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Bauverbotsdienstbarkeit und privatrechtliche Baueinsprache: Auslegung von Inhalt und Umfang eines im Grundbuch als Grunddienstbarkeit eingetragenen «begrenzten Bauverbotes»

ZGB 738; OR 18

Datum:
05.08.2025
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Sachenrecht / Immobiliarsachenrecht
Thema:
Bauverbotsdienstbarkeit und privatrechtliche Baueinsprache / Grunddienstbarkeit
Stichworte:
Auslegungsregel, Baueinsprache, Bauverbotsdienstbarkeit, Dienstbarkeit, Dienstbarkeitsausübung, Grundbucheintrag, Grunddienstbarkeit, privatrechtliche Baueinsprache
Erlass:
ZGB 738; OR 18
Entscheid:
BGer 5A_397/2024 vom 08.11.2024
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Auslegungsregel

Können

  • weder die Motive für die Errichtung der Dienstbarkeit,
  • noch
    • der Zweck der Dienstbarkeit aus dem Grundbuch entnommen oder
    • sonst positiv festgestellt werden,

ist

  • im Rahmen der objektivierten Auslegung
  • derjenige Zweck,
    • den die damaligen Parteien
      • aufgrund der seinerzeitigen Verhältnisse
        • aus den Bedürfnissen der Benutzung
          • des herrschenden Grundstücks
            • vernünftigerweise ergaben,
              • zu ermitteln.

Scheiternde Argumente

All diese Argumente scheitern daran, dass

  • ein Rückgriff auf Erwerbsgrund
    • nach den zutreffenden obergerichtlichen Erwägungen
      • nur im Rahmen des Eintrages auf den Dienstbarkeitsvertrag
        • als Erwerbsgrund zurückgegriffen werden kann,

und

  • ein räumliches Bauverbot
    • sich aus diesem klar ergibt,
      • dass das Bauverbot zwar räumlich begrenzt ist («auf der Ostseite der Schulhausparzelle»),
        • aber sachlich uneingeschränkt gilt («ohne Zustimmung des jeweiligen Eigentümers», «irgend einen Bau»).

Dienstbarkeits-Ausübung?

  • Keine Dienstbarkeitsausübung
    • Insoweit steht fest, dass die Ausübung der Dienstbarkeit weder von konkret zu definierenden Beeinträchtigungen noch von irgendwelchen Voraussetzungen abhängig ist wie etwa der Nutzung der Baute auf dem herrschenden Grundstück als Schulhaus.
  • Keine weitergehende Auslegung des Dienstbarkeitsvertrages
    • Vor diesem Hintergrund besteht (mit Ausnahme der Frage der räumlichen Dimension, die aber im vorliegenden Kontext keine Probleme aufwirft)
      • kein Raum für eine weitergehende Auslegung des Dienstbarkeitsvertrages.
  • Keine spezifischen Bedürfnisse
    • Insbesondere kommt es bei der geschilderten Ausgangslage
      • nicht auf spezifische Bedürfnisse an,
        • weder des jeweiligen Eigentümers der herrschenden oder
        • noch des dienenden Grundstücks oder
        • noch einzelner Bewohner.

Keine Umgelände-Relevanz

Sodann ist belanglos,

  • ob andere Parzellen in der Gegend überbaut wurden,
  • ob die Dienstbarkeit gegenüber den vom ursprünglichen Grundstück Nr. rrr abgetrennten Parzellen,
    • welche im Nordosten des herrschenden Grundstücks liegen, allenfalls keinen oder
    • nur teilweisen Bestand hätte, und

ferner ist für die heutigen Eigentümer auch ohne Belang,

  • ob die Gemeinde vor der Teilung der Parzelle Nr. qqq und
  • dem Verkauf des verbliebenen Teils an den Beschwerdegegner sich mit dem Gedanken trug,
    • die Dienstbarkeit löschen zu lassen,
      • denn solches steht vollständig ausserhalb des Grundbucheintrages.

Entsprechend haben

  • die kantonalen Gerichte den dahingehenden Editionsantrag der Beschwerdeführerin in antizipierter Beweiswürdigung abgewiesen und
  • es liegt diesbezüglich keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor,
    • weil im Rahmen von Art. 152 ZPO Anspruch einzig auf Abnahme von Beweis zu rechtserheblichen Tatsachen besteht,
      • was eine vorweggenommene antizipierte Beweiswürdigung
      • – welche ihrerseits als Teil der Beweiswürdigung mit Willkürrügen anzugreifen wäre,
  • Im Übrigen hat eine Dienstbarkeit entgegen dem,
    • was die Beschwerdeführerin insinuiert,
      • bis zu ihrer Löschung vollen Bestand.
        • vgl. Art. 734 ZGB; BGer 5A_369/2013 vom 15.05.2014, Erw. 3.2.2; BGer 5A_898/2015 vom 11.07.2016, Erw. 3.2, nicht publ. in BGE 142 III 551.

Dienstbarkeits-Löschung

Die Dienstbarkeit müsste folglich gelöscht werden,

  • damit die Beschwerdeführerin ihr Bauvorhaben verwirklichen könnte;
    • eben dies beabsichtigt sie mit ihrer auf Art. 736 Abs. 1 ZGB gestützten Löschungsklage (vgl. hierzu das parallele Verfahren 5A_395/2024).

Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist (vgl. Erw. 6).

Bundesgerichtsentscheid

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
  2. Die Gerichtskosten von Fr. 3’000.– werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
  3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden, 1. Abteilung, mitgeteilt.

BGer 5A_397/2024 vom 08.11.2024

ZBGR 106 (2025) Nr. 8, S. 121 ff.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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