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Vertrag / Vertragsrecht

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Vertrag mit mehreren Gläubigern bzw. Schuldnern

Datum:
03.10.2016
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Vertrag / Vertragsrecht
Stichworte:
Solidarität
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Oft nicht beachtete Chancen bzw. unberücksichtigte Risiken

I. Einleitung

Eine Obligation, zwei Parteien. In Normallfall stehen dabei einzelne Gläubiger einzelnen Schuldner gegenüber. Häufig kommt es aber auch vor, dass an einer Rechtsbeziehung sowohl auf Gläubigerseite als auch auf Schuldnerseite mehrere Personen – seien es juristische oder natürliche – beteiligt sind. Bekanntes Beispiel für die Schuldnermehrheit ist die sogenannte Solidarschuld. Eine Mehrheit von Gläubigern kennt man aus der einfachen Gesellschaft oder der Erbengemeinschaft.

Welche Unterschiede innerhalb der Gläubiger- und Schuldnermehrheit bestehen und was für Auswirkungen die jeweilige Art der Beteiligung der Personenmehrheit am Rechtsverhältnis auf die Rechte und Pflichten der Gläubiger und Schuldner hat, wird nachfolgend erläutert.

II. Gläubigermehrheit

An einer Obligation können auf Gläubigerseite mehrere Personen (juristische und/oder natürliche Personen) beteiligt sein. Je nachdem, wie mehrere Gläubiger an einem Rechtsverhältnis beteiligt sind, wird zwischen Teilgläubigerschaft, gemeinschaftlicher Gläubigerschaft und Einzelgläubigerschaft unterschieden.

1. Teilgläubigerschaft

Sind mehrere Gläubiger unabhängig voneinander (pro rata) an einer teilbaren Forderung berechtigt und ist die Gesamtheit der Leistung vom Schuldner nur einmal zu erbringen, liegt sogenannte Teilgläubigerschaft vor. Jeder Gläubiger hat das Recht, selbständig den ihm zustehenden Teil der Leistung vom Schuldner zu fordern. Entsprechend muss der Schuldner jedem Gläubiger den entsprechenden Teil separat leisten.

Bei vertraglichen Obligationen ist die Teilgläubigerschaft von Gesetzes wegen der Regelfall. Auch geht man bei teilbaren Leistungen (insbesondere Geldforderungen) im Zweifelsfall davon aus, dass Teilgläubigerschaft vorliegt.

Bekannter Anwendungsfall der Teilgläubigerschaft ist der Liegenschaftsverkauf durch Miteigentümer. Die einzelnen Teilgläubiger können unabhängig voneinander, je einen Teil der Kaufpreisforderung gegenüber der Käuferschaft geltend machen. Ein weiteres Beispiel der Teilgläubigerschaft ist die Anleihensobligation (OR 1156 ff.), sozusagen ein auf die einzelnen Teilgläubiger verteiltes Grossdarlehen.

2. Gemeinschaftliche Gläubigerschaft

Bei der gemeinschaftlichen Gläubigerschaft, die grundsätzlich nur dann entsteht, wenn unter den Gläubigern ein Gesamthandverhältnis besteht, steht die gesamte Forderung den Gläubigern ungeteilt zu. Eine Befreiung des Schuldners kann daher nicht durch Leistung an einen einzelnen Gläubiger, sondern nur durch Gesamtleistung an alle Gläubiger erfolgen. Bekanntester Anwendungsfall der gemeinschaftlichen Gläubigerschaft ist die einfache Gesellschaft (OR 544 Abs. 1) oder die Erbengemeinschaft (OR 602 Abs. 2).

3. Einzelgläubigerschaft

Bei der Einzelgläubigerschaft ist vorab eine weitere Unterteilung in Einzelgläubigerschaft mit gleichberechtigten und nicht gleichberechtigten Gläubigern vorzunehmen. Bekannt ist die Einzelgläubigerschaft mit gleichberechtigten Gläubigern (sog. Solidargläubigerschaft nach OR 150).

