Das Kaufmännische Retentionsrecht entspricht dem Sachenrechtlichen Retentionsrecht, mit der besonderen Ausgestaltung der „Konnexität“.
Beim Kaufmännischen Retentionsrecht sind die Entstehungsvoraussetzungen ebenfalls:
- Retentionsgegenstand (Bewegliche Sachen und Wertpapiere)
- Verwertbarkeit
- Besitz des Gläubigers mit Willen des Schuldners
- Retentionsforderung
- Fälligkeit der Retentionsforderung
- Konnexität
- Guter Glaube
- Keine anderweitige Sicherstellung
Konnexität und Kaufmännischer Verkehr
Gesetzliche Grundlage
- ZGB 895 Abs. 2
Art. 895 ZGB
1 Bewegliche Sachen und Wertpapiere, die sich mit Willen des Schuldners im Besitze des Gläubigers befinden, kann dieser bis zur Befriedigung für seine Forderung zurückbehalten, wenn die Forderung fällig ist und ihrer Natur nach mit dem Gegenstande der Retention in Zusammenhang steht.
2 Unter Kaufleuten besteht dieser Zusammenhang, sobald der Besitz sowohl als die Forderung aus ihrem geschäftlichen Verkehr herrühren.
3 Der Gläubiger hat das Retentionsrecht, soweit nicht Dritten Rechte aus früherem Besitze zustehen, auch dann, wenn die Sache, die er in gutem Glauben empfangen hat, nicht dem Schuldner gehört.
Unterschied von Kaufmännischen und Nicht Kaufmännischem Retentionsrecht
Die Differenz von Nicht Kaufmännischen Retentionsrecht [Abs. 1] und Kaufmännischem Retentionsrecht [Abs. 2] besteht im Zusammenhang von Besitz und Forderung:
- Abs. 1 > gleiches Rechtsverhältnis
- Abs. 2 > Herkunft von Besitz und Forderung aus dem geschäftlichen Verkehr
Voraussetzungen des Kaufmännischen Retentionsrechts
Die Rechtspraxis stellt folgende Anforderungen an den Kaufmännischen Verkehr im Sinne von ZGB 895 Abs. 2:
- Parteien, die zur Eintragung im Handelsregister (HR) verpflichtet sind [vgl. OR 934 Abs. 1; HRVo 52 ff.]
- Organ-Eintragung im HR ist nicht ausreichend [vgl. BGE 106 II 264]
- Parteien, die effektiv ein kaufmännisches Gewerbe betreiben
- Parteien im kaufmännischen Verkehr
- Besitz und Forderung aus dem gegenseitigen geschäftlichen Verkehr
- kein Erfordernis, dass Besitz und Forderung aus dem gleichen Rechtsgeschäft entstammen müssen
- geschäftlicher Verkehr hat in jenem Zeitpunkt im Gange gewesen zu sein, als
- die Retentionsforderung entstanden ist
- der Gläubiger den Besitz am Retentionsgegenstand erlangt hat
Konnexität
Die notwendige Konnexität ist
- gegeben, wenn
- Besitz und Forderung mit der Eigenart der Geschäftsbetriebe von Schuldner und Gläubiger zusammenhängen, d.h. den beiden Gewerbebetrieben der Parteien entstammen [vgl. BGE 105 II 194]
- nicht gegeben, wenn
- es an einer dieser Voraussetzungen fehlt
- = Konnexität ist für das Kaufmännische Retentionsrecht nach ZGB 895 Abs. 2 nicht gegeben [vgl. BGE 106 II 264]
- es an einer dieser Voraussetzungen fehlt
Entstammen Forderung und Besitz aus nicht geschäftlichem Verkehr (privatem Verkehr) der Kaufleute, richtet sich das Retentionsrecht nach ZGB 895 Abs. 1.
Anwendungsbeispiele
- Konnexität bejaht
- Aktienbesitz einer Treuhandgesellschaft aus Aufbewahrungsvertrag und Forderung der Treuhandgesellschaft aus Sanierungsberatung [vgl. BGE 105 II 188]
- Fahrzeugbesitz zwecks Reparatur und Forderungen aus Reparaturarbeiten und Treibstofflieferungen für verschiedene Fahrzeuge [vgl. BGE 78 II 142]
- Konnexität verneint
- Schuldbriefbesitz des Kolonialwarenhändlers und Darlehensrückforderung vs. Bauunternehmen [Grund: Ein Kolonialwarenhändler betreibt nicht gewerbsmässig das Geldleihgewerbe, vgl. ZR 1917, S. 296].
- Forderungserwerb durch Zession schliesst mangels Zusammenhang der Forderung zum geschäftlichen Verkehr das Retentionsrecht aus [vgl. Oftinger Karl / Bär Rolf, ZHK, N 124].
Judikatur
- BGE 105 II 193
- BGE 78 II 142
- BGE 106 II 264
- BGE 105 II 194
- ZR 1917, 296
Literatur
- OFTINGER KARL / BAER ROLF, ZHK ZGB 884 – 918, N 124 zu ZGB 895