Das Konsumkreditgesetz (KKG) enthält für alle Arten des Konsumkredits zugunsten des Konsumenten ein Widerrufsrecht:
Definition
- Widerrufsrecht = konsumentenrechtliches, einseitiges Vertragsauflösungsrecht des Konsumenten während einer 14-tägigen Überlegungsfrist
Grundlagen
- KKG 16 (= lex specialis zu OR 40b)
Ziele
- Möglichkeit, angesichts der weitreichenden wirtschaftlichen Folgen einer Kreditaufnahme das „Für und Wider“ einer Kreditaufnahme abzuwägen
- Möglichkeit des Kreditnehmers für eine Reaktion, falls ihm die kreditrelevanten Informationen erst kurz vor Vertragsunterzeichnung zugestellt werden
- Übereilungsschutz
Rechtsnatur
- Das Widerrufsrecht ist ein Gestaltungsrecht
Anwendungsbereich
- Das Widerrufsrecht besteht bei allen Konsumkrediten, nämlich
- Barkredit (Kleinkredit)
- Kredit- und Kundenkartenvertrag mit Kreditoption
- vertraglich vereinbartem Überziehungskredit
- Leasingvertrag
- Abzahlungs- und gleichgestellten Geschäften
Hinweispflicht in Konsumkreditvertrag
- Grundsatz
- In der Vertragsurkunde ist auf das Bestehen und die Frist des Widerrufsrechts hinzuweisen
- Nichtigkeitsfolge bei fehlendem Hinweis
- Fehlt in der Vertragsurkunde der Hinweis auf das Widerrufsrecht und die Widerrufsfrist, ist der Konsumkreditvertrag nichtig (vgl. KKG 15 Abs. 1)
- Der Kreditnehmer schuldet diesfalls weder Zins noch Kosten (vgl. KKG 15 Abs. 2 und 3), wie wenn er den Konsumkreditvertrag widerrufen hätte (vgl. KKG 16 Abs. 3 Satz 1)
- Fehlt in der Vertragsurkunde der Hinweis auf das Widerrufsrecht und die Widerrufsfrist, ist der Konsumkreditvertrag nichtig (vgl. KKG 15 Abs. 1)
Widerrufsvoraussetzungen
- Keine inhaltlichen Voraussetzungen
- Die Widerrufsentscheidung ist an keine inhaltlichen Voraussetzungen gebunden
- Keine Rechtfertigung
- Der Kreditnehmer muss seine Widerrufserklärung nicht rechtfertigen
- Funktionsunabhängigkeit
- Es ist unerheblich, ob die vom Kreditnehmer widerrufene Vertragserklärung rechtlich Angebot oder Annahmeerklärung ist (vgl. KKG 16 Abs. 2 Satz 1)
- Form
- Schriftformerfordernis (vgl. KKG 16 Abs. 1 Satz 1)
- Widerrufsfrist
- Frist
- Antrag zum Vertragsschluss oder die Annahmeerklärung kann vom Konsument innerhalb von 14 Tagen schriftlich widerrufen werden (KKG 16 Abs. 1)
- Fristbeginn
- Die Widerrufsfrist beginnt mit der Aushändigung der Vertragskopie (KKG 16 Abs. 2)
- Fristwahrung
- Die Fristwahrung kann erfolgen
- durch Übergabe der Widerrufserklärung an Kreditgeber oder
- durch Postaufgabe bis am letzten Tag der Widerrufsfrist
- Die Fristwahrung kann erfolgen
- Frist
Ausübungsmodalitäten
- Für alle Konsumkredit-Arten gelten die gleichen Ausübungsmodalitäten
Widerrufsfolgen
- Grundlagen
- KKG 16 Abs. 3
- Eventualiter nach Bereicherungsrecht (OR 41 ff.)
- Widerruf vor Vornahme einer Erfüllungshandlung
- Dahinfallen der Vertragspflichten beider Parteien ex tunc (von Anfang an, rückwirkend)
- Widerruf nach ausbezahlter Darlehensvaluta bei Barkrediten, nach beanspruchter Kreditlinie bei Überziehungskrediten und nach ausgeübter Kreditoption bei Kredit- und Kundenkarten
- Wandelung des Konsumkredits in Gratiskredit, der in Teilzahlungen zurückzuzahlen ist (KKG 16 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. KKG 15 Abs. 2 und 3)
- Widerruf bei anderen Formen des Konsumkredits (Abzahlungskauf, Kreditierung einer Dienstleistung oder Leasingvertrag)
- Berücksichtigung des Umstandes, dass der Konsument die Sache bis zum Widerruf genutzt bzw. die Dienstleistung in Anspruch genommen hat (vgl. KKG 16 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. OR 40f)
- Nach der Umwandlungstheorie entsteht ein Rückabwicklungsschuldverhältnis, welches den Status quo ante herstellen soll (vgl. BGE 114 II 151):
- Bei Sachen
- Rückerstattung der bereits erbrachten Leistungen
- Nutzungsentschädigung für die Dauer der Inanspruchnahme der Sache und deren Rückgabe (zB üblicher Mietzins für eine solche Sache), aber ohne Abgeltung des Wertverlusts durch den Gebrauch der Sache und ohne Abgeltung des geplanten Gewinns des Kreditgebers (vgl. KKG 15 Abs. 4 Satz 2)
- Bei Dienstleistungen
- Keine Möglichkeit zur Rückerstattung
- Ersatz von Auslagen und Verwendung (vgl. OR 40f Abs. 3 i.V.m. OR 402), sofern und soweit die Dienstleistung vertragsgemäss erbracht wurde
- Keine Abgeltung von
- Zinsen auf den Auslagen
- Honorar
- Gewinn
- Keine weiteren Entschädigungen wie culpa in contrahendo, Konventionalstrafe, Reugeld etc., so OR 40f Abs. 4 (vgl. GONZENBACH RAINER, Basler Kommentar, OR I, N 3 zu OR 40f)
- Bei Sachen
Literatur
- STAUDER BERND, Die Haustürgeschäfte nach Obligationenrecht, SJK 465, Genf 2001, S. 12 f.
- STAUDER BERND, Leasingvertrag, in: JKR 2002, S. 100
- KOLLER-TUMLER MARLIS, Konsumkreditverträge nach revidiertem KKG – eine Einführung, in: JKR 2002, S .18, FN 62
- GONZENBACH RAINER, Basler Kommentar, OR I, N 3 zu OR 40f
- BG zur Änderung des Obligationenrechts, BBl 1986 II 395
- Botschaft KKG 1998, BBl 1999, S. 3179
Judikatur
- BGE 114 II 151