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Haftpflicht- und Versicherungsrecht / Zivilprozessrecht

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Prozesskosten: Finanzierung eines Rechtsstreits

Datum:
19.11.2012
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Haftpflicht- und Versicherungsrecht
Stichworte:
Gerichtskosten, Prozess, Prozessfinanzierung, Rechtsschutzversicherung, unentgeltliche Rechtspflege, Zivilprozess
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Kosten eines Gerichtsverfahrens

Jedes Gerichtsverfahren verursacht Kosten: Einerseits fallen Gerichtskosten an, wie Pauschalen für das Schlichtungsverfahren, Pauschalen für den Entscheid, Kosten der Beweisführung, Kosten für die Übersetzung oder Kosten für die Vertretung eines Kindes. Andererseits entstehen den Streitparteien selbst weitere Kosten, wie Anwaltskosten, Gutachterkosten, Aufwände für die Vorbereitung oder auch Einkommensausfälle. Schliesslich hat die unterliegende Partei je nach Streitsache und Urteil für eine Entschädigung der Gegenpartei aufzukommen (Parteienentschädigung), wie der Ersatz notwendiger Auslagen, Kosten einer berufsmässigen Vertretung oder auch eine Umtriebsentschädigung.

Wer einen Prozess anstrengt, sollte sich darüber im Klaren sein, mit welchen Kosten er zu rechnen hat. Daher sollten die Erfolgsaussichten im Vorfeld genau abgeklärt werden. Aus Kostengründen kann es durchaus günstiger sein, seinen Anspruch abzuschreiben und auf einen Prozess zu verzichten bzw. eine ungerechtfertigte Forderung zu erfüllen.

Um sich gegen die Kostenrisiken eines allfälligen Rechtsstreits abzusichern, kann eine Rechtsschutzversicherung sinnvoll sein. Diese übernehmen jedoch – je nach Art der Police – die Kosten nur bei bestimmten Streitigkeiten und nur unter bestimmten Voraussetzungen. Ist eine Rechtsstreitigkeit nicht versichert und fehlen die Mittel für einen Prozess, bestehen folgende Möglichkeiten: Personen, die nicht über die nötigen Ressourcen für einen Prozess verfügen, können unter bestimmten Umständen unentgeltliche Rechtspflege beanspruchen. Je nach Streitsache bzw. Streitwert und Erfolgsaussichten ist es auch möglich, das Kostenrisiko gegen eine Erfolgsbeteiligung an einen Prozessfinanzierer abzugeben.

Rechtsschutzversicherung / Rechtsschutz-Deckung

Eine Rechtsschutzversicherung übernimmt gegen Bezahlung einer Prämie das Risiko, bei allfälligen rechtlichen Angelegenheiten die Kosten zu decken oder auch bestimmte Dienstleistungen wie Beratungen anzubieten. Unter der Voraussetzung, dass ein Dienstleister gemäss Versicherungs-Police für einen hängigen Rechtsstreit aufkommen muss, werden grundsätzlich folgende Kosten übernommen:

  • Gerichtskosten
  • Anwaltskosten
  • Gutachterkosten
  • Allfällige Prozessentschädigungen an die Gegenpartei

Dabei bestehen verschiedene Arten von Rechtschutzversicherungen, je nach Rechtsgebiet bzw. Prozessarten, deren Kosten gedeckt werden sollen (Verkehrsrechtsschutz, allgemeiner Strafrechtsschutz, Privatrechtsschutz oder Betriebsrechtsschutz).

Die meisten Rechtsschutzversicherungen bieten daher keinen umfassenden Schutz: Viele der häufigsten Rechtsstreitigkeiten sind in der Regel nicht gedeckt, so etwas Scheidungs- oder Unterhaltsstreitigkeiten, Erbschafts- oder Nachbarschaftsstreitigkeiten, Streitigkeiten über Eigentum, Baurechtsstreitigkeiten oder auch steuerrechtliche Streitigkeiten.

