OR 368 – Änderung der Rechtsprechung
Einleitung
Im Streitfall 4A_71/2018 hatte das Schweizerische Bundesgericht Gelegenheit, sich erneut mit der Frage, ob der Nachbesserungsanspruch des Stockwerkeigentümers an gemeinschaftlichen Bauteilen quotenbezogen ist, auseinanderzusetzen.
Sachverhalt
Im konkreten Fall ging es darum, dass eine Stockwerkeigentümergemeinschaft, die sich die Nachbesserungsrechte von Stockwerkeigentümern mit einer Wertquote von rund 65 % für Mängel an den gemeinschaftlichen Bauteilen hatte abtreten lassen, aktivlegitimiert war, den ungeteilten Nachbesserungsanspruch gegenüber dem Unternehmer durchzusetzen.
Die Vorinstanzen hatten der Stockwerkeigentümergemeinschaft den ganzen für die Mängelbehebung benötigten Betrag als Vorschuss zugesprochen.
Erwägungen des Bundesgerichts
Zum Nachbesserungsrecht der Stockwerkeigentümer ändert das Bundesgericht die bisherige Rechtsprechungs-Praxis:
- Das Bundesgericht hält an der bisherigen Rechtsprechung von BGE 114 II 239, wonach der vertragliche Nachbesserungsanspruch eines Stockwerkeigentümers gegenüber dem Unternehmer nur im Umfang der Wertquote des Bestellers bestehe, wenn er sich auf Mängel an gemeinsamen Bauteilen beziehe, nicht mehr fest.
Das Bundesgericht erkennt neu:
- Pflicht des Unternehmers, der vertraglich die Erstellung einer Stockwerkeinheit übernehme, habe dem Besteller gegenüber zur Ablieferung des mängelfreien Werkes auch in Bezug auf Bauteile, die anderen Miteigentümern ebenfalls zur Nutzung zustehen, einzustehen
- Unteilbarkeit des Nachbesserungsanspruchs
- Recht jeden einzelnen Stockwerkeigentümers, seine vertraglichen Nachbesserungsansprüche gegenüber dem Unternehmer auch dann ungeteilt auszuüben, wenn diese Ansprüche gemeinsame Bauteile eines in Stockwerkeigentum aufgeteilten Werkes betreffen würden
- Kein Verkennen der Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, dass die vertraglichen Gewährleistungsansprüche der einzelnen Stockwerkeigentümer nicht identisch sein müssen
- Mangel, dessen Behebung der Besteller beanspruchen könne, definiere sich als Abweichung vom Vertrag (vgl. BGE 114 II 239)
- Inhaltlich würden zwar die Verträge des Unternehmers mit den einzelnen Erwerbern von Stockwerkeinheiten praktisch regelmässig gleich lauten – dies müsse aber nicht zwingend der Fall sein
- Es könne sich unter Umständen die Frage stellen, ob ein einzelner Erwerber einer Stockwerkeinheit im Verhältnis zu seinen Miteigentümern seinen vertraglichen Anspruch auf Nachbesserung durchsetzen dürfe, wenn die Abweichung vom Vertrag einen gemeinsamen Bauteil betreffe
- Insofern dürfte eine Koordination zwischen der Durchsetzung des werkvertraglichen Nachbesserungsanspruchs einzelner Erwerber von Stockwerkeigentum und den Regeln über die Beschlussfassung der Stockwerkeigentümergemeinschaft erforderlich sein (vgl. BGE 141 III 360, Erw. 3.2).
Entscheid
- Abweisung der Beschwerde in Zivilsachen
- Auferlegung der Gerichtsgebühr an die Beschwerdeführerin, die die Beschwerdegegnerin zu entschädigen hat.
Quelle
BGer 5A_71/2018 vom 18.09.2018