Immer wieder stellt sich die Frage, ob spätere Schenkungen des Erblassers erbvertragliche Ansprüche von Erbvertragsparteien verletzt haben. Dabei wird unterschieden:
Grundsätzliches
- Verpflichtung, der andern Erbvertragspartei oder einem Dritten seine Erbschaft oder ein Vermächtnis zu hinterlassen (ZGB 494 Abs. 1) hindert den Erblasser nicht, zu Lebzeiten frei über sein Vermögen zu verfügen (ZGB 494 Abs. 2)
- Der potentielle Erblasser hat weiterhin das Recht, sein Vermögen zu verbrauchen
- Verfügungen von Todes wegen oder lebzeitige Zuwendungen wie Schenkungen, die mit den Erblasserpflichten aus dem Erbvertrag nicht vereinbar sind, unterliegen der Anfechtung (ZGB 494 Abs. 3)
- Anfechtbar ist nicht jede Schenkung; siehe aber nachfolgend
Regelung im Erbvertrag
- Schenkungen sind anfechtbar, wenn sie explizit oder implizit nicht mit dem Erbvertrag vereinbar sind
Keine Regelung im Erbvertrag
- Grundsatz
- Dispositionsberechtigung des pot. Erblassers
- Ausnahme
- Anwendung der Anfechtung nach ZGB 494 Abs. 3, wenn der Erblasser mit den Schenkungen offensichtlich seine Verpflichtungen aus dem Erbvertrag aushöhlt
- Rechtstitel
- Schädigungsabsicht (analoge Anwendung von ZGB 527 Ziffer 4)
- Rechtsmissbrauch (ZGB 2 Abs. 2)
- Beweislast
- Der Anfechtende trägt die Behauptungs- und Beweislast
- Beurteilung im konkreten Einzelfall erforderlich
Art. 494 ZGB
1 Der Erblasser kann sich durch Erbvertrag einem andern gegenüber verpflichten, ihm oder einem Dritten seine Erbschaft oder ein Vermächtnis zu hinterlassen.
2 Er kann über sein Vermögen frei verfügen.
3 Verfügungen von Todes wegen oder Schenkungen, die mit seinen Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar sind, unterliegen jedoch der Anfechtung.
Art. 527 ZGB
Der Herabsetzung unterliegen wie die Verfügungen von Todes wegen:
- die Zuwendungen auf Anrechnung an den Erbteil, als Heiratsgut, Ausstattung oder Vermögensabtretung, wenn sie nicht der Ausgleichung unterworfen sind;
- die Erbabfindungen und Auskaufsbeträge;
- die Schenkungen, die der Erblasser frei widerrufen konnte, oder die er während der letzten fünf Jahre vor seinem Tode ausgerichtet hat, mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke;
- die Entäusserung von Vermögenswerten, die der Erblasser offenbar zum Zwecke der Umgehung der Verfügungsbeschränkung vorgenommen hat.
Weiterführende Informationen
- Literatur
- EITEL PAUL, Die erbrechtliche Berücksichtigung lebzeitiger Zuwendungen im Spannungsfeld zwischen Ausgleichung Herabsetzung, in: ZBJV 142 (2006) 457 ff.
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