(Lesen Sie auch: » «Rechtsschutzversicherungen: Kein umfassender Schutz»)

Ausserdem kann der Versicherer die Kostenübernahme auch bei eigentlich gedeckten Streitfällen ablehnen, wenn er eine Klage, ein Rekurs oder eine Beschwerde als nicht erfolgsversprechend einschätzt (z.B. bei einem Weiterzug eines erstinstanzlich verlorenen Prozesses). Auch bei vorsätzlich herbeigeführten Rechtsstreitigkeiten lehnt der Versicherer eine Kostenübernahme für einen Prozess in der Regel ab, ebenso, wenn eine aussergerichtliche Einigung absehbar ist. Viele Anbieter behalten sich zudem bei grober Fahrlässigkeit des Versicherten Leistungskürzungen vor.

Vor Abschluss einer Rechtsschutzversicherung gilt es daher abzuklären, welche Risiken sinnvollerweise versichert werden sollen, und welche Deckung und Leistungen eine Versicherung genau bietet.

Tipp: Recht auf freie Anwaltswahl in der Rechtsschutzversicherung

Die Rechtsvertretung ist oft eine sehr persönlich Angelegenheit, die Chemie zwischen Anwalt und Mandant muss stimmen. Ebenso ist die spezifische Ausbildung und Erfahrung eines Anwalts entscheidend für eine erfolgreiche Vertretung. Eine Rechtsschutzversicherung macht wenig Sinn, wenn Sie keine freie Anwaltswahl haben: Bei einer Vertretung durch den hauseigenen Anwalt der Rechtsschutzversicherung besteht zudem oft das Problem, dass dieser die Kosten für seinen Arbeitgeber möglichts tief halten muss und sich sein Vorgehen primär nach Kostenaspekten richtet.

Achten Sie daher darauf, dass Ihnen in der Police und den Allgemeinen Vertragsbedingungen das Recht auf freie Anwaltswahl klar zugestanden wird. Ist dieser Anspruch nicht explizit wiedergegeben, verlangen Sie eine entsprechende Bemerkung in der Police.

Die Verordnung über die Beaufsichtigung von privaten Versicherungsunternehmen (AVO) legt die freie Anwaltswahl für folgende Fälle und unter folgenden Bedingungen fest:

Art. 167 AVO: Wahl eines Rechtsvertreters oder einer Rechtsvertreterin

1 Im Rechtsschutzversicherungsvertrag muss der versicherten Person die freie Wahl einer rechtlichen Vertretung, welche die Qualifikation des auf das Verfahren anwendbaren Rechts erfüllt, eingeräumt werden:

a. falls im Hinblick auf ein Gerichts- oder Verwaltungsverfahren ein Rechtsvertreter oder eine Rechtsvertreterin eingesetzt werden muss;

b. bei Interessenkollisionen.

2 Der Vertrag kann vorsehen, dass bei Ablehnung der gewählten Vertretung durch das Versicherungsunternehmen oder das Schadenregelungsunternehmen die versicherte Person das Recht hat, drei andere Personen für die rechtliche Vertretung vorzuschlagen, von denen eine akzeptiert werden muss.

3 Tritt eine Interessenkollision ein, so muss das Versicherungsunternehmen oder das Schadenregelungsunternehmen die versicherte Person auf sein Recht hinweisen.

Unentgeltliche Rechtspflege für mittelose Personen

Die Bundesverfassung legt fest, dass Personen, denen die nötigen Ressourcen für einen Prozess fehlen, unter bestimmten Bedingungen unentgeltliche Rechtspflege in Anspruch nehmen können:

Art. 29 BV, Abs. 3

3 Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.

Art. 117 – 123 der Zivilprozessordnung regeln die unentgeltliche Rechtspflege für den Zivilprozess, Art. 136 – 138 der Strafprozessordnung für den Strafprozess.

Die Grundvoraussetzungen sind, dass

  1. eine Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt
  2. ihr Rechtsbegehren vor Gericht nicht aussichtslos ist.

