Als rechtsmissbräuchlich gelten Baueinsprachen, mit denen artfremde Ziele verfolgt werden wie
- Bauverzögerung
- querulatorische Einsprache
- Architekt des Ursprungsobjektes, der das Mandat auch für einen Annexbau erhalten möchte (Geltendmachung Urheberrecht)
- unverhältnismässig hohe Entschädigungsforderung.
Offensichtlich aussichtslose, trölerische oder mutwillige Baueinsprachen verdienen keinen Rechtsschutz. Missbräuchlichkeit darf jedoch nicht leichthin gefolgert werden.
Schadenersatzpflicht
Ausgangslage:
Es ist allgemein bekannt, dass die Verzögerung eines Bauvorhabens durch administrative oder gerichtliche Verfahren dem Bauherrn beträchtlichen Schaden verursachen kann.
Hinweise für den Baueinsprecher:
Eine missbräuchliche Rechtsbehelfsergreifung kann zu einer Schadenersatzpflicht des Einsprechers führen.
Gemäss „Odeon“-Entscheid entsteht eine Schadenersatzpflicht nur bei absichtlichem oder grobfahrlässigem Verhalten des Baueinsprechers (siehe unten: Rechtswidrigkeit der Baueinsprache)
Hinweise für den einsprachebetroffenen Bauherrn:
Für den „einsprachegeschädigten“ Bauherr, der nach der Baueinspracheabwehr sein ursprüngliches Bauprojekt ausführen darf, stellen sich nach der Bauverzögerung folgende Fragen:
- Rechtsmissbräuchlichkeit der Baueinsprache?
- Schadenersatzpflicht des Baueinsprechers?
- Nichtigkeit einer Entschädigungsvereinbarung?
- Straftatbestand der versuchten Erpressung?
Rechtsmissbräuchlichkeit der Baueinsprache?
Nach herrschender Auffassung wird ein Rechtsmissbrauch unter folgenden Voraussetzungen angenommen:
- Wiederholte Ergreifung des Rechtsmittels ohne jegliche Aussicht auf Erfolg
- Fehlen jeglichen Interesses an der Rechtsausübung
- Rechthaberei
- Gewinnungssucht
- Grobes Missverhältnis der Interessen von Baueinsprecher und Bauherr
Schadenersatzpflicht des Baueinsprechers?
Wer jemandem widerrechtlich und schuldhaft Schaden zufügt, macht sich schadenersatzpflichtig.
Möchte sich der betroffene Bauherr schadlos halten, muss er seine Rechtsverfolgungsrisiken bei der Geltendmachung der ausservertraglichen (Delikts-)Haftung nach OR 41 ff. beachten. Er muss in einem ordentlichen Zivilprozessverfahren gegen den Baueinsprecher die Schadenersatzvoraussetzungen behaupten, substantiieren und beweisen:
- Rechtswidrigkeit der Baueinsprache (Widerrechtlichkeit)
- Missbräuchliche, böswillige oder wider Treu und Glauben erfolgende Ausübung des Verfahrensrechts:
- Ein „offensichtlich unbegründetes“ Begehren braucht nicht „rechtsmissbräuchlich“ zu sein; der Bürger darf auch für nur vermeintliche Ansprüche Rechtsschutz beanspruchen (vgl. BGE 115 II 232 ff.)
- Der Weiterzug des Entscheids des angerufenen Gerichts durch den unterlegenen Baueinsprecher trotz dessen deutlichen Hinweises auf die Unbegründetheit seines Begehrens kann den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs und / oder der Trölerei erfüllen.
- Verfolgung anderer als bau- oder nachbarrechtlicher Anliegen (Bsp. Apotheker als Baueinsprecher gegen Umbau des Café ODEON in Zürich zu einer Apotheke; Prozesshistory: 1. Instanz: keine Zusprechung von Schadenersatz; Obergericht des Kantons Zürich: Verurteilung der Baueinsprecher zu Schadenersatz im Umfange eines Drittels; Kassationsgericht: Urteils-Aufhebung und Rückweisung; Obergericht im Neuentscheid: kein Schadenersatz; Bundesgericht: bestätigt, kein Schadenersatz)
- Fehlende geldwerte Vorteile des Einsprechers aus der Baueinsprache (vgl. BGE 123 III 101 ff., Erw. 2 lit. b)
- Aussichtslosigkeit der Baueinsprache
- Missbräuchliche, böswillige oder wider Treu und Glauben erfolgende Ausübung des Verfahrensrechts:
- Verschulden
- Schaden
- Vorteilsanrechnung (Bauzonenänderung mit Mehrausnützung, günstigere Baukosten, schnelleres Bauen, niedrigere Refinanzierungszinssätze uam.)
- Möglichkeit zur ermessensweisen Schadenersatzfestsetzung durch den Richter bei nicht ziffernmässig nachweisbarem Schaden (vgl. OR 42 Abs. 2)
- Adäquater Kausalzusammenhang
Nichtigkeit einer Entschädigungsvereinbarung?
Ist der einzige Zweck der Baueinsprache die Spekulation des Einsprechers, der Bauherr werde einen Baueinspracherückzug fürstlich entschädigen, weil ihn eine Entschädigung des Baueinsprache-Rückzugs günstiger zu stehen komme als die Bauverzögerungskosten durch mehrere Instanzen, liegt eine Sittenwidrigkeit vor, die die Entschädigungsvereinbarung nichtig macht (Rückzahlungspflicht für unrechtmässig erhaltene Entschädigung)
Beispiel:
Kasino-Rekurs
NZZ-Online vom 25. 01. 2012: «Anwohner liess sich Kasino-Rekurs vergolden»
Straftatbestand der versuchten Erpressung?
Eine Entschädigungsvereinbarung kann den Straftatbestand der (versuchten) Erpressung erfüllen, wenn es nicht um den Ausgleich rechtlicher Nachteile des Baueinsprechers durch das Bauvorhaben ging, sondern nur um die Erwirkung einer unverhältnismässig hohen Entschädigung unter dem Druck der angedrohten Bauverzögerung.
Beispiele:
- „Aargauer Fall“: BGE 6P.5/2006
- „Dietiker Fall“: Urteil GG110045 vom 25.04.2012 (noch nicht rechtskräftig)
- NZZ-Online vom 29.02.2012: «Unzimperliches aus der Baubranche»
- NZZ vom vom 26.04.2012, Nr. 97, S. 18: «Erpressung durch Rekurs – Baurechtliche Auseinandersetzung – Schuldspruch und happige Geldstrafe»
- 20min Online vom 26.04.2012: «Bauunternehmer als Erpresser verurteilt»