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Stockwerkeigentum: Vor Gebäudeerstellung begründetes StWE und noch nicht gebaute StWE-Einheit

Datum:
26.11.2019
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Stichworte:
Immobilien, Stockwerkeigentum
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

ZGB 712m / GBV 69 – Verletzung zwingenden Quorums: Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit?

Einleitung

Im Falle einer Stockwerkeigentums-Begründung vor Erstellung des Gebäudes war vom Bundesgericht (5A_79/2017) ein Entscheid der Versammlung der Stockwerkeigentümer, der in Verletzung einer zwingenden Quorums-Bestimmung erging, zu beurteilen.

Sachverhalt

Die Beschwerdegegner, die vor Vorinstanz obsiegten,  brachten vor,

  • dass die geplante Änderung die Einstimmigkeit erfordere und die Quorums-Verletzung zur Nichtigkeit führe
  • dass die späte Reaktion einen offensichtlichen Rechtsmissbrauch darstelle
  • dass die durch A. SA im März 2004 verkauften Lose nicht gebaut waren, sondern in Wirklichkeit lediglich «Anteile» darstellten und somit ihren Käufern nicht die Eigenschaft von Stockwerkeigentümern verleihen konnten; deren unberechtigte Teilnahme an der Stockwerkeigentümerversammlung vom 23.03.2004 stelle einen erheblichen Mangel dar, der den an jener Versammlung gefassten strittigen Beschluss nichtig machte.

Entgegen des reglementarischen Einstimmigkeitsprinzips wurde mit blosser Mehrheit beschlossen, dass die Stockwerkeigentümergemeinschaft nicht mehr nach Köpfen, sondern inskünftig nach Stockwerkeinheiten (sog. Stimmrecht nach Losen) abstimmen können solle.

Erwägungen

Quorums-Vorschriften

Das Bundesgericht weist gestützt auf ZGB 646 ff. bzw. ZGB 712a ff. zunächst auf die drei Arten von Mehrheiten hin, die für Beschlüsse der Stockwerkeigentümerversammlung festgelegt werden könnten:

  • die Mehrheit der Stockwerkeigentümer – anwendbar auf alle Beschlüsse, für die weder das Gesetz noch das Reglement über die Verwaltung und Nutzung eine bestimmte qualifizierte Mehrheit vorsehen
  • das doppelte Mehr der Stockwerkeigentümer und der Wertquoten (sog. doppelte Mehrheit)
  • die Einstimmigkeit der Stockwerkeigentümer.

Entscheid der Versammlung der Stockwerkeigentümer in Verletzung einer zwingenden Quorums-Bestimmung: Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit?

Das Bundesgericht hielt in seinen Erwägungen fest:

  • dass keine Zweckänderung vorlag
  • dass der Beschluss vom 23.10.2004, vom Stimmrecht nach Köpfen zum Stimmrecht nach Losen zu wechseln, nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar sei
  • dass die Frist für eine Anfechtungsklage ganz klar abgelaufen war; mangels Nichtigkeit könne die Frage eines allfälligen Rechtsmissbrauchs der Beschwerdegegner offen bleiben
  • dass sich der von einem Rechtsnachfolger angefochtene Beschluss vom 01.03.2013 konkretisierend in die Änderung einfüge, die von der Stockwerkeigentümerversammlung 2004 beschlossen worden war.

Somit habe die kantonale Vorinstanz zu Unrecht entschieden,

  • dass die Einstimmigkeit nötig sei, um die 2013 vorgeschlagene Umwandlung des Loses vorzunehmen.

Tatsächlich habe die qualifizierte Mehrheit mangels anderslautender Bestimmung im Reglement aber genügt.

Dem kantonalen Entscheid und dem Protokoll der Stockwerkeigentümerversammlung vom 01.03.2013 sei jedoch nur zu entnehmen,

  • dass eine Mehrheit von 30 gegen 12 Stimmen vorlag, die nach Los berechnet wurde.

Aufgrund der Sachverhaltsfeststellung des kantonalen Gerichts lasse sich nicht bestimmen, ob dieses Stimmenverhältnis dem der qualifizierten Mehrheit entspreche:

  • Die Vorinstanz sah keinen Grund, diese Frage zu untersuchen, da sie die Einstimmigkeit für notwendig hielt.

Der Fall sei daher an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie entscheide, ob die doppelte Mehrheit erreicht wurde oder nicht.

Stellung der noch nicht gebauten Stockwerkeigentumseinheit; Recht ihres Eigentümers, an der Versammlung der Stockwerkeigentümer teilzunehmen

Zur Frage der Stockwerkeigentümerstellung vor Gebäudeerstellung erwähnt das Bundesgericht folgendes:

  • Die Eintragung des StWE im Grundbuch sei in diesem Fall nur möglich, wenn mit der Anmeldung der Aufteilungsplan eingereicht werde
  • Eine Stockwerkeigentums-Einheit könne somit durchaus vor der Erstellung des Gebäudes begründet werden
  • Mit dem Erwerb seines StWE-Anteils werde der Neuerwerber automatisch Mitglied der Stockwerkeigentümergemeinschaft
  • Der StWE-Erwerber verfüge über das unantastbare und unveräusserliche Recht, an der Stockwerkeigentümerversammlung teilzunehmen und an deren Beschlüssen mitzuwirken
  • Jeder Stockwerkeigentümer könne sein Recht auf Teilnahme an der Verwaltung eines Stockwerkeigentums geltend machen, unabhängig von der Bauphase des Gebäudes.

Die Beschwerde wurde daher vom Bundesgericht gutgeheissen, soweit auf sie einzutreten war.

Quelle

BGer 5A_79/2017 vom 17.11.2017   =   BGE 143 III 537

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