Bei der Solidargläubigerschaft steht die gesamte Forderung jedem Gläubiger ungeteilt und selbständig zu. Mit anderen Worten kann jeder Gläubiger die Erfüllung der ganzen Leistung an sich selber verlangen. Dies hat zur Folge, dass Massnahmen eines Gläubigers, wie zum Beispiel die Inverzugsetzung des Schuldners durch Mahnung oder die Unterbrechung der Verjährung, für alle Mitgläubiger wirkt. Umgekehrt bedeutet das, dass der Schuldner – sofern er nicht durch einen Gläubiger belangt, d.h. beklagt oder betrieben wurde – an jeden Gläubiger mit befreiender Wirkung leisten kann. Solidargläubigerschaft entsteht in den gesetzlich vorgesehenen Fällen (zB bei der Haftung für den Untermieter gemäss OR 262 Abs. 2) oder wenn der Schuldner erklärt, jeden einzelnen auf die ganze Forderung berechtigen zu wollen (zB Gemeinschaftskonto „Compte-joint“).

Einzelgläubigerschaft ohne gleichberechtigte Gläubiger bedeutet hingegen, dass nur ein bestimmter Gläubiger die Leistung vom Schuldner erhalten soll. Sämtliche Gläubiger können die Leistung nur für den bestimmten Gläubiger fordern. Dementsprechend kann sich der Schuldner auch nur durch Leistung an diesen bestimmten Gläubiger befreien. Einzelgläubigerschaft entsteht insbesondere durch Vertrag zugunsten Dritter (OR 112) oder im Fall einer Nacherbschaftseinsetzung (ZGB 489 Abs. 1).

III. Schuldnermehrheit

Nicht nur auf Seiten der Gläubiger, auch auf Schuldnerseite kann bei einem Rechtsverhältnis eine Mehrheit von Personen (juristische und/oder natürliche Personen) beteiligt sein. Auch die Schuldnermehrheit muss, je nach Beteiligung der Personenmehrheit am Rechtsverhältnis, zwischen Teilschuldnerschaft, gemeinschaftliche Schuldnerschaft und Einzelschuldnerschaft unterschieden werden.

1. Teilschuldnerschaft

Bei der Teilschuldnerschaft hat ein Gläubiger gegenüber mehreren Schuldnern einzelne Teilforderungen. Jeder Schuldner hat in solch einem Fall nur einen Teil der gesamthaft geschuldeten Leistung zu erfüllen. Ist nichts anderes vereinbart, schuldet jeder Schuldner dem Gläubiger einen gleich grossen Teil.

Teilschuldnerschaft entsteht, wenn die Schuld auf einem einheitlichen Rechtsgrund – sei es Vertrag oder Gesetz – basiert. Schulden sind in der Regeln teilbar, weshalb vermutungsweise davon ausgegangen wird, dass bei einer Schuld, Teilschuld vorliegt.

Teilschuldnerschaft entsteht insbesondere auch dann, wenn ein Solidarschuldner (vgl. dazu Einzelschuldnerschaft) mehr bezahlt, als er eigentlich müsste. Der Solidarschuldner kann für den Mehrbetrag auf seine Mitschuldner Rückgriff nehmen. Diese werden dadurch zu Teilschuldner (vgl. OR 148 Abs. 2).

2. Gemeinschaftliche Schuldnerschaft

Der Vollständigkeit halber wird hier kurz die gemeinschaftliche Schuldnerschaft dargestellt, die vertraglich kaum je vereinbart und im Gesetz keine Anwendung findet.

Bei der gemeinschaftlichen Schuldnerschaft kann der Gläubiger die Schuld nur von allen Schuldnern gemeinsam verlangen. Gleichzeitig kann die Schuld nur gemeinsam durch alle Schuldner erbracht werden. Die gemeinschaftliche Schuldnerschaft macht nur dort Sinn, wo die Schuld faktisch oder rechtlich nicht aufgeteilt werden kann.

