Einleitung
Der Wohnsitz im internationalen Kontext wird in IPRG 20 Abs. 1 lit. a wie in ZGB 23 Abs. 1 umschrieben:
Art. 20 IPRG
I. Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt und Niederlassung einer natürlichen Person
1 Im Sinne dieses Gesetzes hat eine natürliche Person:
a. ihren Wohnsitz in dem Staat, in dem sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält;
b. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat, in dem sie während längerer Zeit lebt, selbst wenn diese Zeit zum vornherein befristet ist;
c. ihre Niederlassung in dem Staat, in dem sich der Mittelpunkt ihrer geschäftlichen Tätigkeit befindet.
2 Niemand kann an mehreren Orten zugleich Wohnsitz haben. Hat eine Person nirgends einen Wohnsitz, so tritt der gewöhnliche Aufenthalt an die Stelle des Wohnsitzes. Die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches über Wohnsitz und Aufenthalt sind nicht anwendbar.
Regeln des IPRG
Das IPRG kennt jedoch folgende Punkte aus dem (nationalen) Zivilgesetzbuch (ZGB) bekannten Regeln nicht, d.h.
- kein fiktiver Wohnsitz (ZGB 24 Abs. 1)
- kein abgeleiteter Wohnsitz (ZGB 25)
- kein vermuteter Wohnsitz bei Anstalts-Aufenthalt (ZGB 26)
Die Regeln des ZGB dürfen nicht angewandt werden, auch nicht analog, da dies durch IPRG 20 Abs. 2 Satz 2 ausdrücklich ausgeschlossen wird.
Weiterführende Informationen
Durch den Ausschluss der Regeln des ZGB in IPRG 20 Abs. 2 Satz 2 haben auch Kinder und Bevormundete im internationalen Kontext einen eigenen Wohnsitz.
Beurteilungskaskade
Die Wohnsitzbeurteilung einer erwachsenen Person nach IPRG löst die Fragestellungen in folgender Reihenfolge aus:
Feststellung aufgrund des IPRG, ob die betreffende Person im Ausland oder in der Schweiz Wohnsitz hat:
- Wohnsitz in der Schweiz
- ZGB bestimmt den genauen Ort
-
- Bestimmt das ZGB, dass der Wohnsitz im Ausland ist, so wird auch innerschweizerisch der Wohnort durch das IPRG bestimmt
- Wohnsitz im Ausland
- Anwendbarkeit des dortigen ausländischen Rechts
- Hauptwohnsitz
- Zweit-Wohnsitz
- Zulässigkeit des Zweitwohnsitzes in einem Drittstaat?
- Bei Unzulässigkeit
- Macht des Faktischen, infolge oft mangelnder Transparenz über die Grenzen hinweg
- Folgen: Ungültigkeit und Doppelbesteuerungsrisiko
Der Wohnsitz eines Kindes in der Schweiz, dessen beide Eltern, die elterliche Sorge haben und im Ausland wohnen, bestimmt sich ausschliesslich nach IPRG 20.
Weiterführende Informationen
- Vgl. aber BGE 120 III 8
- Vgl. auch Zweit-Wohnsitz
- Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz
Jahresaufenthalter
Der Ausländer mit Jahresaufenthaltsbewilligung hat in der Regel Wohnsitz in der Schweiz (vgl. IPRG 20 Abs. 1 lit. a).
Saisonarbeiter
Saisonniers, die
- für weniger als 12 Monate ein einziges Mal in die Schweiz kommen, begründen keinen Wohnsitz;
- zum zweiten und weiteren Male in die Schweiz kommen, begründen einen Wohnsitz.
Der Wohnsitz eines Ausländers hier in der Schweiz ist nicht vom Bestehen und der Art der fremdenpolizeilichen Bewilligung abhängig.
Asylbewerber
- Kollektivunterkunft
- Fiktiver Wohnsitz nach ZGB 24
- Privatwohnung
- Realer Wohnsitz nach ZGB 23?
- umstritten und sehr vom Lebenssachverhalt abhängig
- vgl. BGE 113 II 5, Erw. 2
- Realer Wohnsitz nach ZGB 23?