Grundlagen
- SVG 27 Abs. 1
- SSV 68 und SSV 69 Abs. 3
Rotlicht-Missachtung im Ordnungsbussenverfahren
Die Nichtbeachtung der Lichtsignalvorschriften in einem leichten Fall wird im vereinfachten Verfahren, dem Ordnungsbussenverfahren, geahndet, und zwar mit einer Ordnungsbusse von CHF 250.—.
Abgrenzung Ordnungsbussenverfahren zu ordentlichem Strafverfahren
Das Ordnungsbussenverfahren ist bei erhöhter abstrakter Gefährdung von Personen ausgeschlossen (vgl. BGE 114 IV 63). Das Missachten des Rotlichts erfüllt in der Regel den qualifizierten Tatbestand von SVG 90 Ziff. 2 (ernstliche oder erhöhte abstrakte Gefahr) (vgl. BGE 118 IV 84); der qualifizierte Tatbestand ist insoweit nur ausnahmsweise aus subjektiven Gründen zu verneinen (BGE 118 IV 285, Erw. 4).
Wegen besonderer Umstände – Tageszeit, Verkehrsdichte, Sichtverhältnisse – kann eine erhöhte abstrakte Gefahr fehlen, was aber Polizei und Gerichte nicht leichthin annehmen.
Die Gefährdungssituation ist im konkreten Einzelfall zu prüfen.
Vgl. ferner nachfolgend:
Literatur
- SCHULTZ HANS, Rechtsprechung und Praxis zum Strassenverkehrsrecht in den Jahren 1983-1987, S. 258 f.
- TRECHSEL STEFAN, Kurzkommentar zum StGB, N 8 zu StGB 238
Judikatur
- Erhöhte abstrakte Gefahr
- BGE 72 IV 27
- Abgrenzung OBV- oder ordentliches Strafverfahren
- BGE 114 IV 63
- BGE 118 IV 84
- BGE 118 IV 285
- BGE 121 IV 375 ff.
Weiterführende Informationen
Gesetzestexte
Art. 6 OBG Vorgehen bei unbekanntem Fahrzeugführer
1 Ist nicht bekannt, wer eine Widerhandlung begangen hat, so wird die Busse dem im Fahrzeugausweis eingetragenen Fahrzeughalter auferlegt.
2 Dem Halter wird die Busse schriftlich eröffnet. Er kann sie innert 30 Tagen bezahlen.
3 Bezahlt er die Busse nicht fristgerecht, so wird das ordentliche Strafverfahren eingeleitet.
4 Nennt der Halter Name und Adresse des Fahrzeugführers, der zum Zeitpunkt der Widerhandlung das Fahrzeug geführt hat, so wird gegen diesen das Verfahren nach den Absätzen 2 und 3 eingeleitet.
5 Kann mit verhältnismässigem Aufwand nicht festgestellt werden, wer der Fahrzeugführer ist, so ist die Busse vom Halter zu bezahlen, es sei denn, er macht im ordentlichen Strafverfahren glaubhaft, dass das Fahrzeug gegen seinen Willen benutzt wurde und er dies trotz entsprechender Sorgfalt nicht verhindern konnte.
Rotlicht-Missachtung im ordentlichen Strafverfahren
Wer ein Rotlicht missachtet, verletzt eine wichtige Verkehrsregel:
Strafbarkeit / Strafe
- Nach SVG 90 Ziff. 2 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt
Straftatbestandsmässigkeit
- Objektive Voraussetzung
- Nach der Praxis des Bundesgerichts ist der qualifizierte Tatbestand der groben Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von SVG 90 Ziff. 2 objektiv erfüllt, wenn
- der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und
- die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet
- Eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer ist nicht erst bei einer konkreten, sondern bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung gegeben:
- Ob eine konkrete, eine erhöhte abstrakte oder nur eine abstrakte Gefahr geschaffen wird, hängt von der Situation ab, in welcher die Verkehrsregelverletzung begangen wird
- Wesentliches Kriterium für die Annahme einer erhöhten abstrakten Gefahr ist die Nähe der Verwirklichung
- Die allgemeine Möglichkeit der Verwirklichung einer Gefahr genügt demnach nur zur Erfüllung des Tatbestandes von SVG 90 Ziff. 2, wenn
- in Anbetracht der Umstände der Eintritt einer konkreten Gefährdung oder
- gar einer Verletzung nahe liegt
- Nach der Praxis des Bundesgerichts ist der qualifizierte Tatbestand der groben Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von SVG 90 Ziff. 2 objektiv erfüllt, wenn
- subjektive Voraussetzung
- Subjektiv erfordert der Tatbestand von SVG 90 Ziff. 2 nach der Rechtsprechung ein rücksichtloses oder sonst schwerwiegend verkehrswidriges Verhalten, d.h. ein schweres Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe Fahrlässigkeit:
- Bejahung,
- wenn der Täter sich der allgemeinen Gefährlichkeit seiner verkehrswidrigen Fahrweise bewusst ist
- Grobe Fahrlässigkeit kann aber auch vorliegen,
- wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer pflichtwidrig gar nicht in Betracht gezogen, also unbewusst fahrlässig gehandelt hat;
- wenn das Nichtbedenken der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf Rücksichtslosigkeit beruht:
- bedenkenloses Verhalten gegenüber fremden Rechtsgütern
- Nichtbedenken der Gefährdung fremder Interessen bestehen
- Je schwerer die Verkehrsregelverletzung objektiv wiegt, desto eher wird die Rücksichtslosigkeit zu bejahen sein, soweit nicht besondere Indizien dagegen sprechen.
