Kredit unrechtmässig verwendet haben, indem er mit den Geldern unter anderem zwei Fahrzeuge der Marke «Mercedes» beschafft habe.“
Umsatzerlöse (Re: Bezugsmissbrauch?)
Bei Covid-19-Krediten kann die Ermittlung der relevanten Umsatzerlöse gemäss Lehrmeinungen erfolgen,
- grundsätzlich
-
- gestützt auf den in den massgebenden Jahren erzielten Nettoumsatz der antragstellenden Gesellschaft;
- im Einzelfall
-
- gestützt auf den Bruttoumsatz
- zur Beurteilung bzw. zur Berücksichtigung einer falschen Angabe betreffend den im Formular «COVID-19-Kredit (Kreditvereinbarung)» angegebenen Umsatzerlös.
- gestützt auf den Bruttoumsatz
Zweckentfremdung (Re: Verwendungsmissbrauch?)
Die Frage der Zweckentfremdung eines Covid-19-Kredits vor dem Hintergrund der im Einzelfall unter Umständen komplexen Abgrenzung von Investitionen ins Anlage- oder Umlaufvermögen
- ist primär aus der Laien-Perspektive des Beschuldigten zu beantworten.
Entscheid
Der Beschuldigte wurde von den Vorwürfen des Betruges (StGB 146 Abs. 1) und der Urkundenfälschung (StGB 251 Ziff. 1) freigesprochen.
Obergericht des Kantons Zürich
1. Strafkammer
Urteil vom 22.11.2023, rechtskräftig
SB230134
ZR 123 (2024) Nr. 49, S. 198 ff.
Betrug
Art. 146 StGB
1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2 Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.205
3 Der Betrug zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
205 Fassung gemäss Ziff. I 1 des BG vom 17. Dez. 2021 über die Harmonisierung der Strafrahmen, in Kraft seit 1. Juli 2023 (AS 2023 259; BBl 2018 2827).
Urkundenfälschung
Art. 251 StGB 329
1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, eine Urkunde fälscht oder verfälscht, die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützt oder eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt, eine Urkunde dieser Art zur Täuschung gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2. …330
329 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Juni 1994, in Kraft seit 1. Jan. 1995 (AS 1994 2290; BBl 1991 II 969).
330 Aufgehoben durch Ziff. I 1 des BG vom 17. Dez. 2021 über die Harmonisierung der Strafrahmen, mit Wirkung seit 1. Juli 2023 (AS 2023 259; BBl 2018 2827).
Art. 7 SBÜV Bemessung der Solidarbürgschaft
1 Der insgesamt verbürgte Betrag gemäss den Artikeln 3 und 4 beträgt höchstens 10 Prozent des Umsatzerlöses des Gesuchstellers oder der Gesuchstellerin im Jahr 2019. Liegt der definitive Jahresabschluss 2019 nicht vor, so ist die provisorische Fassung massgebend oder, wenn auch diese fehlt, der Umsatzerlös des Jahres 2018.
2 Bei einer Aufnahme der Geschäftstätigkeit auf den 1. Januar 2020 oder später oder bei einem in Folge der Gründung im Jahr 2019 überlangen Geschäftsjahr gilt als Umsatzerlös das Dreifache der Nettolohnsumme für ein Geschäftsjahr, mindestens aber 100 000 Franken und höchstens 500 000 Franken.
I. Revisionspflicht
1. Ordentliche Revision
Art. 727 OR
1 Folgende Gesellschaften müssen ihre Jahresrechnung und gegebenenfalls ihre Konzernrechnung durch eine Revisionsstelle ordentlich prüfen lassen:
1. Publikumsgesellschaften; als solche gelten Gesellschaften, die:
a. Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert haben,
b. Anleihensobligationen ausstehend haben,
c. mindestens 20 Prozent der Aktiven oder des Umsatzes zur Konzernrechnung einer Gesellschaft nach Buchstabe a oder b beitragen;
2.610 Gesellschaften, die zwei der nachstehenden Grössen in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren überschreiten:
a. Bilanzsumme von 20 Millionen Franken,
b. Umsatzerlös von 40 Millionen Franken,
c. 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt;
3. Gesellschaften, die zur Erstellung einer Konzernrechnung verpflichtet sind.
1bis Erfolgt die Rechnungslegung nicht in Franken, so ist zur Festlegung der Werte gemäss Absatz 1 Ziffer 2 für die Bilanzsumme der Umrechnungskurs zum Bilanzstichtag und für den Umsatzerlös der Jahresdurchschnittskurs massgebend.611
2 Eine ordentliche Revision muss auch dann vorgenommen werden, wenn Aktionäre, die zusammen mindestens 10 Prozent des Aktienkapitals vertreten, dies verlangen.