Gemäss Rechtsprechung gilt eine Partei als mittellos, wenn ihr Einkommen das betreibungsrechtliche Existenzminimum um höchstens 500 CHF überschreitet und sie keine Vermögenswerte besitzt. Bewilligt wird die unentgeltliche Rechtspflege nur auf ein schriftliches Gesuch hin. Der Gesuchsteller hat durch eine Offenlegung der Einkommens- und Vermögenswerte seine Mittellosigkeit zu belegen. Weiter muss er die fehlende Aussichtslosigkeit seiner Klage glaubhaft begründen und sämtliche Beweismittel einreichen.

Der Gesuchsteller kann das Gesuch vor oder nach Eintritt der Rechtshängigkeit stellen. Die unentgeltliche Rechtspflege kann ganz oder teilweise bewilligt werden, und ein Rechtsbeistand kann noch vor Einleitung eines Prozesses bewilligt werden. Die unentgeltliche Rechtspflege umfasst die Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen, die Befreiung von den Gerichtskosten (bzw. Verfahrenskosten im Strafprozess) und, falls nötig, die gerichtliche Bestellung eines Rechtsbeistandes. Achtung: Die Bezahlung einer allfälligen Parteienentschädigung an die Gegenpartei ist dagegen nicht Teil der unentgeltlichen Rechtspflege!

Wird unetgeltliche Rechtspflege gewährt, befreit dies eine Partei auch nicht endgültig von der Kostenübernahme: Wer unentgeltliche Rechtspflege in Anspruch genommen hat, muss die angefallenen Kosten begleichen, sobald er dazu in der Lage ist; d.h. wenn sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse durch den Prozessausgang verbessern, oder wenn er später aus anderen Gründen zu Vermögen gelangt. Dieser Anspruch des Staates verjährt nach 10 Jahren.

Prozessfinanzierung / Prozessfinanzierungsvereinbarung

Prozessfinanzierer bieten grundsätzlich die Möglichkeit an, ohne Kostenrisiken zu prozessieren. Dazu schliesst der Klient (sog. Anspruchsinhaber) eine Prozessfinanzierungsvereinbarung mit einem Anbieter ab, der gegen eine Erfolgsbeteiligung das Prozessrisiko eines Aktivprozesses trägt:

Gegen einen Anteil am allfälligen Prozessgewinn oder Vergleich (20 – 50% des Streitwerts) übernimmt der Prozessfinanzierer die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens (Anwaltskosten, Gerichtskosten, Entschädigung der Gegenpartei). Wird der Prozess verloren, hat der Klient dagegen nichts zu bezahlen. Der Schwerpunkt der meisten Anbieter liegt daher auf der Finanzierung vermögensrechtlicher Streitigkeiten.

In der Regel verlangt ein Prozessfinanzierer folgende Voraussetzungen, damit er eine Prozessfinanzierung übernimmt:

  1. Der Streitwert muss (je nach Anbieter) CHF 100’000.– übersteigen.
  2. Die Bonität des Klienten ist erstellt.
  3. Für eine Prozesseinleitung muss Aussicht auf Erfolg bestehen – d.h. der Anwalt rät zur Klage und überzeugt auch den Prozessfinanzierer von den Erfolgsaussichten.

Typischerweise übernehmen Prozessfinanzierer die Prozesskosten dann, wenn ein Prozess nur deshalb nicht geführt werden kann, weil einem Klienten die Mittel für eine gerichtliche Auseinandersetzung fehlen.

Die Prozessfinanzierung wird dann zur Alternative, wenn keine Rechtsschutzversicherung besteht bzw. diese keine Deckung bietet, und / oder wenn keine unentgeltliche Rechtspflege möglich ist. Die Prozessfinanzierung kann damit als letzte Möglichkeit bezeichnet werden, eine Forderung gerichtlich durchzusetzen, wenn die Mittel für einen Prozess fehlen.

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