- Bejahung,
- Subjektiv erfordert der Tatbestand von SVG 90 Ziff. 2 nach der Rechtsprechung ein rücksichtloses oder sonst schwerwiegend verkehrswidriges Verhalten, d.h. ein schweres Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe Fahrlässigkeit:
Judikatur
- BGE 118 IV 84
- BGE 123 IV 88
- BGE 131 IV 136 E. 3.2
- BGer 6B_709/2010 vom 11.01.2011
- BGer 6B_148/2012 vom 30.04.2012, Erw. 1.2
- BGer 6B_480/2014 vom 23.02.2015
- BGer 6B_563/2009 vom 20.11.2009, Erw. 1.4.2
Weiterführende Informationen
- Administrativverfahren (Verwarnung, Ausweisentzug usw.)
- Allgemeines
Gesetzestexte
Art. 68 SSV Art und Bedeutung der Lichtsignale
1 Lichtsignale gehen den allgemeinen Vortrittsregeln, den Vortrittssignalen und Markierungen vor.
1bis Rotes Licht bedeutet «Halt». Erscheint im roten Licht ein schwarzer Konturpfeil, gilt das Haltegebot nur für die angezeigte Richtung. Rotes Blinklicht wird nur bei Bahnübergängen verwendet (Art. 93 Abs. 2).
2 Grünes Licht gibt den Verkehr frei. Abbiegende Fahrzeuge müssen dem Gegenverkehr (Art. 36 Abs. 3 SVG) und den Fussgängern oder Benützern von fahrzeugähnlichen Geräten auf der Querstrasse den Vortritt lassen (Art. 6 Abs. 2 VRV).
3 Grüne Pfeile gestatten den Verkehr in der angezeigten Richtung. Blinkt daneben gleichzeitig ein gelbes Licht, müssen abbiegende Fahrzeuge dem Gegenverkehr (Art. 36 Abs. 3 SVG) und den Fussgängern oder Benützern von fahrzeugähnlichen Geräten auf der Querstrasse den Vortritt lassen (Art. 6 Abs. 2 VRV).
4 Gelbes Licht bedeutet:
- wenn es auf das grüne Licht folgt: Halt für Fahrzeuge, die noch vor der Verzweigung halten können;
- wenn es zusammen mit rotem Licht erscheint: Sich für die Weiterfahrt bereithalten und die Freigabe des Verkehrs durch das grüne Licht abwarten.
5 Erscheint im gelben Licht ein schwarzer Konturpfeil, gilt es nur für die angezeigte Richtung.
6 Gelbes Blinklicht (Art. 70 Abs. 1) mahnt den Führer zu besonderer Vorsicht.
7 Lichter mit Fussgängersymbol richten sich an Fussgänger; diese dürfen die Fahrbahn oder den Gleisbereich nur betreten, wenn das Symbol grün aufleuchtet. Beginnt es zu blinken oder erscheint ein gelbes Zwischenlicht oder sofort das rote Licht, müssen die Fussgänger die Fahrbahn oder den Gleisbereich ohne Verzug verlassen.
8 Lichter mit Fahrradsymbol richten sich an Führer von Fahrrädern und Motorfahrrädern. Für die Bedeutung der Lichter gelten die Absätze 1-4.
9 Schwarze Pfeile auf weisser Zusatztafel unter Lichtsignalen zeigen an, dass diese nur für die angezeigte Richtung gelten.
Administrativerfahren
Nebst des Ordnungsbussenverfahrens bzw. des ordentlichen Strafverfahrens wird der fehlbare Automobilist mit den Administrativmassnahmen des zuständigen Strassenverkehrsamtes konfrontiert.
- Vgl. hiezu: Sanktionssystem