3 Verlangt das Gesetz keine ordentliche Revision der Jahresrechnung, so können die Statuten vorsehen oder kann die Generalversammlung beschliessen, dass die Jahresrechnung ordentlich geprüft wird.
610 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 17. Juni 2011 (Revisionsrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2012 (AS 2011 5863; BBl 2008 1589). Siehe auch die UeB dieser Änd. hiernach.
611 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 19. Juni 2020 (Aktienrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2020 4005; 2022 109; BBl 2017 399).
A. Pflicht zur Buchführung und Rechnungslegung
Art. 957 OR
1 Der Pflicht zur Buchführung und Rechnungslegung gemäss den nachfolgenden Bestimmungen unterliegen:
1. Einzelunternehmen und Personengesellschaften, die einen Umsatzerlös von mindestens 500 000 Franken im letzten Geschäftsjahr erzielt haben;
2. juristische Personen.
2 Lediglich über die Einnahmen und Ausgaben sowie über die Vermögenslage müssen Buch führen:
1. Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit weniger als 500 000 Franken Umsatzerlös im letzten Geschäftsjahr;
2. diejenigen Vereine und Stiftungen, die nicht verpflichtet sind, sich ins Handelsregister eintragen zu lassen;
3. Stiftungen, die nach Artikel 83b Absatz 2 ZGB783 von der Pflicht zur Bezeichnung einer Revisionsstelle befreit sind.
3 Für die Unternehmen nach Absatz 2 gelten die Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung sinngemäss.
Art. 959b OR
1 Die Erfolgsrechnung stellt die Ertragslage des Unternehmens während des Geschäftsjahres dar. Sie kann als Produktionserfolgsrechnung oder als Absatzerfolgsrechnung dargestellt werden.
2 In der Produktionserfolgsrechnung (Gesamtkostenverfahren) müssen mindestens folgende Positionen je einzeln und in der vorgegebenen Reihenfolge ausgewiesen werden:
1. Nettoerlöse aus Lieferungen und Leistungen;
2. Bestandesänderungen an unfertigen und fertigen Erzeugnissen sowie an nicht fakturierten Dienstleistungen;
3. Materialaufwand;
4. Personalaufwand;
5. übriger betrieblicher Aufwand;
6. Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Positionen des Anlagevermögens;
7. Finanzaufwand und Finanzertrag;
8. betriebsfremder Aufwand und betriebsfremder Ertrag;
9. ausserordentlicher, einmaliger oder periodenfremder Aufwand und Ertrag;
10. direkte Steuern;
11. Jahresgewinn oder Jahresverlust.
3 In der Absatzerfolgsrechnung (Umsatzkostenverfahren) müssen mindestens folgende Positionen je einzeln und in der vorgegebenen Reihenfolge ausgewiesen werden:
1. Nettoerlöse aus Lieferungen und Leistungen;
2. Anschaffungs- oder Herstellungskosten der verkauften Produkte und Leistungen;
3. Verwaltungsaufwand und Vertriebsaufwand;
4. Finanzaufwand und Finanzertrag;
5. betriebsfremder Aufwand und betriebsfremder Ertrag;
6. ausserordentlicher, einmaliger oder periodenfremder Aufwand und Ertrag;
7. direkte Steuern;
8. Jahresgewinn oder Jahresverlust.
4 Bei der Absatzerfolgsrechnung müssen im Anhang zudem der Personalaufwand sowie in einer Position Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Positionen des Anlagevermögens ausgewiesen werden.
5 Weitere Positionen müssen in der Erfolgsrechnung oder im Anhang einzeln ausgewiesen werden, sofern dies für die Beurteilung der Ertragslage durch Dritte wesentlich oder aufgrund der Tätigkeit des Unternehmens üblich ist.
Weiterführende Informationen
Botschaft vom 12.08.2020 zum COVID-19-Gesetz
COVID-19 LAWINFO-Beiträge (Auszug)
- Coronavirus (COVID-19): Überblick der Massnahmen und Empfehlungen
- Exkurs: Covid-19-Stundung
- Covid-19: Verlängerung einzelner Massnahmen der Pandemiebekämpfung
COVID-19-Kredit
COVID-19-Missbrauchsfälle
Urkundenfälschung
Betrug
FZA
RA Urs Bürgi, Covid-19-Kredite, Kurzarbeits- und Härtefall-Entschädigungen: Rückzahlungs-Aufforderungen, -Verfahren und Strafandrohungen
Quelle
LawMedia Redaktionsteam