3. Einzelschuldnerschaft

Bei der Einzelschuldnerschaft kann der Gläubiger von jedem Schuldner die gesamte Leistung fordern. Von Seiten des Schuldners betrachtet, bedeutet dies, dass jeder Schuldner zur Leistung der gesamten Schuld verpflichtet ist. Soweit ein Solidarschuldner durch Zahlung oder Verrechnung den Gläubiger befriedigt hat, sind auch die übrigen Schuldner befreit.

Die in der Praxis bekannteste Form der Einzelschuldnerschaft ist die sog. Solidarschuld, wo sämtliche Schuldner die gleiche Verpflichtung haben.

Solidarschuld entsteht durch Vertrag oder von Gesetzes wegen (vgl. OR 143 Abs. 1 und 2). Vertraglich entsteht Solidarität unter den Schuldnern, wenn sie erklären, dass jeder einzeln dem Gläubiger gegenüber für die Erfüllung der ganzen Schuld haften wolle. Dabei muss das Wort solidarisch im Vertrag nicht zwingend Erwähnung finden. Auch stillschweigende Erklärungen sind möglich (BGE 129 III 476 E. 1.4). Hauptentstehungsgrund der Solidarität von Gesetzes wegen, sind unter anderem die Folgenden:

  • Solidarität der Personengesellschafter (vgl. OR 544 Abs. 3 und 568)
  • Solidarhaft aus gemeinsamer Schadensverursachung für Schaden aus unerlaubter Handlung (vgl. OR 59)
  • Solidarhaftung für Schaden aus verschiedenen Rechtsgründen (vgl. OR 51)
  • Haftung der Erben für die Schuld des Erblassers (vgl. ZGB 603 Abs. 1)
  • Solidarhaft nach dem Strassenverkehrsgesetz (SVG)
  • Solidarhaftung mehrere Auftraggeber (vgl. OR 404 Abs. 1 / OR 308 / OR 478)

Solidarschuldner haben ohne anderslautende Vereinbarung je einen gleichen Teil zu übernehmen. Bezahlt ein Solidarschuldner mehr als seinen Teil, so hat er für den Mehrbetrag ein Rückgriffsrecht (Regress) auf seine Mitschuldner (vgl. OR 148 Abs. 2). Die Solidarschuldner werden im Innenverhältnis zu Teilschuldnern. Eine solidarische Haftung für die Regressforderung besteht zwischen den Mitschuldnern im Innenverhältnis nicht.

IV. Fazit

Wie der vorliegende News-Beitrag zeigt, sind an einer Obligation häufig nicht nur ein Schuldner und ein Gläubiger, sondern oft Mehrheiten von Schuldnern oder Gläubigern beteiligt. Je nachdem wie diese Personenmehrheiten an den entsprechenden Rechtsverhältnissen beteiligt sind, wirkt sich das auf die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien aus. Dass diese Auswirkungen erheblich sein können, zeigt sich insbesondere bei der Unterscheidung zwischen Teilschuldnerschaft und Solidarschuldnerschaft.  Währen der Teilschuldner nur seinen Teil der gesamten Schuld leisten muss, kann der Solidarschuldner für die gesamte Schuld in die Pflicht genommen werden.

Sollten mehrere Gläubiger oder Schuldner zusammen mit ihnen an einem Rechtsverhältnis beteiligt sein, lohn es sich deshalb, sich über die unterschiedlichen Arten der Gläubiger- oder Schuldnermehrheit zu informieren. Nur so erfahren sie, wie Hoch die Ansprüche eines Gläubigers Anteilsmässig gegen sie sein werden oder von welchen Schuldner sie die Begleichung offener Schulden fordern können.

Judikatur zur stillschweigenden Vereinbarung der Solidarität

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